OLG Hamm, Urteil vom 14. November 2014 – I-11 U 129/13 –:
Pressemitteilung einer Staatsanwaltschaft über Ermittlungsverfahren und Anklageerhebung
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens 40.000 EUR aufgrund einer ihrer Meinung nach vorliegenden Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit einer Presseerklärung der Staatsanwaltschaft S vom 26.01.2009 sowie Erklärungen ihres Pressesprechers gegenüber der Y-Zeitung, der S Zeitung und der P. Diese Erklärungen wurden im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren unter anderem wegen falscher Verdächtigung, Verleumdung und Verletzung von Privatgeheimnissen abgegeben, welches sich gegen die Klägerin und ihren Lebensgefährten richtete.
Die Klägerin war seit dem 01.06.2007 Chefärztin des Zentrums für Erwachsene mit angeborenem und erworbenem Herzfehler in der Klinik des Universitätsklinikums S. Sie sollte später die Nachfolgerin von T werden, welcher diese Klinik leitete.
Am 14.11.2007 wurde der Klägerin durch das Universitätsklinikum S gekündigt. Im Dezember 2007 erhob die Klägerin dagegen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht S.
In der Presse wurde ab dem 04.01.2008 über unüberbrückbare Differenzen mit dem Team der Herzchirurgie einerseits und der Klägerin andererseits berichtet. Dabei wurde die Klägerin namentlich genannt.
Am 30.05.2008 stellte das Arbeitsgericht fest, dass die Kündigung unwirksam gewesen sei. In der Berufungsinstanz wurde das arbeitsgerichtliche Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Klägerin mit der Universität S und dem Universitätsklinikum S zuvor im Juli 2008 außergerichtlich eine Einigung gefunden hatte. Nach dieser Einigung sollte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30.09.2008 aufgehoben werden.
Seit Oktober 2008 ist die Klägerin als Chefärztin in dem F Herzzentrum tätig.
Von Juni bis August 2008 gingen anonyme Anzeigen gegen T bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm ein. Darin wurde Herrn T und weiteren Ärzten die fahrlässige Tötung von Patienten durch unsachgemäße Herzoperationen oder fehlerhafte postoperative Behandlungen vorgeworfen. Außerdem erhielten Angehörige von verstorbenen Patienten anonyme Schreiben, in welchen behauptet wurde, dass der Tod der Patienten vermeidbar gewesen sei, bzw. mit allen Mitteln vertuscht werden solle.
Diese Vorwürfe führten dazu, dass die Staatsanwaltschaft S ein Ermittlungsverfahren gegen T und andere Ärzte der X-Klinik einleitete (30 Js 158/08). Am 17.07.2008 informierte die Staatsanwaltschaft S die Medien über dieses Verfahren.
Parallel zu dem Ermittlungsverfahren gegen T leitete die Staatsanwaltschaft S zudem ein Ermittlungsverfahren gegen den zunächst unbekannten Verfasser der anonymen Anzeigen und Schreiben ein, das sich später gegen die Klägerin und ihren Lebensgefährten richtete (30 Js 221/08).
Während des Ermittlungsverfahrens wurde die Klägerin am 22.08.2008 als Zeugin vernommen. Am 03.09.2008 wurden ihre Wohnung und ihre Diensträume durchsucht. Darüber wurde mit Namensnennung in der Presse berichtet.
Am 17.09.2008 erklärte der Lebensgefährte der Klägerin, dass er der Verfasser der anonymen Schreiben sei. In der Presse wurde über das Verfahren gegen die Klägerin mit Namensnennung berichtet.
Unter dem 23.09.2008 wurde ein herzchirurgisches Fachgutachten erstellt. Damit sollten die Vorwürfe gegen die Ärzte der X-Klinik geprüft werden. Die Vorwürfe angeblicher Qualitätsmängel wurden in diesem Gutachten als ungerechtfertigt zurückgewiesen.
Mit Verfügung vom 04.11.2008 stellte die Staatsanwalt S das Ermittlungsverfahren gegen T und andere nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Zur Begründung stützte die Staatsanwaltschaft sich unter anderem auf das vorgenannte herzchirurgische Fachgutachten.
Die Klägerin nahm in ihrer anwaltlich verfassten Einlassung vom 22.12.2008 zu den gegen sie gerichteten Vorwürfen Stellung. Bezüglich der Einzelheiten der anwaltlichen Stellungnahme wird auf die Anlage K5 zur Klageschrift vom 27.12.2012 Bezug genommen.
Unter dem 16.01.2009 erhob die Staatsanwaltschaft S Anklage gegen die Klägerin und deren Lebensgefährten. Der Klägerin wurden unter anderem falsche Verdächtigung, Verleumdung und Verletzung von Privatgeheimnissen vorgeworfen. Bezüglich der Einzelheiten der Anklageschrift wird auf die Anlage K6 zur Klageschrift vom 27.12.2012 Bezug genommen.
Am 26.01.2009 verfasste der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft S eine Presseerklärung. Dort wurde über das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin und deren Lebensgefährten sowie über die Anklageerhebung berichtet. Bezüglich der Einzelheiten der Presseerklärung wird auf die Anlage K10 zur Klageschrift vom 27.12.2012 Bezug genommen.
Außerdem äußerte sich der Pressesprecher auch gegenüber Vertretern der Presse, darunter auch der Y-Zeitung, S Zeitung und P, die in Presseartikeln vom 26.01.2009 (S Zeitung und P) sowie 27.01.2009 (Y-Zeitung) über die Anklageerhebung gegen die Klägerin und ihren Lebensgefährten berichteten. In diesen Artikeln, in denen die Klägerin namentlich genannt wurde, wurden auch Äußerungen des Pressesprechers wörtlich wiedergegeben. Wegen der Einzelheiten der drei Presseberichte wird auf die Anlagen K11, K12 und K13 zur Klageschrift vom 27.12.2012 Bezug genommen.
Mit Beschluss des Landgerichts Münster vom 14.07.2009 wurde die Anklage der Staatsanwaltschaft S vom 16.01.2009 gegen den Lebensgefährten der Klägerin in vollem Umfang und gegen die Klägerin hinsichtlich der Vorwürfe zu Zif. 3, 4 und 6-13 zur Hauptverhandlung zugelassen. Wegen der weiteren Vorwürfe wurde die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.
Mit Beschluss vom 11.09.2012 wurde das Verfahren gegen die Klägerin und ihren Lebensgefährten endgültig nach § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von jeweils 7.500 EUR eingestellt.
Die Presseerklärung der Staatsanwaltschaft S und die darauf beruhende Berichterstattung führten dazu, dass die Klägerin in ihrem privaten und beruflichen Umfeld immer wieder auf die Vorgänge im Zusammenhang mit den anonymen Schreiben und dem Ermittlungsverfahren angesprochen wurde.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung gegen das beklagte Land gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG.
Eine Amtspflichtverletzung des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft S liegt nicht vor.
Die allgemeinen Anforderungen, die an eine Presseerklärung der Staatsanwaltschaft zu stellen sind, hat das Landgericht zutreffend dargestellt.
Danach sind staatliche Behörden des beklagten Landes nach Art. 5 Abs. 1 GG und § 4 LPresseG NRW verpflichtet, der Presse die Auskünfte zu erteilen, welche der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen. Derartige Auskünfte können und müssen allerdings verweigert werden, wenn ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse dadurch verletzt würde (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG NRW). Wenn eine staatliche Behörde eine Presseerklärung abgibt, muss anhand einer Güterabwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten der Pressefreiheit einerseits und des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen andererseits beurteilt werden, ob das verfolgte öffentliche Interesse an der Abgabe dieser Presseerklärung den Vorrang verdient (BGH, Urteil vom 17.03.1994, III ZR 15/93; OLG Celle, NJOZ 2005, 3115; VG Saarlouis, Urteil vom 21.08.2008, 1 K 920/07). Bei Presseerklärungen ist zu Gunsten des Beschuldigten insbesondere die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 MRK zu berücksichtigen. Bei der Namensnennung und identifizierenden Berichterstattung ist eine besondere Zurückhaltung geboten. Die Veröffentlichung des Namens und des Tatortvorwurfs im Detail ist nur ausnahmsweise zulässig, weil derartige Informationen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen schwer belasten. Eine besondere Zurückhaltung bei der Namensnennung ist insbesondere dann geboten, wenn sich das Ermittlungsverfahren noch im Ausgangsstadium befindet. Das Informationsinteresse an der Namensnennung kann dagegen in Fällen schwerer Kriminalität überwiegen oder bei Straftaten, welche die Öffentlichkeit besonders berühren (VG Saarlouis, Urteil vom 21.08.2008, 1 K 920/07; LG Berlin, Urteil vom 15.01.2008, 27 O 973/07; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.06.2001, 4 VAs 3/01; Gounalakis, Verdachtsberichterstattung durch den Staatsanwalt, NJW 2012, 1473, 1479). Darüber hinaus ist eine Namensnennung auch dann zulässig, wenn das Berichtsgeschehen der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 31.01.2000, 2 Ws 282/99). Sogenannte relative Personen der Zeitgeschichte, welche durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen haben, müssen eher eine Berichterstattung mit voller Namensnennung dulden, als völlig unbekannte Personen, wobei die Berichterstattung jedoch im Zusammenhang mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis stehen muss (BGH, Urteil vom 19.06.2007, VI ZR 12/06).
Für das Strafverfahren sind diese Kriterien zusätzlich in Nr. 4a und 23 RiStBV zusammengefasst. Nach Nr. 4a RiStBV muss ein Staatsanwalt alles vermeiden, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann. Wenn die Bezeichnung des Beschuldigten unter der ihm zur Last gelegten Straftat nicht entbehrlich ist, so muss deutlich gemacht werden, dass lediglich der Verdacht einer Straftat besteht. Nach Nr. 23 Abs. 1 RiStBV hat ein Staatsanwalt im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter überwiegt. Eine unnötige Bloßstellung ist auch nach dieser Bestimmung zu vermeiden. Nr. 23 Abs. 1 RiStBV geht davon aus, dass dem allgemeinen Informationsinteresse der Öffentlichkeit in der Regel ohne Namensnennung entsprochen werden kann.
Des Weiteren sind in der Rechtsprechung Voraussetzungen für die Verdachtsberichterstattung, d.h. eine Berichterstattung in der Presse über Fälle in denen der bloße Verdacht eines Fehlverhaltens im Raume steht, entwickelt worden. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Berichterstattung ist zunächst das Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Dies setzt voraus, dass der Verfasser der Berichterstattung eine hinreichend sorgfältige Recherche über den Wahrheitsgehalt angestellt hat, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht umso höher anzusetzen sind, je schwerer und nachhaltiger das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Handlung bereits überführt. Dies beinhaltet, dass durch die Art der Darstellung dem Leser zumindest vermittelt wird, dass die Sachlage offen ist. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGH, NJW 2000, 1036; NJW 2014, 2029; LG Hamburg, Urteil vom 26.05.2006, 324 O 1004/05).
Legt man die vorstehenden Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, sind weder die Presseerklärung vom 26.01.2009, noch die im Zusammenhang mit dieser Presseerklärung stehenden Äußerungen des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft S gegenüber Pressevertretern, die sich aus dem Artikel der Y-Zeitung vom 27.01.2009 (Anlage K11 zur Klageschrift vom 27.12.2012), aus dem Artikel der S Zeitung vom 26.01.2009 (Anlage K12 zur Klageschrift vom 27.12.2012) und aus dem Artikel der P vom 26.01.2009 (Anlage K13 zur Klageschrift vom 27.12.2012) entnehmen lassen, als amtspflichtwidrig anzusehen. Bei einer durchzuführenden Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin mit der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit der Justiz ergeben sich bei einer Gesamtbetrachtung der Erklärungen des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft S keine Beanstandungen, die einen Entschädigungsanspruch der Klägerin begründen könnten. Der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft S war gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, § 4 LPresseG NRW zur Information der Presse verpflichtet. Das wird auch von der Klägerin nicht ernstlich in Frage gestellt, sondern lediglich der konkrete Inhalt der Erklärungen des Pressesprechers beanstandet. Aber auch dieser bewegte sich im Rahmen der vorgenannten Anforderungen.
a) Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft S bei der Presseerklärung vom 26.01.2009 und den weiteren Erklärungen gegenüber Vertretern der Presse im Zusammenhang mit dieser Presseerklärung den Namen der Klägerin genannt hat. Dem stehen weder Nr. 4a RiStBV, noch Nr. 23 RiStBV entgegen, weil die Namensnennung in diesem Fall nicht entbehrlich war. Dies ist von dem Landgericht zutreffend dargestellt worden und wird mit der Berufung auch nicht mehr ernstlich in Zweifel gezogen. Der Inhalt der Presseerklärung war für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse. Bereits ab dem 17.07.2008 war in den Medien umfangreich über das laufende Ermittlungsverfahren gegen die Ärzte der X-Klinik berichtet worden. Schon durch die Vielzahl der Presseberichte wird deutlich, wie groß die Bedeutung der im Raum stehenden Vorwürfe gegen ein großes Universitätsklinikum für die Öffentlichkeit gewesen ist. Die Erheblichkeit der im Raum stehenden Vorwürfe lässt das hohe Interesse der Öffentlichkeit auch ohne weiteres nachvollziehbar erscheinen. Das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin und ihren Lebensgefährten stand zu dem vorgenannten Ermittlungsverfahren in engem Zusammenhang, so dass sich das erhebliche öffentliche Interesse auch auf dieses weitere Verfahren erstreckte.
Die Klägerin war im Zusammenhang mit den zeitgeschichtlichen Ereignissen rund um die X-Klinik unzweifelhaft als relative Person der Zeitgeschichte anzusehen. Dabei handelt es sich um Personen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis das Interesse auf sich gezogen haben (BGH, Urteil vom 19.06.2007, VI ZR 12/06). Bereits seit Beginn des Jahres 2008 war regelmäßig im Zusammenhang mit der X-Klinik auch namentlich über die Klägerin berichtet worden.
b) Auch unter Zugrundelegung der Anforderungen an die Verdachtsberichterstattung sind die Presseerklärung des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft S und die vorgenannten im Zusammenhang mit dieser Presseerklärung stehenden Äußerungen gegenüber Pressevertretern nicht zu beanstanden. Dabei ist der Klägerin zunächst zuzustimmen, dass sich die Staatsanwaltschaft bei Erklärungen gegenüber der Presse grundsätzlich auch an die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu halten hat. Da sich die Presse bei der Wiedergabe von Auskünften der Staatsanwaltschaft grundsätzlich auf deren Richtigkeit verlassen kann, und somit weitgehend von einer eigenen Pflicht zur Nachrecherche entbunden ist, muss die Staatsanwaltschaft ihrerseits an die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung gebunden sein, um den mit der Schaffung der Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung beabsichtigten Ausgleich zwischen den kollidierenden Grundrechten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Pressefreiheit zu gewährleisten.
aa) Dabei ist davon auszugehen, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der herauszugebenden Informationen sprechen, vorgelegen hat. Im Rahmen der Berichterstattung durch die Presse setzt dies eine sorgfältige Recherche über den Wahrheitsgehalt dessen, über das berichtet werden soll, voraus. Im Zusammenhang mit einer Presseerklärung eines Pressesprechers der Staatsanwaltschaft setzt die sorgfältige Recherche voraus, dass der Pressesprecher sich die für die Presseerklärung erforderlichen Informationen aus dem Ermittlungsverfahren herangezogen hat. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der Pressesprecher die Ermittlungsergebnisse der Kollegen der Staatsanwaltschaft in Zweifel zieht und eigene Ermittlungen anstellt. Das Aufmachen eines "parallelen Ermittlungsverfahrens" durch den Pressesprecher ist gerade in komplexen Fällen, die - wie hier - oft Gegenstand des öffentlichen Interesses sind, schon aufgrund des damit verbundenen zeitlichen Aufwands nicht möglich. Es ist auch nicht die Aufgabe des Pressesprechers, die Arbeit des zuständigen Kollegen der Staatsanwaltschaft in Zweifel zu ziehen oder zu kritisieren, sondern er soll lediglich die Öffentlichkeit über die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und die von der Staatsanwaltschaft eingeleiteten Schritte informieren.
Jedenfalls musste sich dem Pressesprecher die Anklageerhebung zum damaligen Zeitpunkt nicht als unrichtig darstellen. Nach dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft war der zu fordernde Mindestbestand an Beweistatsachen vorhanden. Insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Beweislage in der Anklageschrift (S. 33 ff. der Anlage K6 zur Klageschrift vom 27.12.2012) durfte der Pressesprecher davon ausgehen, dass die Ermittlungsergebnisse auf einer ordnungsgemäßen Ermittlungsarbeit des Anklageverfassers beruhten. Dafür spricht auch, dass die Anklage in der Folge am 14.07.2009 von dem Landgericht ganz überwiegend zur Hauptverhandlung zugelassen worden ist.
Erforderlich ist aber, dass der Pressesprecher die Ermittlungsergebnisse in der Presseerklärung und in sonstigen Erklärungen gegenüber der Presse zutreffend wiedergibt und insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um eine Öffentlichkeitsinformation über die Anklageerhebung geht, zutreffend den Gegenstand der Anklage darstellt. Dies ist vorliegend geschehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt bei der Darstellung der Motivlage in der Presseerklärung kein Widerspruch zu der Darstellung in der Anklageschrift vor. Die in der Presseerklärung angegebene Motivlage findet sich so auch in der Anklageschrift auf Seite 3 (Anlage K6 zur Klageschrift vom 27.12.2012). Soweit die Klägerin meint, die Formulierung in der Presseerklärung "Nachdem dieser Plan fehlgeschlagen und ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem UKS beendet worden war, soll sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten ... " stelle die zeitlichen Abläufe anders als in der Anklageschrift dar und müsse vom Leser dahin verstanden werden, dass ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem UKS wegen dieser Vorwürfe beendet worden sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen, weil sich der Presseerklärung ein Kausalzusammenhang zwischen der Erhebung unzutreffender Vorwürfe und der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht entnehmen lässt. Jedenfalls handelt es sich allenfalls um eine unerhebliche Abweichung, aus der sich für die Klägerin keinerlei Nachteil ergibt, der einen Entschädigungsanspruch auslösen könnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass selbstverständlich eine wortgenaue Übereinstimmung der Presseerklärung mit der Anklageschrift nicht erforderlich ist. Dies ist schon aufgrund des Umfangs der Anklageschrift von 62 Seiten nicht möglich.