OLG Koblenz, Urt. v. 26.7.2018 – 1 U 344/18

Sachverhalt

Das bekl. Land, vertreten durch den Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz, beauftragte den Kl., einen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur, gemäß schriftlichen Vertrags vom 16.3.2015 mit einer Vermessung langgestreckter Anlagen an der K22. Der Kl. entnahm im automatisierten Abrufverfahren die dort für den Vermessungsbereich nachgewiesenen Vermessungsunterlagen. Die Katasterbehörde stellte später dem Kl. weitere Unterlagen zur Verfügung. Der Kl. reichte am 11.1.2016 seine Vermessungsschriften in der Außenstelle Simmern des Vermessungs- und Katasteramtes Osteifel-Hunsrück zur gestuften Übernahme ein. Die Übernahme der Vermessungsschriften des Kl. in das Liegenschaftskataster erfolgte am 20.9.2016. Die Katasterbehörde fand im November 2016 im Zuge weiterer Überprüfungen weitere Messunterlagen auf. Diese führten dazu, dass die Übernahme der Vermessungsschriften des Kl. nochmals überarbeitet wurden. Der Kl. hat vorgetragen, die Einbeziehung der von der Katasterbehörde nachträglich aufgefundenen Vertragsunterlagen in seine Vermessung habe dazu geführt, dass die zuvor von ihm ohne diese Unterlagen durchgeführten Vermessungsarbeiten zum Teil hinfällig geworden seien. Zum Teil habe er diese wegen der langsamen Bearbeitung durch das Amt wiederholen müssen, weil alle Markierungen entfernt worden seien und die Grenzpunkte nicht mehr erkennbar gewesen seien. Dadurch sei ihm unter Zugrundelegung des Gebührenverzeichnisses gemäß Rechnung vom 18.1.2017 ein Schaden iHv 26.531,76 Euro brutto entstanden. Diesen habe das beklagte Land ihm zu ersetzen. Gegen das Vorliegen einer ihm gegenüber obliegenden Amtspflicht spreche nicht, dass er selbst als Behörde tätig geworden sei. Er erfülle zwar mit seiner hoheitlichen Tätigkeit Aufgaben für die Allgemeinheit, verfolge daneben aber auch persönliche Interessen, da er unternehmerisch tätig werde und entsprechend zu vergüten sei. Der Kl. hat beantragt, das bekl. Land zu verurteilen, an ihn 26.531,76 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie vorgerichtliche Kosten iHv 1141,90 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Dem Kl. steht gegen das beklagte Land kein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG zu.

1) Nach § 2 I des Landgesetzes über das amtliche Vermessungswesen von Rheinland-Pfalz vom 20.12.2000 (GVBl S. 2000, 572, nachfolgend RhPfLGVerm) werden die Aufgaben nach dem RhPfLGVerm von den Vermessungs- und Katasterbehörden wahrgenommen. Gemäß § 2 II RhPfLGVerm können die Erhebung von Daten für die Geobasisinformationen einschließlich der Gebäudeeinmessung sowie die Bestimmung und Abmarkung von Flst. auch von sonstigen Vermessungsstellen vorgenommen werden. Dazu gehören nach § 2a II 1 RhPfLGVerm die im Land Rheinland-Pfalz öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und Vermessungsingenieure sowie nach § 2 II Nr. 2 RhPfLGVerm die behördlichen Vermessungsstellen des Bundes.

a) Die öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und Vermessungsingenieure handeln als Behörde iSd § 2 des Landesverfahrensgesetzes Rheinland-Pfalz vom 23.12.1976 (RhPfVwVfG).

Gemäß § 2a IV 4 RhPfLGVerm unterstehen die öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und Vermessungsingenieure dabei der Dienst- und Fachaufsicht der oberen Vermessungs- und Katasterbehörde.

b) Der Kl. war als Beliehener bei der Ausführung der Liegenschaftsvermessung selbst hoheitlich als Behörde tätig und hat die ihm zur Erfüllung der nach dem RhPfLGVerm übertragenen Aufgaben gemeinsam mit dem Vermessungs- und Katasteramt wahrgenommen (vgl. OLG Koblenz, NVwZ-RR 2015, 89 = MDR 2014, 1312 = VersR 2015, 578; OVG Koblenz, NVwZ-RR 2004, 552; BeckOKBGB Bamberger/Roth/Hau-Poseck-Reinert, 46. Edition, Stand 1.5.2018, BGB § 839 Rn. 9; Staudinger/Wöstmann, BGB, 2013, BGB § 839 Rn. 44ff.).

3) Der Haftungstatbestand des § 839 BGB iVm Art. 34 GG setzt voraus, dass die Amtspflicht gegenüber einem Dritten verletzt worden ist.

a) Die Drittbezogenheit der Amtspflicht beantwortet sich danach, ob die Amtspflicht, wenn auch nicht notwendig allein, auch den Zweck hat, das Interesse gerade des Geschädigten wahrzunehmen (zuletzt BGH, NJW 2018, 2264 = NZV 2018, 379). Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei einer schuldhaften Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen. Es ist zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll (BGHZ 182, 370 = NVwZ 2010, 467 Rn. 14; Staudinger/Wöstmann, § 839 Rn. 169; BeckOKBGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Reinert, BGB § 839 Rn. 60; Stein/Itzel/Schwall, S. 85, 87; BeckOGK/Dörr, Gsell/Krüger/Lorenz/Mayer, Stand 1.7.2016, BGB § 839 Rn. 277 Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 60.

b) Ein Verwaltungsträger kann nicht als Dritter iSv § 839 BGB iVm Art. 34 GG qualifziert werden, wenn er mit der Anstellungskörperschaft derart verzahnt ist, dass seine Beziehungen zu einem Außenstehendem als Internum wirkt, sog Verzahnungstheorie (Stein/Itzel/Schwall, Rn. 5f.). Dies schließt zwar nicht aus, dass auch Träger der öffentlichen Gewalt Dritte sein können. Voraussetzung dafür ist, dass der für die haftpflichtige Behörde tätige Beamte ihr gegenüber bei der Erledigung der Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist (vgl. BGH, DVBl 1974, 592 = VersR 1974, 666 = BeckRS 1974, 30382958; BGHZ 116, 312 = NJW 1992, 972; v. Einem, Amtshaftungsansprüche zwischen Hoheitsträgern, BayVBl 1994, 486 [486]).

Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Zieles obliegen, nicht als drittgeschützte Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst (BGHZ 116, 312 = NJW 1992, 972; BGHZ 87, 253 [255] = NJW 1984, 118 = AP BGB § 839 Nr. 11).

c) So stellt sich die Situation im vorliegenden Fall dar. Die Katasterbehörde hat dem Kl. für die Vermessung langgestreckter Anlagen an der K 22 Messunterlagen zur Verfügung gestellt. Diese waren Grundlage für die Durchführung einer einheitlichen Vermessung der K 22 von beiden beteiligten Stellen. Der Kl. und die Katasterverwaltung haben zur Erfüllung der ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen gearbeitet, so dass diese Arbeiten sich jeweils als Teil eines einheitlichen Ganzen darstellen.

 

Leitsätze

1. Wird ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur vom Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz damit beauftragt, eine Liegenschaftsvermessung vorzunehmen, so kann er gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz wegen ihm verspätet überlassener Messunterlagen und dadurch entstehender Mehrarbeit hierfür nicht im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs Schadensersatz gegen das Land Rheinland-Pfalz verlangen, weil es an einer drittgerichteten Amtspflichtverletzung fehlt.

2. Der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist Beliehener und wird bei der Ausführung der Liegenschaftsvermessung als Behörde hoheitlich tätig und hat die ihm zur Erfüllung der nach dem LGVerm übertragenen Aufgaben gemeinsam mit dem Vermessungs- und Katasteramt wahrzunehmen (in Anknüfpung an OLG Koblenz, NVwZ-RR 2015, 89 = MDR 2014, 1312 = VersR 2015, 578; OVG Koblenz, NVwZ-RR 2004, 552).

3. Die Drittbezogenheit der Amtspflicht beantwortet sich danach, ob die Amtspflicht, wenn auch nicht notwendig allein, auch den Zweck hat, das Interesse gerade des Geschädigten wahrzunehmen (in Anknüpfung an zuletzt BGH, NJW 2018, 2264 = NZV 2018, 379). Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei einer schuldhaften Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen. Es ist zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll (in Anknüpfung an BGHZ 182, 370 = NVwZ 2010, 467 Rn. 14).

4. Ein Verwaltungsträger kann nicht als Dritter iSv § 839 BGB iVm Art. 34 GG qualifziert werden, wenn er mit der Anstellungskörperschaft derart verzahnt ist, dass seine Beziehungen zu einem Außenstehendem als Internum wirkt, so genannte Verzahnungstheorie. Dies schließt zwar nicht aus, dass auch Träger der öffentlichen Gewalt Dritte sein können. Voraussetzung dafür ist, dass der für die haftpflichtige Behörde tätige Beamte ihr gegenüber bei der Erledigung der Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist (in Anknüpfung an BGH, DVBl 1974, 592 = VersR 1974, 666 = BeckRS 1974, 30382958; BGHZ 116, 312 = NJW 1992, 972).

5. Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Zieles obliegen, nicht als drittgeschützte Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst (BGHZ 116, 312 = NJW 1992, 972; BGHZ 87, 253 [255] = NJW 1984, 118 = AP BGB § 839 Nr. 11).

6. Das Vermessungs- und Katasteramt kann den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur im Rahmen des Schadensersatzanspruchs aus Amtshaftung nicht gemäß § 839 I 2 BGB – Subsidiaritätsklausel darauf verweisen, dass der Geschädigte sich an eine andere Behörde des Landes, hier das Landesamt für Mobilität Rheinland-Pfalz schadlos halten könne.

7. Bei einer fahrlässigen Herbeiführung eines Schadens durch mehrere Beamte verschiedener Körperschaften, die Amtspflichten verletzt haben, kann sich keine der haftenden Körperschaften darauf berufen, dass der Geschädigte von einer anderen Körperschaft Ersatz verlangen könne. Dies gilt erst recht, wenn die andere Behörde der gleichen Körperschaft angehört.