Der Amtshaftungsanspruch ist die Zentralnorm des deutschen Staatshaftungsrechts. Rechtsgrundlage ist § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Ein Amtshaftungsanspruch entsteht, wenn ein Amtsträger eine drittgerichtete Amtspflicht verletzt und dadurch dem Bürger oder einem sonstigen Rechtsträger einen Schaden zufügt. Den dadurch entstandenen Schaden muss der Staat ersetzen. Die Amtspflichtverletzung muss in der Regel in einem Vorprozess vor den Verwaltungsgerichten festgestellt worden sein.
Im Einzelnen müssen folgende 6 Voraussetzungen erfüllt sein (Prüfungsschema):
1. Ausübung eines öffentlichen Amtes durch einen Amtsträger
2. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
3. Verschulden
4. Zurechenbarkeit des Schadens
5. Kein Haftungsausschluss und keine Haftungsbeschränkungen
6. Keine Verjährung
Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht insbesondere dann nicht, wenn es der Geschädigte gemäß § 839 BGB Abs. 3 BGB schuldhaft unterlassen hat, seinen Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Bei richterlichem Handeln kann es Amtshaftungsansprüche nur in besonderen Ausnahmefällen geben. Der Amtshaftungsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren.
Übergeleitete persönliche Beamtenhaftung
Die Amtshaftung ist die auf den Staat übergeleitete persönliche Beamtenhaftung (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 12.). Der Staat haftet nicht neben dem Amtsträger, sondern an dessen Stelle. Die in § 839 BGB vorgesehene Eigenhaftung des Beamten wird durch Art. 34 GG mit schuldbefreiender Wirkung auf den Staat übergeleitet (OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2007, 283.). Anspruchsgegner ist also nicht der Beamte, sondern der Staat, eine Klage gegen den Beamten hätte also trotz des Wortlauts des § 839 BGB keine Aussicht auf Erfolg, (Vgl. OLG Nürnberg NVwZ 2001, 1324 (LS 1).) sofern er nicht ausnahmsweise nach anderen spezialgesetzlichen Vorschriften, etwa als Kfz-Halter gemäß § 7 StVG, parallel haftet (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 12.). Es handelt sich mithin um eine mittelbare Staatshaftung (Maurer, § 26, Rdn. 1).
In sehr seltenen Fällen kommt es, obwohl ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs.1 BGB gegeben ist, nicht zu einer Haftungsüberleitung auf den Staat, wenn und weil die Haftungsüberleitung gesetzlich ausgeschlossen ist (vgl. zur Zulässigkeit des Ausschlusses der Haftungsüberleitung durch Gesetz z.B. Senatsurteile vom 23. April 1953 - Aktenzeichen III ZR 103/52; vom 10. Juni 1974 - Aktenzeichen III ZR 89/72; vom 30. Oktober 1986 - Aktenzeichen III ZR 151/85; vom 15. Mai 1997 - Aktenzeichen III ZR 204/96 sowie BVerfGE 61, 199 ff; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 97; MüKoBGB/Papier/Shirvani, 7. Aufl., § 839 Rn. 336). Das gilt etwa für öffentlich bestellte Vermessungsingenieure. Diese üben zwar ein öffentliches Amt aus, sodass gegen sie ein Amtshaftungsanspruch gegeben ist (BGH, Urt. v. 7.9.2017, Az. III ZR 618/16); die Haftungsüberleitung kann aber gesetzlich ausgeschlossen sein (z.B. nach § 1 Absatz 4 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und -ingenieure in Nordrhein-Westfalen vom 1. April 2014, GV. NRW 256 - ÖbVIG NRW).
Die beim Inkrafttreten des BGB in § 839 BGB normierte Eigenhaftung des Beamten beruhte auf dem Verständnis des Staatsdienertums im 19. Jahrhundert. Danach wurde rechtmäßiges Handeln des Staatsdieners dem Landesherrn zugerechnet. Rechtswidriges Handeln dagegen fiel allein in die Verantwortlichkeit des Beamten, nicht zuletzt deshalb, weil nach dem geltenden Staatsverständnis vom Staat selbst kein Unrecht ausgehen konnte (vgl. zur historischen Rechtsentwicklung Ossenbühl/Cornils(Staatshaftungsrecht), S. 8 ff.; Maurer, § 26, Rdn. 2 ff.; Pfab, S. 4 ff.).
Art. 34 Satz 1 GG enthält demgegenüber im Interesse des Geschädigten eine Mindestgarantie der Staatshaftung, d. h. der Haftung des Staates für die schuldhafte Verletzung von Rechtsvorschriften (vgl. BVerfGE 61, 149, 199 f.; BVerfG NVwZ 1998, 271, 272;Jarass/Pieroth, Art. 34 GG, Rdn. 2.). Die Haftungsverlagerung gem. Art. 34 GG beruht im Wesentlichen auf zwei rechtspolitischen Erwägungen: Zum einen dient sie dem Schutz des Geschädigten, der mit dem Staat einen leistungsfähigen Schuldner erhalten soll. Zum anderen soll durch die Haftungsverlagerung die Handlungs- und Entschlussfreudigkeit der Beamten gestärkt werden.
§ 839 BGB erfasst an sich nur die Amtspflichtverletzung eines Beamten im statusrechtlichen Sinne. Art. 34 Satz 1 GG erweitert diese Haftung des Staa¬tes auf Amtspflichtsverletzungen eines jeden Inhabers öffentlicher Gewalt, der nicht notwendig Beamter im statusrechtlichen Sinne sein muss (vgl. Art. 34 Satz 1 GG: „jemand“). Diesbezüglich spricht man auch von einem „Beamten im haftungsrechtlichen Sinne.“ § 839 BGB und Art. 34 GG bilden deshalb eine einheitliche Anspruchsgrundlage für den Amtshaftungsanspruch (Maurer, § 26, Rdn. 7; im Schrifttum werden beide Normen teilweise auch in umgekehrter Reihenfolge zitiert („Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB“), vorliegend soll aber die Zitierweise des BGH übernommen werden).
Anders als ein Schadensersatzanspruch nach den §§ 823 ff. BGB setzt der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG nicht voraus, dass der Schaden auf der Verletzung eines geschützten Rechtsguts beruht. Haftungsvoraussetzung ist vielmehr, dass der Schaden aus der Verletzung einer besonderen Pflicht, nämlich einer dem Beamten gegenüber dem Geschädigten obliegenden Amtspflicht resultiert. Das Tatbestandsmerkmal der Rechtsgutverletzung wird durch das Tatbestandsmerkmal der Amtspflichtverletzung ersetzt (vgl. Rotermund/Krafft, Rdn. 64.).
Neben Art. 34 GG finden sich auch in zahlreichen Landesverfassungen entsprechende Haftungsnormen, die parallel anwendbar sind (BayObLG NJW 1976, 1979 für Art. 79 BayVerf).
„Konstruktionsmängel“ der Amtshaftung
Die personale, an die Eigenhaftung des Beamten anknüpfende Konstruktion der Amtshaftung bedingt eine Reihe erheblicher Mängel (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 737):
1. Haftungsprivilegierungen
Dem Staat kommen alle haftungsrechtlichen Privilegierungen zugute, die eigentlich auf die Person des Amtswalters zugeschnitten sind (Vgl. z.B. BGH NJW 2002, 3096 zu § 106 Abs. 3 SGB VII.). Dies gilt insbesondere für das sogenannte Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, nach dem der Staat nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn neben ihm noch ein Dritter als Haftender herangezogen werden kann. Diese Subsidiaritätsklausel wird zwar allgemein als antiquiert angesehen, (vgl. BGHZ 42, 176, 181; dazu Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 80 ff.; Maurer, § 26, Rdn. 30 ff.) kommt aber gleichwohl in den meisten Fällen zur Anwendung. Immerhin verneint die Rechtsprechung mittlerweile die Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel für bestimmte Fallgruppen, in denen eine Privilegierung des Staates besonders unbillig erscheint, etwa bei der Teilnahme von Hoheitsträgern am allgemeinen Straßenverkehr.
2. Verschulden
Die Anknüpfung der Amtshaftung an das Verhalten des Beamten hat zur Folge, dass auch die übergeleitete Haftung das persönliche Verschulden des Amtswalters voraussetzt. Dem Bürger ist es aber angesichts des anonymen Verwaltungsapparats und einer oft schwer durchschaubaren Arbeits- und Funktionsteilung in der Regel nicht möglich, den konkret verantwortlichen Beamten zu identifizieren und diesem ein Verschulden nachzuweisen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 738.). Die Rechtsprechung hat diesem Umstand Rechnung getragen. Sie koppelt die Verschuldensprüfung durch einen Rückgriff auf die Figur des „Organisationsverschuldens“ weitgehend von der individuellen Verantwortlichkeit des Amtsträgers ab (vgl. BGH NJW 1964, 41, 44; BGH DVBl. 1989, 1094, 1096.). Die so bewirkte Entindividualisierung und Objektivierung des Verschuldens im Rahmen der Amts¬haftung unterscheidet den Amtshaftungsanspruch maßgeblich von den übrigen zivilrechtlichen Deliktstatbeständen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 738.).
3. Keine Naturalrestitution
Der Amtshaftungsanspruch ist grundsätzlich nur auf Schadensersatz in Geld oder Leistung anderer vertretbarer Sachen gerichtet (BGHZ 5, 102; 34, 99, 105 ff.; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 78.). Naturalrestitution kann nicht verlangt werden. Aufgrund der personalen Konstruktion der Amtshaftung kann der Staat nämlich nur auf solche Leistungen in Anspruch genommen werden, die der Beamte selbst als Privatperson erfüllen kann. Da der Amtswalter als Privatperson aber nicht berechtigt ist, Amtshandlungen vorzunehmen, scheidet ein Anspruch auf Naturalrestitution aus.
Gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist ein Amtshaftungsanspruch gegeben, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Ob ein bestimmtes Verhalten als Ausübung eines öffentlichen Amtes durch einen Amtsträger anzusehen ist, bestimmt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich danach, ob die eigentliche Zielsetzung des Tätigwerdens des Amtsträgers hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob, wenn dies der Fall ist, zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als dem Bereich hoheitlicher Betätigung zugehörig angesehen werden muss.
Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit diente, abzustellen (BGH NVwZ-RR 2011, 658; BGHZ 147, 169, 171; BGH NJW 1992, 2882). Die Prüfung dieser Tatbestandsvoraussetzung umfasst also insgesamt drei Einzelmerkmale:
Prüfungsschema |
(1) ein Amtsträger muss |
(2) ein öffentliches Amt |
(3) wahrgenommen haben. |
Der BGH nimmt dabei eine sehr extensive Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale vor, wie sich in der Konstruktion der Rechtsfiguren „Beliehener“ und „Verwaltungshelfer“ zeigt und wie er sie in seinen Urteilen zum Recht des Zivildienstes (BGH DVBl 1992, 1293) und zur Heilbehandlung von Soldaten (BGH NJW 1996, 2431) fortgeführt hat. Im Zweifel ist das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale zu bejahen, weil das Risiko fehlerhaften staatlichen Handelns nicht dem einzelnen Bediensteten aufgebürdet werden sollte.
Hat der Beamte (im statusrechtlichen Sinn) nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt, haftet er unmittelbar selbst nach § 839 BGB ohne Haftungsüberleitung auf den Staat gemäß Art. 34 GG (BGH NVwZ 2005, 484, 487).
Nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG haftet der Staat für das Verhalten einer Person in Ausübung eines dieser anvertrauten öffentlichen Amtes. Für den Amtshaftungsanspruch ist es deshalb nicht erforderlich, dass es sich bei dem Amtswalter um einen Beamten im statusrechtlichen Sinne handelt. Entscheidend ist allein, ob der Amtswalter mit einem öffentlichen Amt, also hoheitlichen Aufgaben betraut wurde und er die Amtspflichtverletzung in Ausübung dieses öffentlichen Amtes begangen hat. Man spricht insoweit auch vom „Beamten im haftungsrechtlichen Sinne“.
Staat |
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Bundesrepublik Deutschland |
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die einzelnen Länder |
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andere juristische Personen des Öffentlichen Rechts |
Gemeinden und Landkreise (OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 158 (als Träger eines Jugendamtes) |
die kassenärztlichen Vereinigungen (BGH NJW-RR 1991, 475; BGH, Urt. v. 12.1.2017 – III ZR 312/16) Rettungszweckverbände (OLG Dresden, Urteil vom 14.02.2017 – Aktenzeichen 4 U 1256/16) Berufsgenossenschaften (BGH, Urteil vom 10.03.2020 –VI ZR 281/19; BGH, Urteil vom 20.12.2016 – Az. VI ZR 395/15; BGH, Urteil vom 29.11.2016 - VI ZR 208/15; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 15.12.2016 – Az. 8 U 129/16) |
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die AOK als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (OLG Saarbrücken NJW-RR 2001, 813; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 02. Juli 2015 – 4 U 89/14 –, juris) |
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juristische Person des Privatrechts |
Nicht möglich (BGHZ 49, 108, 115 f.; BGH NVwZ 1994, 823; OLG München, Urt. v. 29.03.2012, Az. 1 U 4444/11) |
Beamte im haftungsrechtlichen Sinn |
Es haften aber haften nicht diese direkt – als natürliche oder juristische Personen des Privatrechts –, sondern die dahinter stehende Körperschaft des Öffentlichen Rechts. |
Beamte im haftungsrechtlichen Sinn |
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Personen, die bei einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts in einem beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen: |
Beamte |
Personen, die bei einer juristischen Person des Öffentlichen Rechts in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen |
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Personen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Dienstherren stehen |
Beschäftigte im öffentlichen Dienst; (vgl. BGHZ 2, 350, 354; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 5) |
Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen |
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Personen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft stehen |
z.B. Sektenbeauftragter; (BGH NJW 2003, 1308) |
Personen, die in einem Dienstverhältnis zu einer sonstigen juristischen Person des Öffentlichen Rechts stehen |
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Beliehene |
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Verwaltungshelfer |
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Vom Hoheitsträger beauftragte selbständige Privatunternehmer |
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Außerhalb der organisierten Staatlichkeit stehende Privatpersonen können „Beamte im haftungsrechtlichen Sinne“ sein, sofern ihnen die Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen anvertraut worden ist (BGH VersR 2006, 698; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 7).
Hierzu zählen in erster Linie die sog. „Beliehenen“ (BGH NJW 2005, 286). Dies sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag hoheitliche Kompetenzen zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen worden sind. Beliehene üben die ihnen übertragenen hoheitlichen Befugnisse im eigenen Namen als Behörde aus (Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 VwVfG, Rdn. 234).
Beispiele:
Keine Beliehenen sind dagegen die Träger eines privaten Amtes, das lediglich durch gesetzliche Regelungen näher ausgestaltet ist, wie z.B.
Hierher gehören weiter die sog. „unselbständigen Verwaltungshelfer“ (dazu Remmert, WM 2020, 1453). Diese verfügen zwar im Unterschied zu den Beliehenen über keine hoheitlichen Kompetenzen. Ihr Verhalten wird dem Hoheitsträger aber deshalb zugerechnet, weil sie eine lediglich untergeordnete Hilfstätigkeit wahrnehmen und den Weisungen der Verwaltung so weitgehend unterworfen sind, dass sie gleich einem Werkzeug der öffentlichen Verwaltung bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (sog. „Werkzeugtheorie“) (vgl. BGHZ 48, 98, 103; OLG Hamm BauR 2011, 1337).Handelt es sich bei dem Verwaltungshelfer um eine juristische Person des Privatrechts, ist gleichwohl nicht die Gesellschaft, sondern der einzelne Mitarbeiter Amtsträger, da eine juristische Person des Privatrechts nicht als solche Beamter sein kann (BGH NVwZ 2006, 966).
Zu den unselbständigen Verwaltungshelfern zählen etwa
Auch selbständige Privatunternehmer, die von einem Hoheitsträger aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingesetzt werden (partielle Aufgabenprivatisierung), können als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn angesehen werden (vgl. dazu im Kontext der Privatisierung von Staatsaufgaben Wustmann, BayVBl. 2007, 449 ff). Denn die öffentliche Hand kann sich jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer von ihr angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, diesen als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Gerade bei polizeilichen Vollstreckungsmaßnahmen wie der Ersatzvornahme durch Abschleppen eines Kfz handelt es sich um hoheitliche Maßnahmen, bei denen der beigezogene private Unternehmer gleichsam als „Erfüllungsgehilfe“ der Polizei tätig wird.
Beispiele:
Schließlich können sogar solche Privatunternehmer, die vom Geschädigten beauftragt worden, als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn angesehen werden, wenn sein Handeln eng mit dem hoheitlichen Handeln einer Behörde verbunden sind (BGH NVwZ 2012, 381). Nicht als Verwaltungshelfer und damit nicht als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn wird dagegen ein privater Bauunternehmer oder Umzugsunternehmer tätig, wenn er aufgrund einer Genehmigung der Straßenverkehrsbehörde mobile Halteverbotsschilder zu dem hauptsächlichen Zweck aufstellt, die Bauarbeiten oder Umzugsarbeiten durch ortsnahe Park- oder Haltemöglichkeiten zu erleichtern (OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2017 - 7 U 97/16). Auch Pflegeeltern sind keine Verwaltungshelfer, da die Pflege des Kindes keine Aufgabe des Jugendamtes ist (BGHZ 166, 268).
Ein öffentliches Amt wird wahrgenommen, wenn das Verhalten der handelnden Person funktionell in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich fällt.
Ist die handelnde Person ein Beamter im statusrechtlichen Sinn, entscheidet sich hierdurch, ob der Beamte persönlich nach § 839 BGB haftet oder ob es wegen der Wahrnehmung einer hoheitlichen Tätigkeit zu einer Haftungsüberleitung auf den Staat gemäß Art. 34 GG kommt.
Bei den sog. Beamten im haftungsrechtlichen Sinn entscheidet die Prüfung, ob ein öffentliches Amt wahrgenommen wird, darüber, ob überhaupt Amtshaftungsrecht zur Anwendung kommt.
Die Prüfung, ob ein öffentliches Amt wahrgenommen wird, ist also stets erforderlich, da nur dann der Anwendungsbereich von § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG überhaupt eröffnet ist.
Die Zuordnung kann im Einzelfall erhebliche Probleme aufwerfen, da nicht jedes staatliche Handeln zugleich hoheitliche Tätigkeit ist: Zum hoheitlichen Tätigkeitsbereich zählen
Nicht zum hoheitlichen Tätigkeitsbereich gehören
Die Zuordnung ist zumeist einfach zu treffen, wenn die zu beurteilende Maßnahme eine Rechtshandlung darstellt. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist dann die Rechtsform des Handelns: (Vgl. BGH NJW 2000, 2810; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 144 f.; kritisch Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 29 f.; ders., NJW 2000, 2945, 2948, der auf Inhalt und Zielsetzung hoheitlichen Handelns abstellt). Nimmt der Amtsträger seine Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahr, indem er Verwaltungsakte, Rechtsnormen oder Verwaltungsvorschriften erlässt oder öffentlich-rechtliche Verträge abschließt, so liegt stets ein „Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ vor. Bedient sich der Hoheitsträger hingegen der Handlungsformen des Privatrechts, indem er z. B. einen privatrechtlichen Vertrag abschließt (BGH NJW 2000, 2810 für Bürgschaftsübernahme durch einen Bürgermeister) oder ein Leistungsverhältnis privatrechtlich (etwa durch die Verwendung von AGB) ausgestaltet, so ist ein „Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ zu verneinen (Etwa bei einer ärztlichen Heilbehandlung BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 – VI ZR 78/13 –, juris).
Schwieriger ist dagegen die Beurteilung eines tatsächlichen Handelns (sog. „Realakte“), da das nach außen erkennbare Kriterium der Rechtsform fehlt. Hier ist auf den Aufgabencharakter und den Funktionszusammenhang mit der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe abzustellen: Bei der Beurteilung eines Realakts ist demgemäß zu prüfen, ob die Zielsetzung dem hoheitlichen Aufgabenbereich zugehört und zwischen dieser Zielsetzung und dem Realakt ein hinreichend enger innerer und äußerer Zusammenhang (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 31; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 83; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 15) besteht (BGH NVwZ 2012, 381, 382 f.; BGHZ 187, 194; BGH NJW 2002, 3172; BGH NJW 1993, 1258; OLG Sachsen-Anhalt NVwZ-RR 2011, 183 (zu einer Feuerwehrübung). Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall auszuübende Tätigkeit dient, abzustellen (BGH NVwZ 2012, 381, 382). Umfangreiche Rechtsprechung liegt beispielsweise zur Einstufung der Tätigkeit eines Prüfers vor (Zusammenfassung bei BGH NVwZ 2012, 381, 382 f.). Danach ist von der Ausübung eines öffentlichen Amtes auszugehen, wenn die Arbeit des Prüfers mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängt und er in diese so maßgeblich eingeschaltet ist, dass seine Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten und sich in ihrem Handeln niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit bildet. Als Ausübung eines öffentlichen Amtes wurden dementsprechend etwa Prüfungstätigkeiten der Kraftfahrzeugsachverständigen nach § 21 StVZO, § 29 StVZO und § 47a StVZO, der Sachverständigen nach der Prüfordnung für Luftfahrgerät sowie der Prüfingenieure für Baustatik angesehen.
Heranzuziehen ist ferner die Rechtsprechung zum strafrechtlichen Amtsträgerbegriff gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB. Unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung kann nämlich nicht einerseits der strafrechtliche Amtsträgerbegriff bejaht und andererseits amtshaftungsrechtlich die Ausübung eines öffentlichen Amtes für dasselbe Verhalten verneint werden. Dementsprechend hat der BGH bei einem Strafurteil darauf abgestellt, dass die im konkreten Fall vorgenommene Beurteilung, ob eine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrgenommen werde, „im Übrigen auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise“ entspreche (BGH NJW 2012, 2530, 2532 (Rz. 22)). Folglich ist etwa die Tätigkeit der Vorstandsmitglieder der WestLB aufgrund der vom BGH strafrechtlich bejahten Amtsträgereigenschaft (BGH NJW 1983, 2509 (Fall Poulain II); kritisch Kretschmer, StRR 2012, 91) auch amtshaftungsrechtlich als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen. Lässt sich das Handeln nach den vorstehenden Kriterien nicht eindeutig dem hoheitlichen Tätigkeitsbereich zuordnen, so soll nach der in der Literatur herrschenden Auffassung folgende Vermutung gelten: Ist der Staat zur Wahrnehmung öffentlich-rechtlich zugewiesener Aufgaben tätig geworden, so ist das Verhalten Dritten gegenüber an den Normen des öffentlichen Rechts zu messen, solange der entgegenstehende Wille, nach Maßgabe des Privatrechts zu handeln, nicht deutlich in Erscheinung tritt (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 148 m. w. N). Nimmt die Behörde typische Aufgaben ihrer Hoheitsverwaltung wahr, so sind in der Regel auch die Rechtsbeziehungen, die gegenüber dem Bürger entstehen, als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren (BGH NJW 2005, 429). Die Zuordnung der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr („Dienstfahrt“) richtet sich dementsprechend danach, ob die Fahrt ihrer Zielsetzung nach der Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe dient (vgl. BGH DÖV 1979, 865). Ist dies der Fall, so muss weiter geprüft werden, ob zwischen der Fahrt und ihrer Zielsetzung ein so enger innerer und äußerer Zusammenhang besteht, dass die Fahrt als Bestandteil der hoheitlichen Aufgabenerfüllung gewertet werden kann (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 22).
Beispiel:
Die Polizisten A und B fahren mit dem Streifenwagen zur Tankstelle des T. Erfolgt die Anfahrt deshalb, weil das Fahrzeug aufgetankt werden soll, so ist Zielsetzung der Fahrt ein fiskalisches Hilfsgeschäft, das dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Dass A und B Beamte im statusrechtlichen Sinne sind und einen Dienstwagen fahren, ist für die Zuordnung unbeachtlich, da es auf den Zweck (die Zielsetzung) der Fahrt ankommt. Erfolgt die Anfahrt aufgrund eines Notrufes von T wegen eines Überfalls, so ist Zielsetzung der Fahrt die Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe (Gefahrenabwehr, Strafverfolgung). Die Anfahrt erfolgt dann zur Wahrnehmung dieser hoheitlichen Aufgabe und weist deshalb einen hinreichend engen Zusammenhang zum hoheitlichen Bereich auf.
Die vom BGH herangezogenen Kriterien der Zielsetzung und des engen inneren und äußeren Zusammenhangs weisen erhebliche Unschärfen auf. Insbesondere bei der Beurteilung von Kfz-Fahrten ist die Rechtsprechung dementsprechend uneinheitlich (vgl. die Nachweise bei MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 176 und bei Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 36 ff). Im Schrifttum wird angeregt, Kfz-Fahrten dem hoheitlichen Bereich nur noch bei Inanspruchnahme von Sonderrechten gem. § 35 StVO zuzuordnen und im Übrigen dem privatrechtlichen Bereich zuzuweisen (vgl. Maurer, § 3, Rdn. 22; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 38). Teilweise wird auch vertreten, dass bei Fahrten von Einsatzfahrzeugen (Militär-, Polizei- oder Feuerwehrfahrzeugen) im Regelfall ein innerer Zusammenhang mit einer hoheitlichen Aufgabe anzunehmen sei; (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 23) in prozessualer Hinsicht soll dies aber noch keinen Anscheinsbeweis begründen (vgl. BGH NJW 1966, 1264). Diese Vorschläge sind aber, soweit ersichtlich, von der Rechtsprechung noch nicht aufgegriffen worden (vgl. BGH NJW 1992, 1227, 1228).
Nach Art. 34 Satz 1 GG muss der Amtsträger „in Wahrnehmung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“ handeln. Ein Amtshaftungsanspruch scheidet demnach aus, wenn der Schaden nur „bei Gelegenheit“ der Amtsausübung zugefügt wurde (OLG Rostock NJOZ 2008, 4745; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 32; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 17). „In Wahrnehmung eines Amtes“ handelt der Amtswalter nur, wenn das Ziel der Tätigkeit dem hoheitsrechtlichen Funktionskreis zuzurechnen ist und zwischen der schädigenden Handlung und ihrer Zielsetzung ein innerer Zusammenhang besteht (BGHZ 69, 128, 132). An dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlt es, wenn die Handlung völlig losgelöst von der dienstlichen Tätigkeit erfolgt und die einzige Verbindung darin besteht, dass sie während des Dienstes vorgenommen wird. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Beamter einen Dienstwagen unerlaubt für persönliche Zwecke („Schwarzfahrt“) benutzt (BGH NJW 1994, 660).
An dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlt es auch dann, wenn ein Polizeibeamter beim Einsatz von seiner Schusswaffe nicht aufgrund einer bestehenden Gefahr, sondern aus rein persönlichen Motiven Gebrauch macht (vgl. BGHZ 11, 181, 185). Ein Fall der Wahrnehmung des öffentlichen Amtes liegt umgekehrt jedoch vor, wenn ein Polizeibeamter mit Billigung seines Dienstherrn nach Dienstschluss seine Dienstwaffe mit nach Hause nimmt und dort verwahrt (BGH NJW 2000, 1637).
Wesentliche Voraussetzung eines Amtshaftungsanspruchs ist die Verletzung einer einem Dritten gegenüber bestehenden Amtspflicht. Amtspflichten eines Amtswalters bestehen grundsätzlich nur im Innenverhältnis gegenüber seinem Dienstherrn. Nur wenn die Amtspflicht zumindest auch den Zweck hat, den Dritten vor Schädigungen zu bewahren, kann dieser bei Verletzung der Pflicht einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Amtspflichtverletzungen können dabei nicht nur durch ein positives Tun, sondern auch durch ein Unterlassen begangen werden, sofern eine entsprechende Pflicht zum Handeln besteht (BGH NVwZ 1990, 699).
§ 839 BGB verlangt hingegen - anders als § 823 Abs. 1 BGB - keine Rechtsgutsverletzung. Die öffentliche Hand haftet daher auch für reine Vermögensschäden (Paul Schultess: Vermögensschutz in der Amtshaftung – Erweiterung des deliktischen Haftungsgefüges bei hoheitlicher Schädigung, VersR 2019, 1331).
Die Amtspflichten ergeben sich aus den Normen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Aufgaben- und Pflichtenkreis des Amtswalters regeln. Maßgeblich sind neben dem Grundgesetz die einfachen Gesetze, untergesetzliche Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften sowie dienstliche Einzelweisungen (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 31; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 44; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 33.).
Amtspflichten |
Amtspflicht zum rechtmäßigen Handeln |
Amtspflicht zum zuständigkeitsgemäßen Handeln |
Amtspflicht zur Beachtung des Verfahrensrechts |
Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung |
Amtspflicht zum verhältnismäßigen Handeln |
Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung |
Amtspflicht zur Erteilung von richtigen Auskünften, zur Beratung, zur richtigen öffentlichen Bekanntmachung und zur Einhaltung von Zusagen |
Amtspflicht zu konsequentem Verhalten |
Amtspflicht zur Rückgängigmachung von als unzulässig erkannten Maßnahmen |
Die Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 46 f. m. w. N.). Der Amtsträger hat sich bei Wahrnehmung seiner Aufgaben an die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften zu halten; hierzu gehören auch Dienst- und Verwaltungsvorschriften (BGH NVwZ-RR 2010, 675; OLG Hamm, Urt. v. 04.11.2009, Az. 11 U 15/09; OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 45.). Hierher gehört insbesondere die Pflicht, keine unerlaubten Handlungen zu begehen, d. h. die hoheitlichen Aufgaben so wahrzunehmen, dass Rechtsgüter Dritter nicht verletzt werden, (BGHZ 69, 128, 138 ff.; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 37 m. w. N.) insbesondere nicht das Eigentum (Brandenburgisches OLG NJW-RR 2012, 96 f.; OLG Hamm, Urt. v. 28.05.2010, Az. 11 U 304/09.); auch Urheberrechtsverletzungen, z.B. durch Verwendung von Fotografien bei Werbung, verletzen die Amtspflicht zum rechtmäßigen Handeln (OLG Celle, Beschluss vom 09. November 2015 – 13 U 95/15; für die Webseite einer Schule LG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.10.2016 – 2-06 O 175/16). Lehrern obliegt die Amtspflicht, die ihnen anvertrauten Schüler im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1965 - III ZR 35/64, Urteil vom 27. Juni 1963 - III ZR 5/62). Im Schulsport gehört dazu die Pflicht, Schülerinnen und Schüler nicht in einer die Gesundheit gefährdenden Weise zu belasten und etwa erforderliche und zumutbare Erste Hilfe rechtzeitig und in ordnungsgemäßer Weise zu leisten, (BGH, Urteil vom 04.04.2019 - III ZR 35/18; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.01.2018 - 1 U 7/17; vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. April 2009 - 2 U 40/05). Außerdem darf ein Eingriff nur vorgenommen werden, wenn für ein solches Vorgehen eine Rechtsgrundlage existiert (BGHZ 63, 319, 322.).
Vermitteln Rechtsnormen bestimmte Leistungsansprüche, so verletzt der Amtsträger seine Amtspflichten, wenn er die Leistungsansprüche nicht erfüllt. Beispielsweise hat der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind bei rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. Tut er dies nicht, handelt er amtspflichtwidrig (BGH, Urteil vom 20.10.2016 – III ZR 278/15). Heftig umstritten sind Ansprüche auf Konzessionierung von Sportwetten (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.8.2016 – I-18 U 217/07).
Ein Beamter verletzt seine Amtspflicht grundsätzlich nicht, wenn er auf Grund einer ihn bindenden Weisung einer vorgesetzten Stelle eine objektiv rechtswidrige Maßnahme trifft (Anschluss an BGHZ 205, 63). Die persönliche Verantwortung des Beamten für die Rechtmäßigkeit seines Verwaltungshandelns verpflichtet ihn in diesen Fällen aber zur Remonstration gemäß § 36 Absatz 2 Satz 1, 2 BeamtStG gegen die Weisung oder Verwaltungsvorschrift, wenn er die Rechtswidrigkeit der Maßnahme kannte oder kennen musste. Diese Remonstrationspflicht besteht auch im Interesse des Betroffenen als drittgerichtete Amtspflicht im Sinne des § 839 Absatz 1 BGB. Unterlässt der Beamte eine Remonstration, obwohl ihm bekannt war oder sich ihm bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte aufdrängen müssen, dass die Anwendung einer Verwaltungsvorschrift die Rechte des Adressaten verletzt, kann dies Amtshaftungsansprüche des Betroffenen begründen ungeachtet der beamtenrechtlichen Folgepflicht (OLG Bremen, Urteil vom 23.01.2019 - 1 U25/18).
b) Amtspflicht zum zuständigkeitsgemäßen Handeln
Grundsätzlich kann auch eine Überschreitung der Zuständigkeitsgrenzen eine Amtspflichtverletzung begründen (BGH NJW 1992, 3229.). Der Zweck der Zuständigkeitsbestimmungen beschränkt sich nicht nur auf ein bloß formales Element, vielmehr soll auch eine sachlich richtige Entscheidung durch den mit der erforderlichen Sachkompetenz ausgestatteten Hoheitsträger gewährleistet werden.Sofern es jedoch um den Erlass eines Verwaltungsakts geht, ist § 46 VwVfG zu beachten. Danach ist die örtliche Unzuständigkeit der Erlassbehörde ohne Relevanz, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Sofern die Unbeachtlichkeitsklausel des § 46 VwVfG eingreift, liegt haftungsrechtlich keine Amtspflichtverletzung vor (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 47; differenzierend MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 205 f., wonach die aus § 46 VwVfG folgende Unbeachtlichkeit bei Ermessensakten nicht den Unrechtsgehalt des Aktes nimmt, es jedoch meistens an einem durch den Amtspflichtverstoß verursachten Schaden fehlen wird.).
Wird ein Antrag bei einer unzuständigen Behörde gestellt, kann diese die drittschützende Amtspflicht zur Weiterleitung an die zuständige Behörde treffen (BGH (III. Zivilsenat), Urteil vom 21.01.2021 – III ZR 70/19).
c) Amtspflicht zur Beachtung des Verfahrensrechts
Der Amtswalter ist verpflichtet, die verfahrensrechtlichen Vorschriften zu beachten und richtig anzuwenden (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 16.02.2010, Az. 2 U 5/08.). Für Verfahrensfehler beim Erlass eines Verwaltungsakts sind allerdings die Heilungsklausel des § 45 VwVfG und die Unbeachtlichkeitsklausel des § 46 VwVfG zu beachten (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 204.).
Ein besonders wichtiger Verfahrensgrundsatz, dessen Missachtung häufig zu einer Amtspflichtverletzung führt, ist die Pflicht zur sachgemäßen Sachverhaltsermittlung: Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verwaltungsverfahren (vgl. § 24 VwVfG) hat die Behörde im Rahmen des Zumutbaren den Sachverhalt so umfassend zu erforschen, dass die Beurteilungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt (BGH VersR 2010, 346; BGH NJW 1989, 99; Kellner, DVBl 2010, 799.). Sofern es dem Amtsträger an der für die Sachverhaltsermittlung notwendigen Sachkunde fehlt (etwa bei schwierigen technischen Sachverhalten), hat er sachverständigen Rat einzuholen (BGH NVwZ 1988, 283. ). Die Pflicht zur sachgemäßen Sachverhaltsermittlung wird von der Unbeachtlichkeitsklausel des § 46 VwVfG nicht erfasst (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 47. ).
Anträge sind ordnungsgemäß aufzunehmen (OLG Karsruhe AgrarR 2004, 415.). Sind sie unvollständig oder unklar, hat sie der Amtswalter mit dem Antragsteller zu besprechen und auf ihre sachgemäße Formulierung und Vervollständigung hinzuwirken (BGH BeckRS 2008, 13733; OLG Köln VersR 2002, 1025.).
Ein Zustellungsbeamter, der entgegen den Vorschriften der ZPO eine Zustellung falsch bewirkt, verletzt eine Amtspflicht, die ihm sowohl dem Absender als auch dem Empfänger gegenüber obliegt. Die Heilung des Zustellungsmangels nach § 189 ZPO wirkt sich auch nicht auf das Vorliegen der Amtspflichtverletzung aus, sondern ist allein für den Eintritt und Umfang eines ersatzfähigen Schadens von Bedeutung (BGH, Urteil vom 21.2.2019 – III ZR 115/18; BGH, VersR 1985, 358).
Bei einer Zwangsvollstreckung müssen die landesrechtlichen Vorschriften der Landesvollstreckungsgesetze beachtet werden (OLG Koblenz, Urteil vom 12.09.2019 - 1 U 135/19).
d) Amtspflicht zur fehlerfreien Ermessensausübung
Nach früherer Rechtsprechung begründete ein Ermessensfehler erst dann eine Amtspflichtverletzung, wenn Ermessensmissbrauch (Willkür) vorlag (BGHZ 45, 143, 146.). In seiner neueren Rechtsprechung hat der BGH nunmehr den Maßstab des § 114 VwGO übernommen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 49.). Demnach liegt eine Amtspflichtverletzung vor, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder wenn von dem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (BGHZ 74, 144; BGHZ 75, 120, 124.). Ein erheblicher Ermessensfehler liegt in den Fällen der Ermessensüberschreitung, des Ermessensnichtgebrauchs und des Ermessensfehlgebrauchs vor (Siehe zu den Ermessensfehlern im einzelnen Maurer, § 7, Rdn. 19 ff.).
Wenn andere pflichtgemäße Entscheidungen möglich gewesen wären, ist eine Amtspflichtverletzung zu verneinen (vgl. Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 34.). Liegt dagegen eine Ermessensreduzierung auf Null vor und ist deshalb nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung möglich, so ist jede abweichende Entscheidung amtspflichtwidrig (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 34.).
e) Amtspflicht zum verhältnismäßigen Handeln
Die Amtspflicht zum verhältnismäßigen Handeln resultiert aus dem mit Verfassungsrang versehenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist im Rahmen jeder Amtsausübung zu beachten (BGHZ 55, 261, 266.). Staatliche Eingriffe in die geschützte Rechtssphäre des Bürgers müssen zur Zielerreichung geeignet und erforderlich sein. Außerdem darf die Maßnahme nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg außer Verhältnis steht (Zum Einsatz eines Polizeihundes, um durch Bissverletzungen gezielt die Festnahme eines Verdächtigen zu ermöglichen OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juni 2015 – 9 U 23/14 –, juris.). Aus der Notwendigkeit, das mildeste Mittel anzuwenden, folgt die Pflicht, die nachteiligen Folgen für den Betroffenen abzumildern (BGHZ 18, 366, 368 f.). Daneben obliegt der Behörde die ebenfalls dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuzuordnende Amtspflicht, bei der Amtsausübung in keiner Weise unzulässig in den Bereich unbeteiligter Dritter einzugreifen (BGHZ 16, 111, 113; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 136).
f) Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung
Den Behörden obliegt die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und nach Abschluss der Prüfung unverzüglich zu bescheiden (BGHZ 30, 19, 26 f.; BGH DVBl 2001, 1619; BGH NVwZ 2002, 124; OLG Köln, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 7 U 23/14 –, juris; ausführlich Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 130 ff.; Schlick, NJW 2008, 127, 129).
Gegen eine verzögerte Antragsbearbeitung kann der Bürger mit der Untätigkeitsklage gem. § 75 VwGO vorgehen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Höchstzeitraum für eine Entscheidung der Behörde stets der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO entspricht (LG Köln NJW 2011, 3380 zur Amtshaftung einer Rechtsanwaltskammer, die nicht innerhalb von drei Monaten über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung entschieden hatte.). Er kann vielmehr wesentlich kürzer bemessen sein, etwa wenn der Behörde der Sachverhalt schon aufgrund vorangegangener Anträge bekannt war (BGH NVwZ 1993, 299 (zur verzögerten Bescheidung einer Bauvoranfrage). ). Ein Zeitraum von einem Jahr und acht Monaten für die Erledigung eines Antrags auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch ist aber in jedem Fall deutlich zu lang (BGH NJW 2007, 830.).Jede Behörde hat die Amtspflicht, die an sie gestellten Anträge mit der gebotenen Beschleunigung innerhalb einer angemessenen Frist zu behandeln und die Anträge, sobald eine ordnungsgemäße Prüfung abgeschlossen ist, in angemessener Frist zu bescheiden. Die zuständige Baugenehmigungsbehörde trifft damit die Pflicht, ein Baugesuch gewissenhaft, förderlich und sachdienlich zu behandeln und ohne vermeidbare Verzögerung innerhalb angemessener Frist zu bescheiden sowie jedwede Schädigung des Bauwerbers zu unterlassen. Welcher Zeitraum für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Bauvorbescheids angemessen ist, kann nicht abstrakt beantwortet werden, sondern ist jeweils eine Frage des Einzelfalls (im konkreten Fall wurden ca. sechs Wochen als ausreichend erachtet) (OLG Dresden, Endurteil vom 27.04.2018 - 1 U 1701/16).
Die Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung hat darüber hinaus im Strafprozessrecht besondere Relevanz: Die Staatsanwaltschaft trifft die Amtspflicht gegenüber dem Beschuldigten, die Ermittlungen zügig durchzuführen und nach ihrem Abschluss in angemessener Zeit entweder Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen (BGH VersR 1983, 754. ).
Auch den Gerichten obliegt eine Amtspflicht zur beschleunigten Bearbeitung von Verfahren. Diese Beschleunigungspflicht ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK und verlangt, dass innerhalb angemessener Zeit eine abschließende, gerichtliche Entscheidung vorliegt (Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 19 GG, Rdn. 62 m. w. N. Verstößt ein Gericht gegen die Amtspflicht zur beschleunigten Verfahrensbearbeitung und verweigert oder verzögert pflichtwidrig die Ausübung des Amtes, findet das sog. „Richterspruchprivileg“ gem. § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB keine Anwendung.). Damit kann eine unvertretbare Verschleppung von Gerichtsverfahren zu einer Amtshaftung führen, mit der Folge, dass der Verzögerungsschaden zu ersetzen ist.
Die Amtspflicht zur raschen Entscheidung kann sich auch auf tatsächliches Handeln beziehen. Das gilt etwa für die Sicherheitskontrollen an Flughäfen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.01.2017 - 1 U 139/15; Schaefer: Der wartende Passagier – Ansprüche bei Mängeln und Verzögerungen der Luftsicherheitskontrollen, NJW 2019, 3029).
g) Amtspflicht zur Erteilung von richtigen Auskünften, zur Beratung, zur richtigen öffentlichen Bekanntmachung und zur Einhaltung von Zusagen
Im Regelfall wird die Behörde Auskünfte (zur Auskunft in Form eines Faxsendesignals OLG Hamm, Urt. v. 05.05.2010, Az. 11 U 202/09) und Belehrungen nur auf eine Anfrage des Bürgers hin geben. Auskünfte müssen richtig, klar, unmissverständlich und vollständig (OLG Saarbrücken NJOZ 2006, 2496) sein (BGH, Urteil vom 26.04.2018 - Aktenzeichen III ZR 367/16, BGH, Urt. v. 09.10.2008, BeckRS 2008 22021; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2016 –18 U 20/15, I-18 U 20/15; OLG Hamm, Urt. v. 08.07.2009, Az. 11 U 9/09 (zu einer unrichtigen Melderegisterauskunft); Thüringer OLG, Urt. v. 01.07.2009, Az. 4 U 588/08 (Falschauskunft hinsichtlich der Denkmaleigenschaft eines Gebäudes); Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 38 m. w. N.; Rohlfing, NdSVBl 2008, 57 ff.). Entscheidend ist der Empfängerhorizont (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 50 m. w. N.), und zwar unabhängig davon, ob der Beamte zur Auskunft verpflichtet oder auch nur befugt war (OLG Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 14.11.2019 – 11 U 85/18). Im Fall eines Amtshaftungsanspruchs aufgrund einer unrichtigen unverbindlichen Auskunft der Behörde ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene nicht verlangen kann, so gestellt zu werden, als wäre die Auskunft richtig gewesen. Denn dies liefe auf einen Erfüllungsanspruch hinaus, der sich aus den erteilten Auskünften gerade nicht ergab (BGH, Urteil vom 22.6.1989 - III ZR 100/87, Urteil vom 26.10.2000 - III ZR 53/99, NVwZ 2001, 709, 712). Allerdings kann die erteilte Auskunft durchaus Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen sein (BGH, Urteil vom 10.7.2003 - III ZR 155/02, BGHZ 155, 354). Es muss dann geprüft werden, wie sich der Geschädigte konkret verhalten hätte und wie sich infolgedessen seine Vermögenslage entwickelt hätte, wenn zutreffende Auskünfte erteilt worden wären (OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.10.2018 - 4 U 84/17). Eine dem Vertragspartner des von einer Amtspflicht primär Geschützten (hier dem von dem Eigentümer beauftragten Generalunternehmer eines Bauvorhabens) gegebene Auskunft ist jedenfalls dann im Interesse des Auskunftsempfängers erteilt, wenn sich – ähnlich der Situation der Drittschadensliquidation – das (wirtschaftliche) Risiko der Falschauskunft vollständig auf ihn verlagert hat, während dem vorrangig geschützten Betroffenen der entsprechende Schaden nicht entsteht (BGH, Urt. v. 26.4.2018 – III ZR 367/16).
Auch eine Beratung (zu einem Sonderfall (Mitwirkung bei der Erstellung eines Testaments) OLG Karlsruhe VersR 2011, 800.) muss richtig, vollständig und unmissverständlich sein und kann sogar eine Information über naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten umfassen (OLG München, Urt. v. 04.08.2011, Az. 1 U 5070/10; OLG München NJW 2011, 3244 f.; zu den Grenzen OLG München, Urt. v. 26.05.2011; Az. 1 U 4834/10; OLG Hamm, Urt. v. 05.06.2009, Az. 11 U 193/08; LG Berlin Urt. v. 17.02.2011, Az. 86 O 175/10.). Die Verpflichtung gilt auch für Auskünfte, zu deren Erteilung der Amtswalter eigentlich nicht befugt oder verpflichtet war (BGH VersR 1985, 492; BGHZ 117, 83, 87.). Bei der Weiterleitung der Auskunft einer anderen Behörde gelten diese Amtspflichten nur für die „Auskunftsbehörde“, nicht aber für die die Auskunft weiterleitende Behörde (OLG Köln VersR 2005, 508.).
Auch ohne Nachfrage seitens des Bürgers kann den Amtswalter eine aktive Aufklärungspflicht treffen: Kann der Beamte erkennen, dass der Bürger durch das behördliche Verhalten zu für ihn nachteiligen Maßnahmen veranlasst wird, so muss er ihn ungefragt über die Sach- und Rechtslage in Kenntnis setzen (BGH VersR 2006, 76; BGHZ 45, 23, 28 f.; BGH NJW 1985, 1335; OLG München, Beschl. v. 14.12.2010, Az. 1 U 3304/10.). Die Behörde ist außerdem verpflichtet, jedenfalls den anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion hinzuweisen, wenn sie ihm zuvor mitgeteilt hat, dass sein Antrag auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis noch nicht beschieden werden könne, und insoweit um etwas Geduld gebeten hat (BGH, Urteil vom 20.04.2017 - Aktenzeichen III ZR 470/16). Die Studienfachberaterin der Fakultät einer Universität verletzt aber keine Amtspflichten, wenn sie Studierende nicht darauf hinweist, dass die empfohlene Gestaltung des Studienverlaufs zum Wegfall der BAföG-Förderung führen kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Studierende ausdrücklich nach den Konsequenzen der Empfehlung für die Förderung fragt. Dann muss auf die Beratung durch das Amt für Ausbildungsförderung verwiesen werden (OLG Schleswig, Urteil vom 22.12.2016 - Aktenzeichen 11 U 41/16).
Diese Pflicht zur aktiven Aufklärung darf aber nicht überdehnt werden (BGH, Urteil vom 03. Juli 2014 – III ZR 502/13 –, juris.). Sie besteht nur dann, wenn es für den Beamten deutlich erkennbar ist, dass beim Bürger ein entsprechendes Informationsdefizit besteht (BGH NJW 1985, 1335; BGH, Urteil vom 06. Juni 2013 – III ZR 196/12 –, juris (zur unterbliebenen Unterrichtung des Eigentümers über die Feststellung der Denkmaleigenschaft seines Anwesens); OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Mai 2014 – 1 U 305/12 –, juris (zu Informationspflichten des Jugendamtes gegenüber Adoptionsbewerbern); OLG Hamm, Urteil vom 27. November 2013 – I-11 U 33/13, 11 U 33/13 –, juris (zu Informationspflichten der Rentenversicherung). Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich nach dem erkennbaren Kenntnisstand des Bürgers. Deshalb können besondere Fachkenntnisse des Auskunftsempfängers (z. B. die Kenntnisse eines Architekten über die Grundzüge des Baurechts) dazu führen, dass der Beamte nicht verpflichtet ist, eine Klarstellung vorzunehmen, die gegenüber einem nicht informierten Laien (z. B. dem Bauherrn selbst) geboten wäre (BGH VersR 1985, 1186).
Auch in einer unzutreffenden öffentlichen Bekanntmachung kann eine Amtspflichtverletzung liegen. Entsprechend den für amtliche Auskünfte geltenden Maßstäben nimmt die Rechtsprechung im Wege eines erst-recht-Schlusses an, dass diese richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu sein hat (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 18.05.2010, Az. 2 U 18/09.).
Von der behördlichen Auskunft, die sich nur auf gegenwärtige Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art bezieht (z. B. auf die bauliche Nutzbarkeit eines Grundstücks), ist die Zusage zu unterscheiden. Die Zusage bezieht sich auf ein künftiges Verhalten der Verwaltung. Die Grenze zwischen beiden Erklärungen ist allerdings oft fließend. So kann eine in Form einer Zusage gekleidete Erklärung der Verwaltung, sie werde künftig etwas Bestimmtes tun, in Wahrheit eine Auskunft über die Tatsache darstellen, dass die Verwaltung eine Absicht zu dem künftigen Tun (gegenwärtig) besitzt (BGH DVBl. 1992, 560, 562; BGH NVwZ-RR 1996, 66.).Wie die Auskunft muss auch die Zusage richtig, unmissverständlich und vollständig sein (BGH NVwZ 1994, 91.).
Rechtmäßige Zusagen an den Bürger müssen darüber hinaus von der Verwaltung eingehalten werden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Zusage wirksam abgegeben worden ist. Sofern sich die Zusage auf den Erlass eines Verwaltungsakts bezieht (dann liegt eine Zusicherung vor), ist sie gem. § 38 Abs. 1 VwVfG nur wirksam, wenn die Schriftform beachtet worden ist. An die nur mündliche Zusicherung, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen oder nicht zu erlassen, ist die Behörde nicht gebunden (Kopp/Ramsauer, § 38 VwVfG, Rdn. 28).
Gegenüber dem Empfänger einer rechtswirksamen Zusage besteht auch die Amtspflicht, für die Einhaltung der Zusage noch notwendige Genehmigungen der Rechtsaufsichtsbehörde einzuholen (BGH NVwZ 2001, 709, 710.).
h) Amtspflicht zu konsequentem Verhalten
Die Amtspflicht zu konsequentem Verhalten hat ihre Grundlage im Grundsatz von Treu und Glauben in seiner Ausprägung als Verbot des widersprüchlichen Verhaltens. Eine Behörde darf keine Maßnahmen treffen, die im Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten in derselben Angelegenheit stehen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Verwaltung durch frühere Maßnahmen einen Vertrauenstatbestand geschaffen und der Bürger im schutzwürdigen Vertrauen hierauf Vermögensdispositionen getroffen hat (BGH WM 2001, 147; BGH VersR 1985, 37; BGH NVwZ-RR 1989, 600. ). Beispielsweise darf eine Gemeinde einen bereits in Aussicht gestellten Erschließungsvertrag nicht daran scheitern lassen, dass sie nachträglich überzogene Forderungen stellt (BGHZ 76, 343.). Auch schließt die Erteilung einer behördlichen Genehmigung für eine Anlage oder gewerbliche Tätigkeit es aus, den bestimmungsgemäßen Betrieb des Unternehmens innerhalb der von der Genehmigung festgesetzten Grenzen als rechtswidrige Störung zu werten und mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu bekämpfen (BGH NVwZ 2000, 1206, 1207.).
i) Amtspflicht zur Rückgängigmachung von als unzulässig erkannten Maßnahmen
Die Behörde ist schließlich verpflichtet, erkannte Fehler zu korrigieren und die Folgen ihres Fehlverhaltens rückgängig zu machen, soweit dies zumutbar und möglich ist (vgl. BGHZ 43, 34, 38.). Dementsprechend kann die Aufrechterhaltung einer rechtswidrigen, durch Zeitablauf beendeten (vgl. BGH NJW 1995, 2918.) oder nicht mehr erforderlichen Verwaltungsmaßnahme (vgl. BGHZ 117, 240, 247.) Amtshaftungsansprüche zur Folge haben.
a) Allgemeine Anforderungen an die Drittbezogenheit
c) Reichweite der Schutzwirkung einer drittbezogenen Amtspflicht
d) Schutzwürdiges Vertrauen als haftungsbegrenzendes Kriterium
e) Einzelfragen zur Drittbezogenheit
aa) Amtspflichten im Rahmen von Sonderverbindungen
cc) Dienst- und Rechtsaufsicht
dd) Betriebs- und Anlagenaufsicht
ff) Legislatives und normatives Unrecht
Es reicht zur Begründung des Amtshaftungsanspruchs nicht aus, wenn jemand durch die Amtspflichtverletzung nachteilig betroffen worden ist. Der Geschädigte muss darüber hinaus geltend machen können, dass die verletzte Amtspflicht gerade auch zu seinem Schutz diente, er also vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst war.
Den Gegensatz zu solchen Amtspflichten mit Drittbezogenheit bilden Amtspflichten, die allein die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bezwecken oder die dem Interesse des Staates an der ordnungsgemäßen Amtsführung der Beamten dienen (vgl. Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 44).
Die Tatbestandsvoraussetzung der Drittbezogenheit ist ein wichtiges haftungsbegrenzendes Merkmal, an dem zahlreiche Amtshaftungsklagen scheitern. Nicht zu Unrecht bezeichnen Ossenbühl/Cornils die Drittbezogenheit als eine „crux des Amtshaftungsanspruchs“ (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 60). Im Einzelfall ist häufig nur schwer zu bestimmen, ob Drittbezogenheit vorliegt. Auch wenn der konkrete Sachverhalt einer der höchstrichterlich gebildeten Fallgruppen zuzuordnen ist, besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage wesentlich erschwert. Da die Ausfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ganz den Gerichten überlassen ist, stellt die Drittbezogenheit der Amtspflicht die „entwicklungsoffene Flanke“ des Amtshaftungsanspruchs dar (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 60). Diese Unwägbarkeiten verstärken sich noch dadurch, dass der Drittbezug für einen bestimmten Schadensfall nicht generell festgestellt werden kann, sondern – je nach Schutzzweck der Amtspflicht – nach Personen und Rechtsgütern jeweils im Einzelfall gesondert ermittelt werden muss (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 60; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 26. November 2015 – 11 U 156/14 –, juris).
Grundsätzlich stellen sich damit drei Fragen: (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 60; siehe auch Schoch, Jura 1988, 585, 590)
1. Entfaltet die verletzte Amtspflicht überhaupt drittschützende Wirkung?
2. Zählt der Geschädigte zu dem geschützten Personenkreis?
3. Wird das verletzte Recht oder Rechtsgut von der drittschützenden Wirkung erfasst?
Sofern bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben mehrere Behörden zusammenwirken, ist die Drittgerichtetheit der jeweils verletzten Amtspflicht eigenständig hinsichtlich jeder einzelnen Behörde zu prüfen (BGH NVwZ 2001, 1074, 1075; Rinne/Schlick, NVwZ 2002/II, S. 13; Detterbeck, JuS 2002, 127 ff).
a) Allgemeine Anforderungen an die Drittbezogenheit
Die allgemeinen Anforderungen an die Drittbezogenheit einer Amtspflicht werden vom BGH in ständiger Rechtsprechung im Wesentlichen wie folgt umrissen (BGH, Urteil vom 20.10.2016 – III ZR 278/15; BGH NVwZ 1997, 714, 716 m. w. N.; in diesem Urteil wird die ständige Rechtsprechung des BGH sehr prägnant und überzeugend zusammengefasst; ebenso BGH NJW 2005, 742. Kritisch Kellner, DVBl 2010, 799).
„Ob der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte „Dritter“ i. S. d. § 839 BGB ist, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht.
Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten ‚Dritten‘ bestehen.
Dabei muss eine Person, der gegenüber die Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen als Dritter anzusehen sein. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt danach auf den Schutzzweck der Amtspflicht an.“
Die Rechtsprechung hat eine umfangreiche Kasuistik geschaffen, die sich kaum systematisieren lässt, zumal die Gerichte erfahrungsgemäß dazu neigen, unerwünschte Ergebnisse mit Hilfe dieser Tatbestandsvoraussetzung und mit der Begrenzung des Schutzzwecks der verletzten Norm zu korrigieren oder zu umschiffen (Überblick über die Rechtsprechung bei Rohlfing, MDR 2002, 254).
Lässt sich der konkrete Fall nicht in eine der bestehenden Fallgruppen einordnen, so muss bei der Begründung der Amtshaftungsklage ein besonderes Augenmerk auf die Begründung der Drittbezogenheit der Amtspflicht gerichtet werden. Im Schrifttum werden einige, allerdings wenig griffige Kriterien genannt, die für die Feststellung der Drittbezogenheit der Amtspflicht maßgeblich sein können (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 62 m. w. N). Hierzu gehören u. a.
Besteht die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen belastenden Verwaltungsakts oder in der rechtswidrigen Ablehnung oder Unterlassung eines begünstigenden Verwaltungsakts, (zum Unterlassen eines belastenden Verwaltungsakts OLG Karlsruhe VesR 2011, 351) so gilt nach der Rechtsprechung die „allgemeine Regel“, dass die Drittgerichtetheit der Amtspflicht mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zusammenfällt (BGH NJW 1994, 1647, 1647; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 173).
b) „Dritter“
„Dritter“ ist jeder, dessen Interessen die Amtspflicht schützen soll und in dessen Rechtskreis durch die Amtspflichtverletzung eingegriffen wird, auch wenn er nur mittelbar oder unbeabsichtigt betroffen ist. Es kann in diesem Zusammenhang auch hinreichend sein, dass er selbst zum Eingriff in seine Rechtsstellung veranlasst worden ist (BGH, Urteil vom 05.04.2018 - Aktenzeichen III ZR 211/17; BGH NJW 1966, 157; BGH VersR 1988, 963; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 45 m. w. N).
Bei einer Auskunft ist Dritter jeder, in dessen Interesse oder auf dessen Antrag hin die Auskunft erteilt wird (BGH, Urteil vom 26.04.2018 - Aktenzeichen III ZR 367/16, OLG Hamm MDR 2010, 991).
Dritter kann grundsätzlich auch sein, wer selbst im öffentlichen Dienst tätig ist, also beispielsweise ein Beamter (BGHZ 34, 378; BGH VersR 1983, 1031; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 47).
Auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann ausnahmsweise „Dritter“ im Sinne des Amtshaftungsrechts sein (BGH, Urteil vom 07. November 2013 – III ZR 263/12 –, BGHZ 198, 374-381 (Bund im Verhältnis zu einem Land); BGH VersR 2008, 252; BGHZ 116, 315; Hk-BGB-Staudinger, § 839 BGB, Rdn. 15). Art. 34 GG ist – anders als die Grundrechte – prinzipiell auch zugunsten von Hoheitsträgern anwendbar (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 272; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 187 ff. m. w. N.; a. A. Stelkens, DVBl. 2003, 22 ff). Voraussetzung ist jedoch, dass die betroffene juristische Person der handelnden Behörde in einer Weise gegenübersteht, wie sie für das Verhältnis zwischen Hoheitsträger und Staatsbürger charakteristisch ist (vgl. BGH NJW 1973, 1461; BGH NJW 2001, 2799, 2801; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 72 m. w. N). Die beiden Hoheitsträger müssen in Wahrnehmung widerstreitender Interessen aufeinandertreffen (vgl. BGH DVBl. 1983, 1064; BGH NJW 2001, 2799, 2801. Beachtlich aber die Einschränkung von BGH NJW 2003, 1318 f. Zur (verneinten) Haftung einer Landesversicherungsanstalt gegenüber einer Krankenkasse (vgl. BGH NJW 1992, 972, mit Anmerkung v. Einem, BayVBl. 1994, 486 und BayVBl. 1997, 554; Geldhauser, BayVBl. 1995, 714). In Betracht kommen damit Amtshaftungsansprüche von Selbstverwaltungskörperschaften, insbesondere von Gemeinden, (BGH NJW 2003, 1318; OLG Brandenburg NJ 2002, 432; Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 86 ff) Rundfunkanstalten oder Universitäten, soweit durch amtspflichtwidriges Handeln anderer Verwaltungsträger in deren eigenen Wirkungskreis eingegriffen wird (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 72. ). Der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur ist ein Beliehener, der hoheitlich als "Behörde" tätig wird. Er nimmt die ihm nach dem Landesgesetz über das amtliche Vermessungswesen zugewiesenen Aufgaben gemeinsam mit dem zuständigen Vermessungs- und Katasteramt wahrgenommen. Die Amtspflichten des Vermessungs- und Katasteramtes entfalten deshalb keine drittschützende Wirkung gegenüber dem Vermessungsingenieur. Zwar können auch Träger der öffentlichen Gewalt "Dritte" sein; dafür ist aber erforderlich, dass der für die haftpflichtige Behörde tätige Beamte ihr gegenüber bei der Erledigung der Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist. Wenn dagegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe "gleichsinnig" und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammenwirkten, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erschienen, könnten die zu erfüllenden Pflichten des Beamten nicht als drittschützend bzw. drittgerichtet angesehen werden (OLG Koblenz, Urteil vom 26.07.2018 - 1 U 344/18).
Bei einem Verwaltungsverfahren ist Dritter grundsätzlich jeder, der formell Beteiligter ist; (BGH NJW 2005, 1865) ein materiell Beteiligter ist dagegen nur ganz ausnahmsweise Dritter im Sinn von § 839 Abs. 1 BGB (BGH NVwZ-RR 2008, 670).
c) Reichweite der Schutzwirkung einer drittbezogenen Amtspflicht
Durch die Feststellung, dass die Amtspflicht drittschützend ist, wird nur der geschützte Personenkreis, nicht jedoch die konkrete Reichweite der Schutzwirkung der Amtspflicht festgestellt. Der Dritte ist nicht in jeder Hinsicht geschützt, sondern nur soweit die Schutzwirkung der verletzten Amtspflicht reicht (BGH NJW-RR 2002, 307 m.w.N.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 71. ). Es ist daher stets zu prüfen, ob das konkret betroffene Interesse des Dritten auch von der Schutzwirkung der Amtspflicht erfasst wird (BGH NJW 1994, 2415, 2416; BGH NJW 1992, 1230; BGH NJW 1990, 1042; OLG Dresden, Urteil vom 26. August 2015 – 1 U 319/15, 1 U 0319/15 –, juris zum Verdienstausfallschaden der Eltern bei Nichtbereitstellung eines Platzes in einer Kindertagesstätte). Die Problematik lässt sich am besten anhand der folgenden Beispiele verdeutlichen:
d) Schutzwürdiges Vertrauen als haftungsbegrenzendes Kriterium
In der neueren Rechtsprechung des BGH gewinnt als weiteres haftungsbegrenzendes Tatbestandsmerkmal zunehmend der sog. „Vertrauenstatbestand“ an Bedeutung (Siehe hierzu insbesondere BGH NVwZ 1997, 714, 718 ff. (Atomrechtliche Teilgenehmigung – Mülheim-Kärlich). BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 – III ZR 27/14 –, juris.vgl. zum „Vertrauenstatbestand“ als Kriterium der Drittbezogenheit grundlegend Krohn, in: Festschrift für Boujong, S. 573 und deWitt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039). Hierbei wird im Rahmen des Schutzbereichs der Amtspflicht geprüft, ob der Geschädigte Vermögensdispositionen in schutzwürdigem Vertrauen auf eine von einem Hoheitsträger geschaffene „Verlässlichkeitsgrundlage“ getätigt hat (BGH NJW 1991, 3027; BGH DVBl. 2002, 1114). Als „Verlässlichkeitsgrundlage“ kommen grundsätzlich alle begünstigenden Verwaltungsakte (BGH NVwZ 1997, 714, 718; BGH NVwZ-RR 2008, 671) – etwa Baugenehmigungen (BGH NJW 1993, 2615, 2616 f.; BGH NJW 1994, 2087) oder Teilbaugenehmigungen (BGH NVwZ 1997, 714, 718 ff) – und behördliche Auskünfte (BGH NJW 1993, 933, 934 f.; BGH NJW-RR 2001, 441) in Betracht. Auch die Festsetzungen eines Bebauungsplans können eine Verlässlichkeitsgrundlage schaffen (BGH a. a. O).
Der BGH hat wiederholt klargestellt, dass die Frage, ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen hinsichtlich der von dem Hoheitsträger geschaffenen Verlässlichkeitsgrundlage vorliegt, bereits im Rahmen des Amtshaftungstatbestands und nicht erst beim Mitverschulden zu prüfen ist (BGH NJW 1992, 1953; BGH NVwZ 1997, 714, 722;; BGH NJW 2002, 432, 433; BGH UPR 2002, 311 f.; kritisch zur Prüfung des Vertrauensschutzes im Amtshaftungstatbestand Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 54 ff).
Zwar darf der Bürger grundsätzlich von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ausgehen und demgemäß darauf vertrauen, dass die Behörden das ihnen Obliegende richtig und sachgemäß ausführen. Solches Vertrauen ist jedoch in dem Maße nicht schutzwürdig, in dem der Bürger selbst erkennt oder es sich ihm aufdrängen muss, dass durch das Verwaltungshandeln geltendes Recht verletzt wird. Dies kommt insbesondere in den in § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG angesprochen Fällen in Betracht, also z. B. bei arglistiger Täuschung der Behörde durch den Begünstigten oder bei Kollusion zwischen Behörde und dem Begünstigten. Im Übrigen kann ausreichen, dass der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder ohne Mühe hätte erkennen können (BGH NVwZ 1997, 714, 718; BGH NJW 2002, 432). Gleiches gilt, wenn die Behörde auf die fehlende Rechtsverbindlichkeit hinweist (BGH NJW 2003, 3049).
Für die Frage, ob und inwieweit derjenige, der eine für ihn positive Erklärung zum Anlass für Vermögensdispositionen nimmt, durch die allgemeine Amtspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte und zum Erlass rechtmäßiger Bescheide geschützt ist, kommt es allein auf objektive Kriterien an: Unzutreffende subjektive Vorstellungen des Adressaten über den bezweckten Vertrauensschutz erweitern den Schutzbereich der Amtspflicht nicht und begründen keinen Vertrauensschutz. Schutzwürdiges Vertrauen liegt auch dann nicht vor, wenn der Empfänger selbst erkennt oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der betreffende behördliche Akt rechtswidrig oder aus anderen Gründen nicht geeignet ist, die mit darauf aufbauenden Dispositionen verbundenen Risiken wesentlich zu begrenzen (BGH NVwZ 1997, 714, 722). Andererseits trifft den Bescheidsadressaten aber keine Pflicht, ein amtspflichtwidriges Verhalten der Behörde bei seinen Vermögensdispositionen zu unterstellen und in etwaige Vertragsgestaltungen mit Dritten mögliche Amtspflichtverletzungen einzukalkulieren (BGH, Urt. V. 25.10.2007, BeckRS 2007, 18753).
Das durch eine „Verlässlichkeitsgrundlage“ begründete schutzwürdige Vertrauen entfällt nicht ohne Weiteres dadurch, dass ein Dritter die als Verlässlichkeitsgrundlage dienende Genehmigung anficht. Im Schrifttum wird jedoch teilweise die Eignung einer Baugenehmigung als Verlässlichkeitsgrundlage von dem Zeitpunkt an verneint, in dem die Genehmigung von dritter Seite in nicht offensichtlich unzulässiger Weise angefochten ist (Krohn, in: Festschrift für Boujong, S. 573, 587 f.; deWitt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1041). Demgegenüber entfällt nach Auffassung des BGH der Vertrauensschutz in den Bestand des Verwaltungsaktes nicht ohne Weiteres, wenn und soweit der Verwaltungsakt sofort vollziehbar ist (BGH NVwZ 1997, 714, 719).
Allerdings ist bei Vorliegen einer Drittanfechtung grundsätzlich eine größere Eigenverantwortung des Betroffenen unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB anzunehmen. Ist zulässigerweise Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben und ist mit dem Rechtsbehelf der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verbunden, so hat der Betroffene die Möglichkeit der Rechtswidrigkeit einer ihm erteilten Genehmigung jedenfalls dann ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn Anfechtungsgründe vorgebracht werden, die nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind. Setzt der Betroffene in dieser Situation sein Vorhaben entsprechend der Genehmigung fort, ohne die Entscheidung des Gerichts über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten, so nimmt er das in der Drittanfechtung liegende Risiko bewusst auf sich. Lehnt das Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab, so können sich aus der Begründung der gerichtlichen Entscheidung Anhaltspunkte für die Klärung der Frage ergeben, ob der Betroffene noch davon ausgehen durfte, sein Vorhaben ohne übermäßiges Risiko weiter ausführen zu können (BGH NVwZ 1997, 714, 727).
e) Einzelfragen zur Drittbezogenheit
aa) Amtspflichten im Rahmen von Sonderverbindungen
cc) Dienst- und Rechtsaufsicht
dd) Betriebs- und Anlagenaufsicht
ff) Legislatives und normatives Unrecht
Eine Drittbezogenheit wird im Regelfall für Amtspflichten angenommen, die aus einer Sonderverbindung zwischen Staat und Bürger resultieren. Sonderverbindungen in diesem Sinne entstehen, wenn der Bürger mit der Verwaltung in engeren Kontakt tritt. Sie können sich aus der Begründung von verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen oder aus Sonderrechtsverhältnissen (z. B. Schul- oder Strafgefangenenverhältnis) ergeben (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 62 f. ).
Sonderverbindungen erzeugen regelmäßig Leistungs-, Sorgfalts-, Fürsorge- und Schutzpflichten. In den Schutzbereich einer Sonderverbindung fällt nicht nur der jeweilige „Partner“ des Hoheitsträgers, sondern auch derjenige, der mit diesem in einer „Schutzgemeinschaft“ steht. Die Grundsätze, die beim Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte gelten, finden hier entsprechende Anwendung (BGH NJW 1974, 1816).
Die Drittbezogenheit wird außerhalb von „Sonderverbindungen“ insbesondere für die folgenden allgemeinen Amtspflichten bejaht (RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 247 ff. m.w.N.):
Die Dienstaufsicht bezieht sich auf die innere Ordnung, die allgemeine Geschäftsführung und die Personalangelegenheiten der Behörde (Maurer, § 22, Rdn. 32). Die Amtspflichten der Dienstaufsichtsbehörde bestehen daher grundsätzlich nur im allgemeinen staatlichen Interesse.
Anders verhält es sich allerdings, wenn sich ein Bürger im Wege der Dienstaufsichtsbeschwerde an die Dienstaufsichtsbehörde gewandt hat. Die Dienstaufsicht dient nämlich nach der Rechtsprechung nicht ausschließlich behördeninternen Interessen. Vielmehr steht sie auch dem Bürger zur Verfügung, um im Einzelfall eine gerechte Entscheidung der Behörde herbeizuführen. Die vorgesetzte Behörde muss auf den Hinweis des Bürgers die Angelegenheit an sich ziehen und gegebenenfalls in der Sache selbst entscheiden:
„Dem Recht des Bürgers, die vorgesetzte Behörde auf ein Fehlverhalten der nachgeordneten Stellen hinzuweisen, entspricht die ihm gegenüber bestehende Amtspflicht der Dienstaufsichtsbehörde, seine im Beschwerdeweg an sie herangetragene Beanstandung auf ihre Berechtigung zu prüfen und sie sachgerecht zu bescheiden (. . ). Diese Pflicht wird verletzt, wenn die Dienstaufsichtsbehörde die Einleitung geeigneter Schritte unterlässt, obwohl die bei Ausübung der Dienstaufsicht oder sonstwie zutage getretenen Umstände Anlass zum Eingreifen hätten geben müssen.“ (BGH NJW 1971, 1699, 1700 mit Verweis auf BGH NJW 1961, 1347; BGH NJW 1956, 1028) Damit kann die Staatsaufsicht unter besonderen Umständen ausnahmsweise auch dem einzelnen Bürger gegenüber eine drittbezogene Amtspflicht begründen (vgl. auch OLG Schleswig, Urt. v. 25. 1. 1996, 11 U 66/94; weitere Beispiele bei RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 225).
Auch die kommunale Rechtsaufsicht vermag eine Amtspflicht der Aufsichtsbehörde zugunsten der der Aufsicht unterworfenen Körperschaft (auch beispielsweise einem Zweckverband) (BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – III ZR 323/12 –, juris) zu begründen (Vgl. BGHZ 125, 258; BGHZ 142, 259, 273; Brinktrine, Verw 43, 273). Das gilt nicht nur bei belastenden Maßnahmen, sondern auch bei begünstigenden Maßnahmen, etwa der (rechtswidrigen) Erteilung einer von der aufsichtsunterworfenen Körperschaft beantragten Genehmigung für einen privatrechtlichen Vertrag; (BGH NJW 2003, 1318 f.; sehr kritisch hierzu von Mutius/Groth, NJW 2003, 1278 ff.; OLG Brandenburg; BeckRS 2008, 18003; OLG Jena OLGR 2008, 857 f.;vgl. auch Meyer, NVwZ 2003, 818 ff) Voraussetzung ist aber, dass der genehmigte Rechtsakt auch objektiv genehmigungspflichtig war (BGHZ 170, 356).
Verwaltungsgemeinschaft treffen dagegen bei der Wahrnehmung von Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises gegenüber ihrer Mitgliedsgemeinde keine drittschützenden Amtspflichten (OLG Jena, Urteil vom 20.07.2017 - 4 U 380/15). Denn die einem Beamten obliegenden Pflichten können dann nicht als drittschützende Amtspflichten i. S. v. § 839 Absatz 1 S. 1 BGB angesehen werden, wenn dessen Dienstherr und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen wirken, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen (BGH, Urteil v. 12.12. 2002, III ZR 201/0, RZ. 9, juris). Das ist bei einer Verwaltungsgemeinschaft aber gerade der Fall.
Auch die Aufsicht der Notarkammern über die Notare kann Amtspflichten zugunsten durch das notarielle Handeln geschädigter Dritte begründen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – III ZR 125/14 –, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 31. März 2014 – 1 U 132/12 –, juris).
Die staatliche Betriebs- und Anlagenaufsicht (z. B. nach dem BImSchG) dient sowohl dem öffentlichen Interesse als auch dem Schutz des einzelnen vor Gefahren für Leib, Leben und Eigentum durch unsachgemäßen Betrieb. Insoweit sind die Überwachungspflichten auch drittbezogen (vgl. MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 242). Sie dienen aber nicht dazu, den Anlageninhaber vor Vermögensrisiken zu schützen (vgl. BGHZ 39, 358 (Baustatik)).
Die Amtspflichten im Rahmen der Bankenaufsicht werden nach §.6 Abs. 4 KWG a.F (Inzwischen weggefallen und durch § 4 Abs. 4 Fin DAG gleichlautend ersetzt) ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrgenommen. Hier hat der Gesetzgeber wegen der bestehenden Haftungsrisiken die Drittbezogenheit der Amtspflicht ausdrücklich ausgeschlossen. Er reagierte damit auf die frühere Rechtsprechung des BGH, wonach die allgemeine Bankenaufsicht die Funktionsfähigkeit des Kreditapparates bewahren und zugleich die Einlagegläubiger der beaufsichtigten Kreditinstitute schützen soll (Vgl. BGHZ 74, 144, 147 f.; BGHZ 75, 120, 122 ff). Entsprechende Regelungen hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Versicherungsaufsicht (§ 81 Abs. 1 Satz 3 VAG), der Börsenaufsicht (§ 3 Abs. 3 BörsG) und nunmehr der Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 4 Abs. 4 FinDAG) getroffen.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 4 FinDAG bestehen allerdings erhebliche Bedenken, weil nach Art. 34 Satz 1 GG die Amtshaftung für staatliches Handeln nicht völlig ausgeschlossen werden darf (vgl. hierzu Schenke/Ruthig NJW 1994, 2324, die von einer teilweisen Unanwendbarkeit des § 6 Abs. 3 KWG a. F. auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten ausgehen; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 252 ff.; Ossenbühl (Staatshaftungsrecht), S. 63 f.; nach Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 66 ist dieser Streitpunkt „für die Praxis erledigt“. ). Zudem ist § 4 Abs. 4 FinDAG unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit sehr problematisch, weil unter dem Deckmantel der Zweckbestimmung von Amtspflichten der Sache nach ein totaler Haftungsausschluss verfügt wird. Der BGH hat den Ausschluss des Drittschutzes aber auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten – einem Urteil des EuGH folgend (EuGH NJW 2004, 3479) – akzeptiert (BGH NJW 2005, 742).
Es bleibt also dabei: Die BaFin nimmt ihre Aufgaben allein im öffentlichen Interesse wahr. Deshalb hat auch eine etwaige Verletzung der Bilanzkontrollpflichten im Rahmen des sog. Wirecard-Skandals keine drittschützende Wirkung (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 6.2.2023 - 1 U 173/22).
Grundsätzlich werden auch verfassungswidrige Gesetze oder sonstige rechtswidrige Rechtsnormen vom Tatbestand der Amtshaftung erfasst. Die Drittbezogenheit der durch den normsetzenden Hoheitsträger zu beachtenden Amtspflichten ist jedoch außerordentlich beschränkt. Insoweit ist zu unterscheiden, ob der Gesetzgeber eine rechtswidrige Norm erlässt oder ob er es amtspflichtwidrig versäumt, eine Norm zu erlassen. Weiter ist danach zu differenzieren, um welche Art von Rechtsnorm es sich handelt. Keinen Unterschied macht es dagegen, ob das Gesetz durch das Parlament bzw. eine Satzung durch den Gemeinderat beschlossen wurde oder ob das Gesetz im Wege der Volksgesetzgebung zustande gekommen ist; denn auch in letzterem Fall liegt staatliches Handeln vor, das Amtshaftungsansprüche begründen kann (Hartmann, VerwArch 2007, 500).
(1) Erlass einer rechtswidrigen Rechtsnorm
Beim Erlass eines formellen Gesetzes hat der Gesetzgeber die Amtspflicht, rechtmäßig zu handeln und insbesondere die Grundrechte als höherrangiges Recht zu beachten. Die Parlamentsabgeordneten üben im Rahmen der Gesetzgebung ein öffentliches Amt aus und sind daher Beamte im haftungsrechtlichen Sinne (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG: „das Amt des Abgeordneten“) (vgl. OLG Hamburg, DÖV 1971, 238; Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9, Rdn. 12; Häde, BayVBl. 1992, 449 m. w. N.; offengelassen in BGHZ 56, 40, 44. ). Die Legislativtätigkeit beim Erlass formeller Gesetze dient jedoch nach ständiger Rechtsprechung des BGH ausschließlich dem Allgemeininteresse und beinhaltet deshalb grundsätzlich keine drittgerichtete Amtspflicht des Staates dem Einzelnen gegenüber (vgl. BGH NJW 1997, 123, 124 – Brasserie du Pêcheur; BayObLG NJW 1997, 1514; BGHZ 56, 40, 44; RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 219 ff. m. w. N.; kritisch zu dieser Rspr. Schenke/Guttenberg, DÖV 1991, 945; Maurer, § 26, Rdn. 51; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 260 ff. m. w. N.). Aus diesem Grund entfällt in aller Regel ein Amtshaftungsanspruch, wenn ein Bürger unmittelbar – also ohne weitere Vollzugsakte einer Verwaltungsbehörde – durch ein verfassungswidriges Gesetz Schaden erleidet (sog. legislatives Unrecht) (vgl. hierzu Vonnahme, S. 78 ff.; Pfab, S. 79 ff).
Auch ein Grundrechtsverstoß durch ein formelles Gesetz führt nach der Rechtsprechung nicht zur Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht (BayObLG NJW 1997, 1514, 1515 m. w. N.; a. A.: Maurer, § 26, Rdn. 51; Bröhmer, JuS 1997, 117, 123; Schenke/Guttenberg, DÖV 1991, 945, 949 f). Diese Auffassung ist allerdings nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung bereits im Ansatz verfehlt: Der Normgeber ist an die Grundrechte, die zweifellos individualschützenden Charakter haben, gebunden, sodass die Drittbezogenheit bei der Verletzung von Grundrechten durchaus gegeben sein könne (Maurer, § 26, Rdn. 51).
Anders kann die Frage der Drittbezogenheit dagegen beim Erlass von verfassungswidrigen Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen zu beurteilen sein (Zu den Begriffen im Einzelnenvgl. BayObLG NJW 1997, 1514, 1515;vgl. hierzu auch MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 264). Da solche Normen regelmäßig einen abgrenzbaren Personenkreis und damit unmittelbar die Belange Einzelner betreffen, können insoweit drittbezogene Amtspflichten bestehen (St. Rspr.,vgl. BGH NJW 1997, 123, 124; BayObLG NJW 1997, 1514, 1515; BGH NJW 1989, 101; BGHZ 102, 350, 367 f). Außerdem können Einzelpersonengesetze einen Amtshaftungsanspruch begründen, wenn geschützte Belange der von diesem Gesetz Betroffenen verfassungswidrig beeinträchtigt werden (vgl. BGH NJW 1983, 215, 216. ).
Bei Einzelprojekt-Gesetzen nach dem Verkehrswegebeschleunigungsgesetz, die einen Planfeststellungsbeschluss i. S. d. § 75 VwVfG (also einen Verwaltungsakt) ersetzen, ist die Amtshaftung im gleichen Umfang zu bejahen, in dem sie die Planfeststellungsbehörde beim Erlass eines Verwaltungsakts getroffen hätte.
Auch beim Erlass einer untergesetzlichen Rechtsnorm, also einer Rechtsverordnung oder einer Satzung, hat der Normgeber zwar die Amtspflicht, höherrangiges Recht zu beachten.
Wegen des Erlasses von Rechtsverordnungen sind Amtshaftungsansprüche nach der Rechtsprechung mangels Drittgerichtetheit aber grundsätzlich ausgeschlossen, weil der Verordnungsgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit, nicht aber gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen wahrnimmt (BGHZ 102, 350, 367 f.; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 13.2.2020 – 1 U 60/19 zur sog. "Mietpreisbremse" in Hessen, KG Berlin, Urteil vom 18. November 2014 – 9 U 113/13; BayObLG NJW 1997, 1514).
Satzungen sind ebenso wie Rechtsverordnungen generell-abstrakte Rechtsnormen, allerdings meist mit einem deutlich eingrenzbaren räumlichen Bezug (z. B. Bebauungsplan) und mit individualisierbaren Adressaten (z. B. Gebühren- oder Beitragssatzungen). Daraus ergibt sich, dass dem Satzungsgeber grundsätzlich (drittbezogene) Amtspflichten gegenüber den einzelnen von der Satzung Betroffenen obliegen können (vgl. hierzu Vonnahme, S. 157 ff.; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 60). Der BGH hat beispielsweise im Hinblick auf Bebauungspläne entschieden, dass dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB insoweit drittschützende Wirkung zukommt, als auch private Interessen in die Abwägung einzubeziehen sind (vgl. BGHZ 106, 323, 332).
(2) Legislatives Unterlassen
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Gesetzgeber regelmäßig keine drittgerichtete Amtspflicht, ein nach den Umständen möglicherweise erforderliches Gesetz zu erlassen (sog. „legislatives Unterlassen“). Nach Auffassung des BGH trifft den Gesetzgeber die Pflicht zum Erlass eines Gesetzes nur dann, wenn sich diese aus der Verfassung ergibt. Aber auch dann besteht diese Pflicht in aller Regel nur gegenüber der Allgemeinheit, nicht jedoch gegenüber bestimmten Personen oder Personengruppen (BGH NJW 1997, 123, 124; BGHZ 102, 350, 367 f). Zwar kann aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte die Pflicht des Gesetzgebers folgen, sich schützend und fördernd vor die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter zu stellen. Jedoch werden an die Annahme einer solchen Handlungspflicht strenge Anforderungen gestellt, da dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (BGHZ 102, 350, 365 f). Die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht liegt nach der Rechtsprechung allenfalls dann vor, wenn dem Gesetzgeber eine evidente Verletzung der in den Grundrechten verkörperten Grundentscheidungen zur Last gelegt werden kann (BGHZ 102, 350, 366. ). Im Hinblick auf eine unzureichende gesetzliche Regelung zur Verhinderung von Waldschäden beispielsweise hat der BGH eine solche evidente Schutzpflichtverletzung verneint (BGHZ 102, 350, 366 ff.).
Die Amtshaftung ist Verschuldenshaftung. Nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB ist erforderlich, dass der Amtswalter die Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Dieses Verschulden muss sich aber nur auf die Amtspflichtverletzung beziehen. Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich des Schadens ist nicht erforderlich (vgl. BGH NJW 1965, 962, 963; BGH NJW 2003, 1308, 1312.). Ist von mehreren die Entscheidung selbständig tragenden Begründungen auch nur eine unverschuldet fehlerhaft, schließt dies allerdings das Verschulden insgesamt aus (BGH NJW 2005, 748).In der Praxis hat das Verschuldenserfordernis eine vergleichsweise geringe Relevanz für die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage. Mehrheitlich scheitern Amtshaftungsklagen an den objektiven Anspruchsvoraussetzungen.
1. Relevanz der Schuldform
Die Feststellung der konkret vorliegenden Schuldform ist im Amtshaftungsprozess aus zwei Gründen relevant:
Sofern Fahrlässigkeit vorliegt, greift das Verweisungsprivileg gem. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ein.
Wenn der Verletzte demgemäß anderweitig Ersatz zu erlangen vermag, ist ein Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen.Und bei Vorsatz ist das Spruchrichterprivileg gem. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht anwendbar.
a) Vorsatz
Ein Amtsträger begeht eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, wenn er die Amtshandlung willentlich und in Kenntnis der Tatsachen, die eine Amtspflichtwidrigkeit objektiv begründen, ausführt oder unterlässt. Der Vorsatz setzt das Bewusstsein der Rechts- oder Pflichtwidrigkeit des Verhaltens voraus. Ausreichend ist allerdings bereits bedingter Vorsatz. Dieser liegt vor, wenn der Amtsträger mit der Möglichkeit eines Pflichtverstoßes rechnet und diesen billigend in Kauf nimmt (BGH VersR 2001, 1524; BGH NVwZ 1992, 911, 912; BGH NJW 1988, 129, 130).
In Hinblick auf die Amtspflicht, keine unerlaubte Handlung i. S. v. §§ 823 ff. BGB zu begehen, sowie auf die Amtspflicht zur Wahrung der Rechte unbeteiligter Dritter muss sich der Vorsatz auch auf die Schädigung beziehen. Die Amtspflicht wird daher nur dann vorsätzlich verletzt, wenn der Amtsträger die von seiner Amtstätigkeit ausgehende schädigende Wirkung für den Dritten für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH VersR 1973, 417, 419).
Allein aus der objektiven Pflichtverletzung – z. B. einem Verstoß gegen baurechtliche Bestimmungen – lässt sich damit kein Rückschluss auf den Vorsatz ziehen (BGH NVwZ 1992, 911).
b) Fahrlässigkeit
Eine Amtspflichtverletzung ist fahrlässig, wenn der Amtsträger die im amtlichen Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 79). Bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH ein objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab anzulegen: Es kommt auf die Kenntnisse und Einsichten an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind, nicht aber auf die Fähigkeiten, über die der Beamte tatsächlich verfügt. Jeder Beamte muss die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzen oder sich diese verschaffen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 04. Dezember 2013 – XII ZR 157/12 –, juris; BGH NJW 1989, 976, 978; BGH NJW 1986, 2829, 2831.). Ein Examensprüfer muss beispielsweise die zur sachgerechten Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Essentialia des Prüfungswesens, mithin die Grundzüge dessen, wie Noten zustande kommen und zu begründen sind, beherrschen (OLG München, BayVBl. 2007, 669, 671). Die für die Prüfung einer Bauvoranfrage zuständigen Beamten müssen wissen, dass sie ihre Entschließung betreffend die Bauvoranfrage nicht beliebig hinauszögern dürfen (OLG Dresden, Endurteil vom 27.04.2018 - 1 U 1701/16).
Auch bei einem Handeln zur Gefahrenabwehr, z.B. eines Feuerwehrbeamten, ist das Verschulden nicht entsprechend § 680 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (BGH, Urteil vom 14.6.2018 – III ZR 54/17). Bei pflichtwidrig unterlassenen Erste-Hilfe-Maßnahmen von Sportlehrern bei einem Unglücksfall während des Sportunterrichts beschränkt sich die Haftung ebenfalls nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, da das Haftungsprivileg für Nothelfer (§ 680 BGB) nicht eingreift (BGH, Urteil vom 04.04.2019 - III ZR 35/18).
Für die Mitglieder kommunaler Gebietskörperschaften (z. B. Gemeinderat, Kreistag) gelten nach der Rechtsprechung dieselben Sorgfaltsmaßstäbe wie für alle übrigen Amtswalter, da sonst das Schadensrisiko in unzumutbarer Weise auf den Bürger verlagert würde (vgl. BGH NJW 1989, 976, 978; BGH NVwZ 1986, 504, 505.). Verfügen beispielsweise die Mitglieder eines Gemeinderats nicht über ausreichende Sachkunde, so müssen sie sich vor der Beschlussfassung bei ihrer Verwaltung, bei anderen Fachbehörden oder notfalls bei unabhängigen Sachverständigen kundig machen (BGH NJW 1989, 976, 978; BGH NVwZ 2006, 117.). Gemeinderatsmitglieder können sich deshalb nicht auf einen „laienhaften Sachverstand“ berufen. Auch ein Landrat muss die Befugnisse und Grenzen des von ihm übernommenen Amtes kennen, selbst wenn er vor seiner Berufung in dieses Amt über keinerlei Verwaltungspraxis verfügt hat (BGH NJW 2001, 709, 711.).
Ein besonders strenger Sorgfaltsmaßstab gilt schließlich für Behörden, die – wie etwa die Finanzämter – durch den Erlass von bestimmten Bescheiden selbst vollstreckbare Titel schaffen.
2. „Objektivierung“ des Verschuldens
Die Rechtsprechung tendiert ferner dazu, das Verschulden von der Person des konkret für den Schaden verantwortlichen Amtsträgers abzukoppeln und es stattdessen anhand objektiver Maßstäbe zu beurteilen. Das Verschulden wird damit weitgehend „anonymisiert“ und „entindividualisiert“ (Ossenbühl NJW 2000, 2945, 2949). Dies erfolgt in erster Linie durch die Konstruktion des „Organisationsverschuldens“.
Für die Darlegungslast des Klägers im Amtshaftungsprozess bedeutet dies, dass er im Regelfall den Amtsträger, der die schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat, nicht namentlich bezeichnen muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es dem außerhalb der Verwaltungsorganisation stehenden Bürger nicht möglich oder unzumutbar ist, die verantwortliche Einzelperson namhaft zu machen (vgl. BGH WM 1960, 1304 f.). Für den Amtshaftungsanspruch reicht es demnach aus, dass Amtsträger der in Anspruch genommenen Körperschaft Dritten gegenüber obliegende Amtspflichten verletzt haben. Es kommt also letztlich darauf an, dass das Gesamtverhalten der Verwaltung in einer den amtsverkehrsnotwendigen Sorgfaltsanforderungen widersprechenden Weise amtspflichtwidrig war. Gleiches gilt für das Handeln von Kollegialorganen.
a) Unzureichende Behördenausstattung
Sofern ein Amtsträger seine Amtspflichten nicht erfüllen kann, weil seine Behörde in sachlicher und personeller Hinsicht nicht ausreichend ausgestattet ist, ist ein persönlicher Schuldvorwurf ihm gegenüber wegen erheblicher Arbeitsüberlastung ausgeschlossen. In diesem Fall haftet aber der Träger der Behörde wegen eines Organisationsverschuldens des Behördenleiters, der verpflichtet ist, für eine entsprechende Ausstattung Sorge zu tragen (BGH NJW 2007, 830; BGH NJW 1994, 2802; BGH NJW 1964, 41, 44). Krankheit, Überlastung oder Urlaub der konkret handelnden Person schließt damit ein Verschulden nicht aus.
b) Fehlerhafte Rechtsanwendung
Eine objektiv unrichtige Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung durch den Amtswalter ist schuldhaft, wenn sie gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut der Norm verstößt oder wenn aufgetretene Zweifelsfragen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind, sei es auch nur in einer einzigen Entscheidung (BGH NJW-RR 1992, 919; BGH NJW 1985, 1692, 1693, OLG Celle, Urteil vom 26. Juni 2014 – 16 U 47/14, OLG Koblenz NVwZ-RR 2003, 168 und LG München I NVwZ-RR 2003, 169 zur fehlerhaften Anwendung steuerrechtlicher Normen).
Sofern andererseits die nach sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers rechtlich vertretbar ist, kann aus der später erfolgenden rechtlichen Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch ein Gericht ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (BGH NJW 1995, 2918, 2920; BGH NVwZ 2000, 1206, 1208; OLG Celle, Urteil vom 26. Juni 2014 – 16 U 47/14).
Auch wenn sich die Behörde einem in erster Instanz gegen sie ergangenen Urteil nicht beugt, ihren abweichenden Standpunkt im Rechtsmittelwege verfolgt und auch in den weiteren Instanzen unterliegt, handelt sie nicht ohne Weiteres fahrlässig. Ob die Rechtslage durch das erstinstanzliche Urteil so eindeutig geklärt worden ist, dass das Festhalten der Behörde an ihrer ursprünglichen Auffassung nicht mehr vertretbar erscheint, muss stets im Einzelfall beurteilt werden (BGH NJW 1994, 3158, 3159; OLG München OLGR 2002, 435).
Ein Verschulden bei der Rechtsanwendung wird grundsätzlich verneint, wenn ein mit mehreren Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht die Amtshandlung für rechtmäßig erklärt hat (BGH Beschluss vom 16.09.2021 – III ZR 52/21; BGH NVwZ-RR 2003, 166; BVerwG BayVBl. 2004, 153.). Allerdings soll die Kollegialgerichtsrichtlinie auch dann anwendbar und ein Verschulden der handelnden Beamten nicht gegeben sein, wenn eine nur mit einem Rechtskundigen besetzte Kammer eines Sozialgerichts die Behördenentscheidung mit den gleichen Erwägungen bestätigt (OLG Köln, Urteil vom 27. März 2014 – 7 U 162/13). Dies wird damit begründet, dass von einem Beamten keine besseren Rechtskenntnisse verlangt werden könnten als von einem Gericht (vgl. BGHZ 73, 161, 164 f.; BVerwG NJW 2001, 1878, 1881). Dieser Grundsatz stellt jedoch lediglich eine Richtlinie dar und wird von zahlreichen Ausnahmen durchbrochen (Ossenbühl, NJW 2000, 2945, 2949 m. w. N.; Rinne/Schlick, NVwZ 2002/II, S. 18). Er findet nach der Rechtsprechung keine Anwendung,
wenn es sich um die Entscheidung einer zentralen Behörde (z. B. eines Ministeriums oder einer obersten Landesbehörde) handelt, der die gleichen Erkenntnismöglichkeiten wie einem Gericht zur Verfügung stehen; (vgl. BGH NJW 1984, 168; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. März 2014 – VI-U (Kart) 43/13, U (Kart) 43/13) bei Verfahren auf „höchster Ebene“ wird – anders als bei „Alltagsgeschäften“ sonstiger staatlicher Behörden – eine besonders gründliche Prüfung verlangt (BGH NVwZ 1997, 714, 716; BVerwG NVwZ 2006, 212, 213);
wenn das Kollegialgericht lediglich eine summarische Prüfung im Eilverfahren nach § 123 VwGO vorgenommen hat (vgl. BGH NJW 1986, 2954; BGH NVwZ 2000, 1206, 1209) bzw. das Kollegialgericht nur einen reduzierten Prüfungsmaßstab anwendet (BGH NJW 1998, 751, 752; BGH NJW 2000, 2672, 2674) - in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren ist der Grundsatz anwendbar, weil hier in der Sache eine Vollprüfung erfolgt (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 10.08.2016 - 12 K 1330/15);
wenn das Kollegialgericht infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem, vor den der Beamte gestellt war, ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 09.07.2020 – III ZR 245/18),
wenn das Kollegialgericht seiner Entscheidung einen falschen oder unzureichend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt hat (BGH, Urteil vom 09.07.2020 – III ZR 245/18),
wenn das Kollegialgericht den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat, etwa für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat (BGH, Urteil vom 09.07.2020 – III ZR 245/18),
wenn das Kollegialgericht sich bereits in seinem Ausgangspunkt von einer rechtlich oder sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können (BGH, Urteil vom 09.07.2020 – III ZR 245/18),
wenn das Kollegialgericht eine eindeutige gesetzliche Bestimmung übersehen oder „handgreiflich falsch“ ausgelegt hat (vgl. BGHZ 27, 338, 343; BGH DVBl. 1992, 1089; BGH NJW 1994, 2802; BGH NVwZ-RR 2000, 746, 748; BGH NVwZ-RR 2005, 152, 153; BVerwG NVwZ 2006, 212, 213);
wenn das Kollegialgericht die für die Beurteilung des Falles maßgebliche höchstrichterliche Rechtsprechung zwar angeführt hat, ihr aber, ohne sich damit auseinanderzusetzen, gleichwohl nicht gefolgt ist (BGH NVwZ 2002, 124, 125; Rinne/Schlick, NVwZ 2002/II, S. 18);
wenn das Kollegialgericht das Vorgehen des Beamten aus Rechtsgründen billigt, die der Beamte selbst nicht erwogen hat (BGH BauR 1981, 566, 568);
wenn sich das Kollegialgericht nicht mit dem konkreten haftungsbegründenden Verhalten des Amtsträgers auseinandergesetzt hat und es mithin auch nicht gebilligt hat (BGH NVwZ-RR 2003, 166).
Die zahlreichen Ausnahmen machen deutlich, dass der beschriebene Grundsatz in seiner inneren Rechtfertigung äußerst fragwürdig ist. Das Verschulden des Amtswalters entfällt nicht dadurch, dass ein Instanzgericht schuldhaft denselben Fehler begeht. Der Rechtsprechung liegt offenbar der Gedanke zugrunde, dass einem Instanzgericht nur dann derselbe Fehler wie dem Amtswalter unterläuft, wenn die Rechtslage äußerst komplex ist. Je verworrener also die Rechtslage ist, desto größer ist das Risiko des Bürgers, einen nicht ausgleichspflichtigen Schaden zu erleiden. Eine solche Risikoverteilung zwischen Staat und Bürger ist aber offensichtlich nicht sachgerecht.
2. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
Der Amtshaftungsanspruch setzt voraus, dass die Amtspflichtverletzung für den Schaden kausal war. Anders als beim Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wird beim Amtshaftungsanspruch nicht die auf eine Verletzung bestimmter Rechtsgüter oder Rechte bezogene haftungsbegründende, sondern nur die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden geprüft (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 73).
Zur Beantwortung der Frage, ob die Amtspflichtverletzung für den behaupteten Schaden ursächlich war, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Amtsträgers genommen hätten und wie sich in diesem Falle die Vermögenslage des Verletzten darstellen würde (BGH NVwZ 1997, 714, 724). Eine Schadensersatzpflicht besteht deshalb nicht, wenn keine überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO dafür besteht, dass dem Geschädigten der geltend gemachte Schaden bei pflichtgemäßen Handeln nicht entstanden wäre (OLG Hamm, Urteil vom 04. Februar 2015 – I-11 U 35/14, 11 U 35/14 –, juris).
Die Kausalität wird – wie im übrigen Schadensrecht – nach der Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs (Adäquanztheorie) beurteilt (vgl. BGH NVwZ 1994, 825, 826 f.; BGH NJW 1986, 576). Ein adäquater Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Amtspflichtverletzung im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, das eingetretene schädigende Ereignis herbeizuführen (BGH NVwZ 1994, 825, 827).
Wenn es nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung geht, ist darauf abzustellen, wie die Behörde nach Auffassung des über den Amtshaftungsanspruch entscheidenden Gerichts richtigerweise hätte entscheiden müssen (OLG Dresden, Endurteil vom 27.04.2018 - 1 U 1701/16).
Liegt ein Ermessensfehler vor, so ist bei der Kausalitätsprüfung darauf abzustellen, wie die Behörde tatsächlich entschieden hätte, wenn ihr der Ermessensfehler nicht unterlaufen wäre. Nur wenn feststeht, dass bei pflichtgemäßer Ermessensausübung die Entscheidung anders ausgefallen wäre, kann die Kausalität bejaht werden (OLG München, Beschl. V. 18.07.2011, Az. 1 W 904/11; vgl. auch BGH NVwZ 1985, 682).
Liegt die Verletzung der Amtspflicht in einem Unterlassen, so besteht ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nur dann, wenn das gebotene amtspflichtgemäße Handeln den Schadenseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte; eine bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit genügt nicht (vgl. BGH NVwZ 1994, 823, 825).
Liegt die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes (z. B. einer Baugenehmigung) und macht der Betroffene geltend, im Vertrauen hierauf fehlgeschlagene Aufwendungen getätigt zu haben, so reicht es für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs grundsätzlich aus, dass der Betroffene ohne die in Rede stehende Vertrauensgrundlage die konkret geltend gemachten Investitionen so nicht getätigt hätte, der dadurch – wegen Nutzlosigkeit – entstandene Schaden also entfiele (BGH NVwZ 1997, 714, 724).
Das Handeln Dritter unterbricht den Zurechnungszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem entstandenen Schaden erst dann, wenn dieser bei wertender Betrachtung in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der zuerst gesetzten Ursache steht. Dies ist nicht der Fall, wenn die Ursache das Verhalten der Dritten herausgefordert hat, und zwar auch dann, wenn jenen ein gravierenderes Fehlverhalten vorgeworfen werden kann (BGH (III. Zivilsenat), Urteil vom 21.01.2021 – III ZR 70/19).
2. Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
Nach der Rechtsprechung des BGH wird bei Amtshaftungsansprüchen wegen verfahrensfehlerhaft zustande gekommener behördlicher Entscheidungen der Einwand des Beklagten zugelassen, bei ordnungsgemäßem Verfahren hätte eine gleichlautende behördliche Entscheidung ergehen müssen (BGH NVwZ 2008, 815). Bei diesem Einwand des „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ geht es um die der Bejahung des Kausalzusammenhangs nachfolgende Frage, inwieweit einem Schadensverursacher die Folgen seines pflichtwidrigen Verhaltens bei wertender Betrachtung billigerweise zugerechnet werden können (BGH NJW 1995, 2778, 2780; BGH NJW 1996, 576; zu den Grenzen des Einwandes des rechtmäßigen Alternativverhaltens BGH NVwZ 2000, 1206). Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens setzt aber voraus, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus. Daher greift der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht, wenn das alternative Verhalten dem in Kenntnis der rechtlichen Problematik gebildeten Willen der Behörde widerspräche (BGH, Urteil vom 20.04.2017 - Aktenzeichen III ZR 470/16).
Die auf eine Wahrscheinlichkeitsprognose ausgerichtete Adäquanztheorie reicht allein nicht aus, um die zurechenbaren Schadensfolgen sachgerecht zu begrenzen. Sie wird deshalb durch eine wertende Beurteilung ergänzt. Diese Beurteilung wird unter dem Kriterium des Schutzzwecks der verletzten Norm vorgenommen (hierzu Palandt-Heinrichs, Vorbem. § 249 BGB, Rdn. 62 ff). Ein Schaden ist nur dann ersatzfähig, wenn er in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt, die Amtspflicht also gerade den Zweck hat, den Bürger vor einem entsprechenden Nachteil zu schützen. Das Kriterium des Schutzzwecks wird im Regelfall allerdings bereits bei der Frage der Drittbezogenheit der Amtspflicht geprüft. Eine eigenständige Bedeutung entfaltet die Frage des Schutzzwecks der Norm im Rahmen der Schadenszurechnung daher bei sog. Folgeschäden, also solchen Schäden, die sich erst als Folge eines ersten (vom Schutzzweck der drittgerichteten Amtspflicht erfassten) Schadens zeigen, und bei sog. selbstschädigendem Verhalten (Dazu MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 281).
§ 839 BGB sieht drei Haftungsbeschränkungen vor:
(1) die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB,
(2) das Richterspruchprivileg gem. § 839 Abs. 2 BGB und
(3) den Haftungsausschluss wegen schuldhafter Versäumung eines Rechtsmittels nach § 839 Abs. 3 BGB.
1. Anderweitige Ersatzmöglichkeit, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB
b) Die anderweitige Ersatzmöglichkeit als „negatives Tatbestandsmerkmal“
c) Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit
d) Schuldhafter Verlust einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit
e) Unanwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel: Fallgruppen
aa) Ansprüche gegen einen anderen Hoheitsträger
bb) Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr
cc) Versicherungsansprüche des Geschädigten
dd) Entgeltfortzahlungsansprüche
2. Richterspruchprivileg, § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB
b) Urteil in einer Rechtssache
d) Ausnahme nach § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB
3. Schuldhafter Nichtgebrauch eines Rechtsmittels, § 839 Abs. 3 BGB
4. Gesetzlicher Ausschluss der Haftungsüberleitung
d) Haftung gegenüber Ausländern
Bei Fahrlässigkeit des Amtsträgers kommt nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Amtshaftungsanspruch nur in Betracht, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Der Geschädigte muss sich also auf Ersatzansprüche gegen einen Dritten, der neben dem Amtsträger Mitschädiger ist, verweisen lassen.
Als Dritter ist aber nicht anzusehen, wer als „verlängerter Arm“ des Amtsträgers handelt; in diesem Fall greift § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein (OLG Koblenz DVBl 2011, 60). Ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist ausgeschlossen, soweit die Ersatzpflicht des Mitschädigers geht.
Diese einseitige Haftungsprivilegierung des Staates wird allgemein als unbillig kritisiert (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 80 f. m. w. N). Der Gesetzgeber hatte das Haftungsprivileg ursprünglich geschaffen, um das Haftungsrisiko der Beamten zu vermindern, die vor der Einführung der Haftungsüberleitung auf den Staat durch Art. 34 GG eine Eigenhaftung traf.
Der BGH sah deshalb in seiner älteren Rechtsprechung als Normzweck des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB die Entlastung der öffentlichen Hand an, (BGHZ 13, 88, 104) erkannte jedoch durchaus an, dass es sich um eine „antiquierte“ Vorschrift handelt (BGHZ 42, 176, 181). Aus diesem Grunde wird der Anwendungsbereich des Haftungsprivilegs durch eine restriktive Auslegung zunehmend eingeschränkt. Der BGH stellt nunmehr im Wege einer teleologischen Reduktion darauf ab, welche Zweckbestimmung die anderen Ersatzansprüche haben und ob ihnen die Aufgabe zukommt, endgültig Schäden aufzufangen, die ihren Grund in der unerlaubten Handlung eines Dritten haben; nur dann kann auf sie verwiesen werden (BGHZ 91, 48, 54; Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 81).
Beispiele:
Bei der anderweitigen Ersatzmöglichkeit handelt es sich um ein „negatives Tatbestandsmerkmal“. Die Unmöglichkeit, anderweitig Ersatz zu erlangen, bildet einen Teil des Tatbestands, aus dem sich der Amtshaftungsanspruch herleitet. Dementsprechend hat der Verletzte das Vorliegen dieser zur Klagebegründung gehörenden negativen Voraussetzung des Amtshaftungsanspruchs darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen (BGH NJW 2002, 1266; BGH NJW 1993, 1647; BGH NJW 1991, 1171; BGHZ 37, 375, 378 st. Rspr.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 81).
Besteht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die den Schaden vollständig abdeckt, so ist die Amtshaftungsklage unbegründet (BGH VersR 1978, 252; OLG Karlsruhe VersR 2003, 1406). Verbleibende Unklarheiten darüber gehen zu Lasten des Klägers und haben zur Folge, dass die Klage als „zur Zeit unbegründet” abzuweisen ist (BGH NJW 1995, 2713, 2715 m. w. N.; OLG Hamm NVwZ 1995, 309).
Vermag die andere Ersatzmöglichkeit den Schaden nicht vollständig auszugleichen, kann hinsichtlich des „überschießenden Teils“ eine Amtshaftungsklage erhoben werden.
§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt zunächst voraus, dass die rechtliche Möglichkeit besteht, den Schaden von einem Dritten ersetzt zu bekommen. Unmaßgeblich ist dabei, ob sich der Ersatzanspruch gegen den Drittschädiger selbst oder gegen eine weitere Person richtet, die für den Drittschädiger haftet, z. B. dessen Haftpflichtversicherung. Auch die Art der rechtlichen Grundlage der Ersatzmöglichkeit ist irrelevant (OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2006, 416).
Die Möglichkeit anderweitigen Ersatzes erfordert das Vorhandensein von realisierbaren Ersatz- oder Ausgleichsansprüchen. Die Rechtsgrundlage der anderweitigen Ersatzmöglichkeit kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben; sie muss ihre Grundlage aber in demselben Tatsachenkreis haben, der für das Entstehen des Amtshaftungsanspruchs maßgebend ist (BGH WM 1993, 1193). Die Ansprüche gegen den anderen Schädiger müssen ihrem Inhalt nach gerade dazu bestimmt sein, den Ausgleich des entstandenen Schadens zu gewährleisten (BGH VersR 1976, 1066, 1068;vgl. auch RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 491, 497). Das ist etwa dann der Fall, wenn es der Rechtsanwalt des Geschädigten schuldhaft versäumt, Rechtsmittel gegen den rechtswidrig belastenden Verwaltungsakt einzulegen; der Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt wegen Verletzung des Anwaltsvertrages deckt gerade den Schaden, der aus dem rechtswidrigen Verwaltungsakt entsteht, ab (BGH DVBl 2003, 460 ff).
Die Subsidiaritätsklausel findet nur Anwendung, wenn der Geschädigte den anderweitigen Ersatzanspruch tatsächlich durchsetzen kann. Die bloße rechtliche Möglichkeit, auch Ansprüche gegen einen Drittschädiger geltend zu machen, reicht nicht aus.
Da sich der Anspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG auf alsbaldigen Schadensersatz richtet, (BGH NJW 1993, 1647; BGH NJW 1981, 675, 676) muss die Inanspruchnahme anderweitigen Ersatzes für den Geschädigten zumutbar sein (BGH NJW 1993, 1647). Weitläufige, unsichere oder im Ergebnis zweifelhafte Wege des Vorgehens braucht der Geschädigte nicht einzuschlagen (BGH NJW 1993, 1647, 1648; BGH BeckRS 2007, 11940; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. Juli 2016 – 2 U 8/15 –, juris). Eine Inanspruchnahme anderweitigen Ersatzes ist nach der Rechtsprechung beispielsweise unzumutbar,
Der Geschädigte ist also jedenfalls nicht dazu verpflichtet, gegen den Dritten einen aussichtslosen Rechtsstreit bis in die letzte Instanz durchzufechten (BGH NJW-RR 2005, 284).
Besteht eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, so ist stets darauf zu achten, wie weit der Ersatzanspruch rechtlich reicht, wenn der Amtshaftungsanspruch über den anderweitigen Ersatzanspruch hinausgeht. Zwar sind durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 (BGBl. I Nr. 50, S. 2674; das neue Recht ist anzuwenden, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31.07.2002 eingetreten ist, Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB) vertragliche Schadensersatzansprüche solchen deliktischer Natur im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden gleichgestellt worden (vgl. § 253 Abs. 2 BGB). Gleiches gilt aufgrund ausdrücklicher Regelungen für die meisten Schadensersatzansprüche aus Gefährdungshaftung (vgl. z. B. § 11 S. 2 StVG). Im Fall der Gefährdungshaftungstatbestände des WHG hat es der Gesetzgeber jedoch in §§ 96 ff. WHG unterlassen, eine solche ausdrückliche Regelung aufzunehmen. Zur Geltendmachung des „überschießenden“ Schmerzensgeldanspruches bedarf es hier des Amtshaftungsanspruches gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Vergleichbares gilt, wenn der Anspruch gegen den Drittschädiger durch gesetzliche Haftungshöchstbeträge (z. B. § 12 StVG) der Höhe nach begrenzt ist. Geht der Schaden über den von dem Dritten danach zu erlangenden Höchstbetrag hinaus, so kann der Geschädigte auch in diesem Fall den „überschießenden“ Schaden im Wege der Amtshaftung durchsetzen.
Maßgeblicher Zeitpunkt für das Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit i. S. v. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Erhebung der Amtshaftungsklage (BGH NJW 1993, 1647, 1649; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2006, 416). Der Beklagte kann sich im Amtshaftungsprozess nicht mehr darauf berufen, dass sich für den Geschädigten nach Erhebung der Amtshaftungsklage eine anderweitige Ersatzmöglichkeit ergeben habe (BGH NJW 1993, 1647, 1648; RGRK-Kreft, § 839 BGB, Rdn. 507).
Hat es der Betroffene schuldhaft unterlassen, eine andere Ersatzmöglichkeit wahrzunehmen oder hat er – z. B. im Vergleichswege – auf Ansprüche verzichtet (BGH NJW 1995, 2713, 2714) oder diese verjähren lassen, (BGH BB 1992, 950) ist er grundsätzlich (vgl. BGH NJW 1995, 2713, 2714 f. m. w. N) so zu behandeln, als ob er die Ansprüche realisiert hätte. Dies gilt auch, wenn Ansprüche wegen nicht rechtzeitiger Anfechtung nach §§ 119, 121 BGB „verlorengegangen“ sind. Haften mehrere zum Ersatz verpflichtete Dritte gesamtschuldnerisch, so ist bei Zweifeln hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit ratsam, jeden der Gesamtschuldner zu verklagen. Bleibt nämlich das Vorgehen gegen nur einen Gesamtschuldner erfolglos, während die rechtzeitige Inanspruchnahme eines anderen zum Erfolg geführt hätte, gilt dies als rechtserhebliches Versäumnis (Haug, Rdn. 208 m. w. N).
Die Rechtsprechung wendet § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zunehmend restriktiv an, um eine unbillige Haftungsprivilegierung des Staates zu vermeiden. Die praktisch wichtigsten Fallgestaltungen sind hierbei:
Keine „anderweitige“ Ersatzmöglichkeit liegt vor, wenn der Geschädigte einen Ersatzanspruch gegen eine weitere juristische Person des öffentlichen Rechts hat und sich dieser Anspruch demselben Tatsachenkreis zuordnen lässt wie der Amtshaftungsanspruch. Die öffentliche Hand ist insoweit als wirtschaftliche Einheit zu betrachten (BGH NJW 2003, 348, 350; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 10.11.2009, Az. 2 U 42/08. ). Der andere Verwaltungsträger könnte sonst den Geschädigten seinerseits auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB verweisen, sodass dieser durch die wechselseitige Verweisungsmöglichkeit rechtlos gestellt würde (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 86; zur Haftung für Zivildienstleistendevgl. BGH NJW 2003, 348).
§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB findet ferner keine Anwendung auf das Verhältnis der konkurrierenden Staats- und Notarhaftung (BGH NJW 1993, 3061, 3063; BGH NJW 2002, 373, 374).
Verursacht der Amtsträger bei einer hoheitlichen Dienstfahrt schuldhaft einen Verkehrsunfall, so findet nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anwendung. Als Begründung wird angeführt, dass sich im Bereich des Straßenverkehrs ein eigenständiges Haftungssystem entwickelt habe, in dem der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer gelte. Dieser Grundsatz schließe die Privilegierung des Staates nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB aus (BGH NJW 1993, 2612, 2613; BGH NJW 1979, 1602; BGH NJW 1977, 1238; KG Berlin, zfs 2007, 260).
Keine Anwendung findet der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aber, wenn der Amtsträger bei einer Dienstfahrt zur Erfüllung seiner Aufgabe Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch genommen hat (BGH NJW 1991, 1171; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 57).
§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auch unanwendbar, wenn der Geschädigte wegen des Schadensereignisses Leistungsansprüche gegen eine öffentlich-rechtliche oder private Versicherung geltend machen kann, sofern es sich um vom Geschädigten verdiente oder mit eigenen Mitteln erkaufte Leistungen handelt und diese nicht mit dem Ziel gewährt werden, endgültig solche Schäden aufzufangen, die von einem außerhalb des Leistungsverhältnisses stehenden Dritten durch deliktische Handlung verursacht worden sind (BGHZ 91, 48, 54).
Diese Ausnahme wird damit begründet, dass sich auch im Bereich des Versicherungsrechts ein eigenständiges Haftungssystem herausgebildet hat, mit dem § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu vereinbaren ist. Aus den Bestimmungen über den gesetzlichen Forderungsübergang auf den Versicherer ergibt sich, dass es nicht Aufgabe der Versicherungen ist, die Folgen eines deliktischen Verhaltens von Amtsträgern aufzufangen. Dies gilt für die private und die gesetzliche Krankenversicherung (BGHZ 79, 35) ebenso wie für die gesetzliche Unfall- und Rentenversicherung (BGH NJW 1983, 2191, 2192).
Demgegenüber findet § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB Anwendung, wenn die Versicherung das Haftungsrisiko des privaten Drittschädigers absichern soll, wie z. B. die Haftpflichtversicherung des Drittschädigers (BGHZ 91, 48, 51).
Der Entgeltfortzahlungsanspruch des geschädigten Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber gem. §§ 1 ff. Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) stellt keine anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. d. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dar (BGHZ 62, 380). Die Entgeltfortzahlung ist nicht Ausgleich für einen Schadensfall, sondern Ausdruck der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht. Amtshaftungsansprüche eines Arbeitnehmers gehen gem. § 6 EFZG auf den Arbeitgeber über.
Nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB haftet ein Beamter, der bei einem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht verletzt, nur dann, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht.
Sinn und Zweck des sog. „Richterspruchprivilegs“ ist nicht der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, sondern die Gewährleistung des Rechtsfriedens auf der Grundlage der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 103; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 323 m. w. N) (deshalb „Richterspruchprivileg“ und nicht „Spruchrichterprivileg“) (Hk-BGB-Staudinger, § 839 BGB, Rdn. 36). Würde § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB die Haftungsschwelle für Richtersprüche niedriger ansetzen, so müsste im Amtshaftungsprozess der in einem anderen gerichtlichen Verfahren rechtskräftig entschiedene Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung des Richters nochmals überprüft werden (OLG Brandenburg Beschl. v. 29.4.2019 – 2 W 8/19).Kommt das Richterspruchprivileg zum Tragen, so stehen dem Geschädigten auch keine sonstigen Entschädigungsansprüche (z. B. aus Aufopferung oder enteignungsgleichem Eingriff) zu (BGH JuS 1968, 433).
Zu beachten ist jedoch, dass amtspflichtwidriges Verhalten bei richterlichen Entscheidungen außerhalb des Richterspruchprivilegs im Amtshaftungsprozess geltend gemacht werden kann. In diesen Fällen ist aber der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu berücksichtigen, so dass nur besonders grobe Verstöße vorwerfbar sind (BGH NJW 2003, 3052, 3053; BGH NJW-RR 1992, 919; OLG Frankfurt NJW 2001, 3270, 3271; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 313).
„Beamter“ i. S. d. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der „Spruchrichter“, d. h. der Richter i. S. v. Art. 97 GG. Zu den Spruchrichtern zählen auch Beisitzer, Schöffen und andere ehrenamtliche Richter. Keine Spruchrichter sind Schiedsrichter, Schiedsgutachter oder vom Gericht bestellte Sachverständige (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 64 m. w. N).
Da § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB vornehmlich den Schutz der Rechtskraft der Entscheidung bezweckt, fallen unter den Begriff des „Urteils“ alle gerichtlichen Entscheidungen, denen verfahrensbeendende Wirkung zukommt, die unter den für ein Urteil notwendigen Bedingungen zustande kommen und die mit Rechtskraftwirkung ausgestattet sind (BGH NJW 2005, 436; danach genügt selbst eine „interimistische Befriedungsfunktion“). Dabei ist unerheblich, ob diese Entscheidungen formal als Urteil, als Beschluss oder in Form einer Verfügung ergehen. Urteile in diesem Sinne sind:
Da es nach dem Wortlaut des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Amtspflichtverletzung nicht „durch“ Urteil, sondern „bei“ einem Urteil ankommt, gilt das Richterspruchprivileg auch für Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Grundlagen für die richterliche Sachentscheidung zu gewinnen. Hierzu zählen z. B. Entscheidungen über die Einholung von Sachverständigengutachten sowie über die Auswahl und Beauftragung von Sachverständigen (BGHZ 50, 14, 16 f.; BGH VersR 1984, 77). In diesen Fällen greift das Richterspruchprivileg auch dann ein, wenn das Verfahren ohne ein Urteil endet (aber jedenfalls mit einem Urteil enden könnte) (OLG Bremen NJW-RR 2001, 1036).
Richterliche Entscheidungen, welche die genannten Kriterien eines Urteils i. S. v. § 839 Abs. 2 BGB nicht erfüllen, fallen nicht unter das Richterspruchprivileg. Eine Anwendbarkeit des Privilegs wurde z. B. verneint für
Die Ersatzpflicht tritt aber ein, wenn die Amtspflichtverletzung zugleich einen Straftatbestand verwirklicht hat. In Betracht kommen hierbei insbesondere die Tatbestände der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 88). Dabei ist zu beachten, dass „Richter“ i. S. d. StGB auch die Laienrichter sind (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 3 StGB).
Keine Anwendung findet das Richterspruchprivileg gem. § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB bei pflichtwidriger Verweigerung oder Verzögerung der Amtsausübung, da die Verweigerung oder Verzögerung eines Richterspruchs nicht Gegenstand eines Urteils sein kann, sodass der Amtshaftungsanspruch bei unvertretbarer Verfahrensverzögerung regelmäßig gegeben sein wird (LG München I DRiZ 2006, 49; zu den Auswirkungen auf die Beschwerde nach Art. 6 Abs. 1 EMRK siehe Gundel, DVBl. 2004, 17). Dies gilt auch bei einer Prozessverzögerung durch eine überflüssige Beweiserhebung, da das Privileg nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nur die Rechtskraft von richterlichen Entscheidungen schützen soll, nicht aber rein verfahrensrechtliche Amtspflichtverletzungen eines Richters entschädigungslos stellen soll; Voraussetzung ist aber, dass die Verfahrenshandlung offensichtlich für das Urteil keine Bedeutung hatte (Brüning, NJW 2007, 1094, 1098; Blomeyer, NJW 1977, 557; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 327; a. A. Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 67).
Gem. § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Hierbei handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Mitverschuldens i. S. v. § 254 BGB. Anders als § 254 BGB, der eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gestattet und die Möglichkeit einer Anspruchsminderung vorsieht, geht § 839 Abs. 3 BGB aber vom Prinzip des „alles oder nichts“ aus. Bei verschuldeter Nichteinlegung eines Rechtsmittels ist der Amtshaftungsanspruch im Regelfall vollständig ausgeschlossen. Für eine Anwendung des § 254 BGB bleibt kein Raum.
Sinn und Zweck des § 839 Abs. 3 BGB war ursprünglich, das Haftungsrisiko für den nach § 839 BGB persönlich haftenden Beamten zu vermindern. Mit der Haftungsüberleitung durch Art. 34 GG ist diese Rechtfertigung allerdings entfallen. Der BGH betrachtet § 839 Abs. 3 BGB deshalb als Sanktion für ein „Verschulden gegen sich selbst“ (BGHZ 56, 57, 63). Teilweise wird § 839 Abs. 3 BGB auch als schadensersatzrechtliche Sanktion zur Durchsetzung des Vorrangs des Primärrechtsschutzes gesehen (vgl. Maurer, § 26, Rdn. 32).
Liegt die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts, etwa eines rechtswidrigen Bauvorbescheids, ist für die Anwendung von § 839 Abs. 3 BGB grundsätzlich kein Raum, da der Geschädigte durch einen begünstigenden Bescheid zunächst nie in einer die verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis begründenden Weise beschwert wird (BGH NJW 1993, 2303, 2305; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 382). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Klage etwa des Nachbarn erstinstanzlich erfolgreich war und deshalb der Geschädigte erwägen muss, gegen dieses Urteil Rechtsmittel einzulegen.
„Rechtsmittel“ i. S. v. § 839 Abs. 3 BGB sind alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinn, die der Betroffene gegen das schädigende Verhalten des Amtsträgers ergreifen konnte (BGH VersR 1982, 954; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 69). Sie müssen aber darauf abzielen und geeignet sein, das schädigende Verhalten des Amtsträgers zu beseitigen oder zu berichtigen und dadurch die Entstehung eines Schadens zu verhindern bzw. abzumindern (BGH NJW-RR 2004, 706). Der Begriff des Rechtsmittels beschränkt sich deshalb nicht auf die förmlichen Rechtsmittel, sondern umfasst auch die formlosen und die förmlichen sonstigen Rechtsbehelfe (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 92). Stehen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, muss der potentiell Geschädigte ein möglichst effektives Rechtsmittel wählen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 08. September 2015 – 2 U 28/14).
Rechtsmittel sind
Feststellungsklagen sind dagegen nur in besonderen Situationen Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB (BGH Report 2006, 774). Rechtsmittel sind ebenfalls die jeweiligen Rechtsmittel im Instanzenzug, etwa die Nichtzulassungsbeschwerde (OLG Hamm, Beschluss vom 21. November 2014 – 11 W 97/14).
Nach der Rechtsprechung zählen auch die Dienstaufsichtsbeschwerde, die Gegenvorstellung und die sonstigen formlosen Rechtsbehelfe zu den „Rechtsmitteln“ i. S. d. § 839 Abs. 3 BGB (BGH WM 1985, 336, 338; BGH VersR 1985, 358, 359; BGH NJW 1986, 1924). Bei Verfahrensfehlern in Prüfungsverfahren muss der Teilnehmer Abhilfe verlangen (OLG Düsseldorf VersR 1993, 99). Auch die einfache Nachfrage bei der zuständigen Behörde oder – bei Unterlassungen – ein Antrag auf Tätigwerden der Behörde soll ein „Rechtsmittel“ im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB sein (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 13). Verlangt wird sogar, dass der Geschädigte gegebenenfalls auf einem förmlichen Bescheid bestehen muss und dann von den Rechtsmittelmöglichkeiten Gebrauch macht (OLG München, Beschl. V. 12.02.2012, Az. ! W 2126/11). Im Schrifttum wird diese „uferlose Ausdehnung“ des Rechtsmittelbegriffs zu Recht kritisiert. Sie ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil formlose Rechtsbehelfe praktisch aussichtslos sind (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 96; ebenso Maurer, § 26, Rdn. 32, Sachs, Art. 34 GG, Rdn. 97).
Nicht zu den Rechtsmitteln zählen
Die Frage, ob ein Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO zu den Rechtsmitteln gehört, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Ein Normenkontrollantrag ist dem Betroffenen wohl nur dann zuzumuten, wenn er greifbare Anhaltspunkte für die Nichtigkeit des Bebauungsplans oder der Satzung hat (Boujong, WiVerw 1991, 59, 72).
In jedem Fall muss die Rechtsbehelfseinlegung „ernsthaft“, d. h. auf einen sachlichen Erfolg ausgerichtet sein und sich unmittelbar gegen den Amtspflichtverstoß richten, da sonst kein „Gebrauch“ eines Rechtsmittels i. S. v. § 839 Abs. 3 BGB gegeben ist. An einer ernsthaften Rechtsbehelfseinlegung kann es z. B. fehlen, wenn der Rechtsbehelf nicht begründet worden ist; eine unrichtige oder unvollständige Begründung schadet aber nicht (BGHZ 56, 57, 59). Das Rechtsmittel muss im Übrigen ergriffen werden; die entscheidungsbefugten Personen von der eigenen Rechtsauffassung lediglich zu unterrichten genügt nicht (OVG Münster, Beschluss vom 08.06.2017 - 6 A 1018/17).
Bei mehreren möglichen Rechtsbehelfen muss der Geschädigte grundsätzlich den Effektiveren wählen (LG Potsdam VersR 2003, 373).
Die Nichteinlegung des Rechtsmittels muss verschuldet sein. Da es sich hier um ein Verschulden des Geschädigten „gegen sich selbst“ handelt, ist darauf abzustellen, welches Maß an Kenntnissen und Sorgfalt von dem Verkehrskreis erwartet werden kann, dem der Geschädigte angehört (BGH NVwZ 1991, 915; Hoppe, JA 2011, 167, 170).
Fahrlässigkeit liegt in der Regel vor, wenn der Geschädigte ein Rechtsmittel nicht ergreift, obwohl es aufgrund gefestigter Rechtsprechung erfolgversprechend erscheint (OLG Karlsruhe VersR 2006, 121). Bei fehlenden Rechtskenntnissen liegt regelmäßig ein Verschulden vor, wenn der Geschädigte Rechtsrat einholen konnte (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 95; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 71). Allerdings darf der Bürger im Allgemeinen auf die Richtigkeit einer amtlichen Belehrung oder Beratung vertrauen, soweit keine gewichtigen Gründe gegen deren Richtigkeit sprechen (BGHZ 108, 224, 230).
Der Minderjährige hat für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters, (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 71) die Partei für das Verschulden ihres Rechtsanwaltes (OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 1245) einzustehen, wie sich aus § 278 BGB ergibt (Hk-BGB-Staudinger, § 839 BGB, Rdn. 43).
Die Nichteinlegung eines weiteren Rechtsmittels ist in der Regel nicht verschuldet, wenn sich die Partei auf die Richtigkeit einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung verlässt, es sei denn, besondere Umstände lassen ein Rechtsmittel als aussichtsreich erscheinen (BGH MDR 1985, 1000). Die Nichteinlegung des Rechtsmittels ist auch nicht schuldhaft, solange der Betroffene die Wahl zwischen der alsbaldigen Einlegung des Rechtsmittels und einer aussichtsreichen Verhandlung mit der Behörde hat (BGH VersR 1989, 959).
Zwischen der Nichteinlegung des Rechtsmittels und dem Schadenseintritt muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei ist zu vergleichen, wie sich die Situation des Geschädigten ohne Einlegung des Rechtsmittels darstellt und wie sie sich bei Einlegung entwickelt hätte. Das über den Schadensersatzanspruch befindende Gericht muss Feststellungen über die hypothetische Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt treffen; der Ausschlusstatbestand des § 839 Abs. 3 BGB greift nur und insoweit ein, wie ein Rechtsmittel - im damaligen Zeitpunkt - zum Erfolg geführt hätte (BVerwG, Beschluss vom 08.06.2017 - Aktenzeichen 2 B 17.17).
Kommt es für die Ursächlichkeit der Nichteinlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs (Widerspruch, Klage) auf die Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichts über diesen Rechtsbehelf an, so ist darauf abzustellen, wie das Gericht oder die Behörde nach Auffassung des Gerichts des Amtshaftungsprozesses richtigerweise hätte entscheiden müssen (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 73). Im Regelfall ist die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt zu bejahen, wenn über den Rechtsbehelf richtigerweise zugunsten des Geschädigten hätte entschieden werden müssen (BGH NJW 1993, 3061, 3064). Ausnahmsweise kann aber auf die tatsächlich zu erwartende – von der richtigen abweichende – Entscheidung eines Gerichts oder Behörde (etwa bei Dienstaufsichtsbeschwerden) abgestellt werden, wenn ersichtlich eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung, wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, nicht ohne Weiteres möglich ist (BGH NJW 2003, 1308, 1313; kritisch Wißmann, NJW 2003, 3455).
Sofern es auf die Entscheidung über einen formlosen Rechtsbehelf (z. B. Dienstaufsichtsbeschwerde) ankommt, ist maßgeblich, ob der Rechtsbehelf tatsächlich Erfolg gehabt hätte (BGH NJW 1986, 1924, 1925).
Problematisch ist die Fallgestaltung, in der ein Rechtsmittel nicht zur vollen Schadensabwendung, sondern nur zu einer teilweisen Schadensminderung geführt hätte. Wendet man hier § 839 Abs. 3 BGB wortgetreu an, so entfiele der Schadensersatzanspruch in vollem Umfang. Dieses unbillige Ergebnis vermeidet die Rechtsprechung, indem sie dem Gesetzeswortlaut des § 839 Abs. 3 BGB ein ungeschriebenes „soweit“ hinzufügt. Die Ersatzpflicht entfällt danach nur, soweit die schuldhafte Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs für den Schaden ursächlich geworden ist (BGH NJW 1986, 1924 f). Hinsichtlich des unabwendbaren Schadensanteils bleibt der Amtshaftungsanspruch hingegen bestehen.
Art. 34 Satz 1 GG sieht eine „grundsätzliche Verantwortlichkeit“ des Staates oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaft für Amtspflichtverletzungen durch einen Amtsträger vor. Daraus wird gefolgert, dass in Ausnahmefällen ein sondergesetzlicher Ausschluss der Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG auf den Staat zulässig ist (vgl. BGHZ 9, 289, 290; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 74). In diesem Fall tritt eine Eigenhaftung des Beamten nach Maßgabe des § 839 BGB ein. Für den Amtshaftungsprozess bedeutet dies, dass die Klage bei Ausschluss der Haftungsüberleitung gegen den Staat unbegründet ist. In solchen Fällen muss der Geschädigte nach § 839 BGB gegen den Amtswalter selbst klagen.
Durch die in Art. 34 Satz 1 GG gewährte institutionelle Garantie der Staatshaftung sind dem Ausschluss der staatlichen Haftung jedoch enge Grenzen gesetzt (BGHZ 25, 231; BGHZ 62, 372; BayVGH, Urt. v. 06.04.2009, Az. 19 B 09.90). So darf ein Ausschluss der Haftungsüberleitung nur durch Gesetz oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erfolgen. Bei einer kommunalen Satzung zu einem Anschluss- und Benutzungszwang bedarf es insofern einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung, neben der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs in der Satzung auch eine Haftungsbeschränkung festzulegen (BGH, DVBl. 2007, 1238). In sachlicher Hinsicht ist ein Ausschluss nur bei gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls zulässig.
In den folgenden Fällen ist eine Haftungsüberleitung auf den Staat ausgeschlossen:
Nach § 19 BNotO ist eine Amtshaftung des Staates für Notare (auch Anwaltsnotare) ausgeschlossen. Notare haften damit für von ihnen verursachte Schäden persönlich. Eine Schadensersatzklage ist damit nicht gegen den Staat, sondern gegen den Notar zu richten.
Nach § 5 Nr. 1 Reichsbeamtenhaftungsgesetz (RBHaftG) haften die sog. Gebührenbeamten persönlich. Zu den Gebührenbeamten zählen Bezirksschornsteinfegermeister, die bei der Bauabnahme und der Feuerstättenschau Gebühren erheben (BGHZ 62, 372, 378). Das RBHaftG galt allerdings nach seinem Wortlaut (vgl. § 1 Abs. 1 RBHaftG) und seiner systematischen Stellung – die Länder hatten eigene Regelungen erlassen – nur für Reichsbeamte, nicht für Beamte der deutschen Länder (OLG Karlsruhe VersR 2007, 108). Die Körperschaft, die den Bezirksschornsteinfegermeister mit seiner öffentlichen Aufgabe betraut, muss daher die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs sein, nicht aber ein Land (OLG Karlsruhe VersR 2007, 108; OLG München, OLGR 2004, 227).
Keine Gebührenbeamten sind Gerichtsvollzieher, (BGH NJW 2001, 434, 435; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 120) Schiedsleute (BGHZ 36, 193, 195) oder die Mitglieder hessischer Ortsgerichte (BGHZ 113, 71).
Auch das Preußische Staatshaftungsgesetz vom 01.08.1909 sieht einen Haftungsausschluss für Gebührenbeamte vor. Dementsprechend hat das OLG Dresden für den Bereich des Freistaats Sachsen einen Ausschluss der Staatshaftung für Amtspflichtverletzungen eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs angenommen (OLG Dresden, Urt. v. 09.08.2006, Az. 6 U 407/06). Im Freistaat Bayern findet dagegen das Preußische Staatshaftungsgesetz keine Anwendung (BayVGH, Urt. v. 06.04.2009, Az. 19 B 09.90).
Nach § 5 Nr. 2 RBHaftG bestehen Haftungsausschlüsse für Angehörige des auswärtigen Dienstes (Weiterführend hierzu MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 342 f). Es haftet also weder der Staat noch der einzelne Beamte.
Nach der früheren Fassung von § 7 RBHaftG stand Angehörigen eines ausländischen Staates ein Amtshaftungsanspruch nur zu, wenn nach einer Bekanntmachung des Bundesjustizministeriums im Bundesgesetzblatt die Gegenseitigkeit der Amtshaftung mit dem anderen Staat verbürgt war (vgl. zur Haftung gegenüber Ausländern allgemein Kaiser, NVwZ 1997, 667; Geißler, DGVZ 1994, 97).
Auf Bundesebene wurde § 7 RBHaftG durch Gesetz vom 28.07.1993 (BGBl. I S. 1394) neu gefasst. Nach § 7 Abs. 1 RBHaftG n. F. kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bestimmen, dass einem ausländischen Staat und dessen Staatsangehörigen ohne Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland im Inland keine Amtshaftungsansprüche zustehen, wenn der Bundesrepublik Deutschland oder deutschen Staatsangehörigen nach dem Recht dieses Staates bei vergleichbaren Schädigungen kein gleichwertiger Schadensausgleich geleistet wird. Dies gilt nach § 7 Abs. 2 RBHaftG nicht für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und deren Staatsangehörige sowie in sonstigen Fällen, in denen eine Gleichbehandlung mit Deutschen europarechtlich vorgeschrieben ist. Bislang hat die Bundesregierung von der Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung keinen Gebrauch gemacht, sodass auf der Bundesebene derzeit keine Haftungsbeschränkungen für Ausländer bestehen (vgl. Maurer, § 26, Rdn. 36; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 74).
Die früheren, gem. Art. 77 EGBGB erlassenen landesrechtlichen Regelungen über Haftungsbeschränkungen gegenüber Ausländern sind mittlerweile weitgehend aufgehoben oder durch eine § 7 RBHaftG entsprechende Regelung ersetzt worden (weiterführend hierzu MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 345 ff).
§§ 636 und 637 RVO a. F., jetzt §§ 104 ff. SGB VII, sowie § 91 a SVG (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 06. Juni 2014 – 4 U 103/12 –, juris (zur truppenärztlichen Behandlung)) schließen Amtshaftungsansprüche aus, wenn der Anspruchsteller bei einem Arbeits- (zum Kindergartenbesuch als Arbeitsunfall BGH, Urt. v. 04.06.2009, Az. III ZR 229/07) oder Dienstunfall verletzt worden ist. Gleiches gilt für Schulunfälle (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 4 W 225/15 –, juris). Ausnahmen bestehen nur dann, wenn der Unfall vorsätzlich verursacht worden ist oder sich bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr ereignet hat (siehe hierzu MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 352 ff.; zu den Änderungen im Schadensrecht durch das SGB VIIvgl. Waltermann, NJW 1997, 3401, 3402).
Gem. § 195 BGB verjährt der Schadensersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB nach drei Jahren.
Die (Regel-)Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Betroffene Kenntnis von den den Anspruch begründenden Tatsachen erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Unabhängig von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis verjähren die Schadensersatzansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB) sowie ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB) (LG Bonn, Urt. v. 13.04.2011, Az. 1 O 211/10). Maßgeblich ist gem. § 199 Abs. 3 Satz 2 BGB die früher endende Frist. Eine Sonderstellung nehmen nach dem neuen Recht nur Schadensersatzansprüche ein, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen: Diese verjähren gem. § 199 Abs. 2 BGB ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
2. Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung
3. Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen
Gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt der Beginn der Regelverjährung voraus, dass der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch entsteht, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Erforderlich ist ferner, dass der Anspruch fällig ist, da ohne Durchsetzbarkeit des Anspruchs keine Verjährung möglich ist (Mansel, NJW 2002, 89, 91 m. w. N.; Jauernig, § 199 BGB, Rdn. 2; der Grundsatz der Schadenseinheit findet auch im neuen Verjährungsrecht Anwendung, Palandt-Heinrichs, § 199 BGB, Rdn. 3; BGH NVwZ 2007, 362). Als zusätzliches, subjektives Kriterium muss schließlich der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt haben oder seine Unkenntnis mindestens auf grober Fahrlässigkeit beruhen, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Eine hinreichende Kenntnis liegt vor, wenn der Geschädigte die tatsächlichen Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend, mithin eine Amtshaftungsklage als so aussichtsreich erscheinen lassen, dass dem Verletzten die Erhebung der Klage zugemutet werden kann (BGHZ 138, 247, 252; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2010, Az. 11 U 156/10; OLG München, Beschl. v. 16.03.2009, Az. 1 U 1639/09; Palandt-Heinrichs, § 199 BGB, Rdn. 34). Grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers ist gegeben, wenn seine Unkenntnis auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Unverzichtbar ist ein subjektiv schwerer Verstoß des Gläubigers (Palandt-Heinrichs, § 199 BGB, Rdn. 36).
Bezugspunkt der Kenntnis sind die anspruchsbegründenden Tatsachen. Zu diesen zählt das pflichtwidrige und schuldhafte Verhalten des Amtsträgers. In Fällen fahrlässiger Pflichtverletzung gehört auch das „negative Tatbestandsmerkmal“ des Fehlens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) dazu. Da das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit zu den vom Kläger darzulegenden und zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen gehört, beginnt der Lauf der Verjährung entweder mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers davon, dass er auf andere Weise keinen Ersatz erlangen kann, oder in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger sich im Prozesswege oder auf andere Weise hinreichende Klarheit darüber verschaffen kann, ob und in welcher Höhe ihm ein anderweitiger Ersatzanspruch zusteht (BGH NJW 1993, 933, 934). Der Geschädigte kann also nicht durch Untätigkeit oder Nichtausschöpfen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten den Beginn der Verjährung beliebig hinausschieben (so schon vor Änderung des Verjährungsrechts BGH NJW 1993, 933, 935;vgl. auch Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1171, 1178).
Besteht die Amtspflichtverletzung allerdings in einer dem Geschädigten günstigen Auskunft, ist es ihm regelmäßig vor Abschluss des von ihm auf der Grundlage der erhaltenen Auskunft betriebenen verwaltungsrechtlichen Verfahrens nicht zuzumuten, eine Amtshaftungsklage zu erheben, da erst der Ausgang des verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Prozesses dem Geschädigten die erforderliche Kenntnis verschafft, ob überhaupt eine Amtspflichtverletzung vorgelegen hat und ein Schaden entstanden ist (BGH, Urteil vom 23. Juli 2015 – III ZR 196/14 –, juris). Die Verjährung beginnt dementsprechend erst mit dem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Die Verjährungsfrist beginnt schließlich erst mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem die oben genannten Voraussetzungen eingetreten sind.
Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sind alle für die Amtshaftungsansprüche relevanten Unterbrechungstatbestände in Hemmungstatbestände umgewandelt worden. Die im Rahmen der Amtshaftung für die Unterbrechungstatbestände entwickelte Rechtspraxis besitzt jedoch – aufgrund vergleichbarer Problemlagen – auch für die neuen Hemmungstatbestände Geltung (So auch für § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F. Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 381).
Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Amtshaftungsklage gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahren, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB. Unschädlich ist, wenn die Klage beim örtlich unzuständigen Gericht eingereicht wird (BGH NJW 1994, 3162, 3164 f).
Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe hemmt die Verjährung ebenfalls. Das gilt allerdings nur, wenn das Gericht den Antrag dem Gegner rechtzeitig bekannt gibt. Hierzu ist das Gericht jedoch nur verpflichtet, wenn der Antragsteller mit dem Antrag auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinweist und um die zügige Veranlassung der Bekanntgabe unabhängig von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung bittet (OLG Frankfurt, Urteil vom 29. September 2014 – 1 U 55/13).
Entsprechend der Rechtsprechung des BGH zu § 209 Abs. 1 BGB a.F. tritt bei belastenden Verwaltungsmaßnahmen eine Hemmung der Verjährung in analoger Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch durch die Erhebung von Widerspruch oder verwaltungsgerichtlicher Klage ein (BGH NJW 1993, 2303, 2305; BGH NJW 2011, 2586, 2590 (zum sozialgerichtlichen Verfahren). Ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG genügt jedoch nicht, BGH NVwZ 2007, 362, 366. Zum Ganzen Braun/Spannbrucker, DVBl 2009, 884). Dies folgt daraus, dass der Betroffene wegen des Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes zur Einlegung von Rechtsbehelfen verpflichtet ist und ihm hieraus kein Nachteil hinsichtlich der Verjährung des Amtshaftungsanspruchs entstehen darf. Dies gilt auch dann, wenn die Amtshaftungsklage gegen eine andere Körperschaft gerichtet wird, diese aber im Primärrechtsschutzverfahren beigeladen war (BGH NVwZ 2006, 177 (wohl Rechtsprechungsänderung zu BGH DVBl. 2003, 816); sogar unter Verzicht auf die Beiladung OLG Brandenburg, NVwZ-RR 2001, 704).
Die Klage des Schädigers – gegen die Erteilung einer von ihm abgelehnten Genehmigung durch die Widerspruchsbehörde – hemmt die Verjährung aber nicht (OLG München, Urt. v. 05.11.2009, Az. 1 U 5235/08). In derartigen Fällen ist es dem Geschädigten jedoch regelmäßig nicht zumutbar, parallel eine Amtshaftungsklage (wegen der verspäteten Erteilung der Genehmigung) zu erheben (OLG München, Urt. v. 05.11.2009, Az. 1 U 5235/08).
Die auf Aufhebung eines Bescheides gerichtete Klage ist jedoch dann nicht geeignet, die Verjährung zu hemmen, wenn sie wegen Versäumung der Anfechtungsfrist unzulässig ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Kläger mit seinem Hilfsantrag, die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes festzustellen, durchgedrungen ist (BGH NJW 1995, 2778, 2779 zu § 209 Abs. 1 BGB a. F). Ebenso ist die Klage ungeeignet zur Verjährungshemmung, wenn sich der Rechtsbehelf nicht gegen das pflichtwidrige Verhalten selbst richtet, etwa eine unrichtige Auskunft, sondern gegen einen späteren Rechtsakt, etwa einen Gebührenbescheid, der im Widerspruch zur früheren Auskunft steht und deshalb für rechtswidrig gehalten wird (BGHZ 122, 317, 324; BGH NVwZ 2001, 468 f). Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Klage kann es jedoch dem Kläger an der für den Verjährungsbeginn notwendigen Kenntnis von der Amtspflichtverletzung durch die unrichtige Auskunft fehlen (BGH NVwZ 2001, 468 f. zu § 852 BGB a. F).
Die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durch Klage vor den Sozialgerichten hemmt die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs, der auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialversicherungsträgers gestützt wird (BGHZ 103, 242, 247 f. zu § 209 Abs. 1 BGB a. F.;vgl. auch v. Einem, BayVBl. 1991, 164).
Die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 1 StHG-DDR im behördlichen Vorverfahren gem. § 5 StHG-DDR hemmt dagegen nur die Verjährung des Anspruchs gem. § 1 StHG-DDR, nicht jedoch eines konkurrierenden Anspruchs gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, da es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt (BGH, NJ 2003, 539, 540 mit Verweis auf BGH NJW 2000, 2678, 2679).
Erhebt der Betroffene zunächst Klage gegen einen ersatzpflichtigen Dritten (z. B. bei Überbauung eines altlastenverseuchten Grundstücks zunächst gegen den Verkäufer statt gegen die Gemeinde, deren amtliche Auskunft zur Altlastenfreiheit ausschlaggebend für den Erwerb war), so wird durch die Erhebung dieser Klage die Verjährung des gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft gerichteten Amtshaftungsanspruchs nicht gehemmt (BGH NJW 1990, 178, 179 zu § 209 Abs. 1 BGB a. F.; dazu Rotermund/Krafft, Rdn. 100). Vielmehr muss der Geschädigte in diesem Fall der öffentlich-rechtlichen Körperschaft den Streit verkünden. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB wird durch die Streitverkündung in dem Prozess, von dessen Ausgang der (Amtshaftungs-)Anspruch abhängt, die Verjährung des Anspruchs gehemmt. Ist allerdings die Klage gegen den möglicherweise ersatzpflichtigen Dritten mit erheblichen Zweifeln verbunden (und deshalb die Klage nicht geboten), kann die Verjährungshemmung trotz Streitverkündung ausgeschlossen sein; (BGH NJW 2007, 834) hier ist größte Vorsicht geboten.
Die Verjährung wird gem. § 203 BGB gehemmt, solange zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Geschädigten noch Verhandlungen schweben und keine der Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Der Begriff der „Verhandlungen“ ist weit auszulegen (BGH NJW 2001, 1723 m. w. N.; Palandt-Heinrichs, § 203 BGB, Rdn. 2). Es genügt jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall, der den Geschädigten zu der Annahme berechtigt, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Die Hemmung endet erst, wenn die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert wird. Dies muss grundsätzlich durch klares und eindeutiges Verhalten einer der Parteien zum Ausdruck kommen. Verlaufen die Verhandlungen im Sande, so gelten sie als zu dem Zeitpunkt beendet, zu dem der nächste Schritt der anderen Seite nach Treu und Glauben zu erwarten gewesen wäre (BGH NJW 1986, 1337, 1338).
Keine Hemmung der Verjährung tritt dagegen ein, wenn der Betroffene nicht mit der ersatzpflichtigen Körperschaft, sondern mit einem anderen (z. B. dem Drittschädiger) verhandelt (Rotermund/Krafft, Rdn. 100).
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II. Grundsatz der Vorteilsausgleichung
III. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des Schadens
Für den Amtshaftungsanspruch gelten grundsätzlich die allgemeinen schadensrechtlichen Vorschriften der §§ 249 ff. und §§ 843 bis 846 BGB, (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 79; Schlick/Rinne, NVwZ 1997, 1065, 1077) jedoch mit der Besonderheit, dass der Anspruch nur auf Geldersatz gerichtet ist (BGHZ 34, 99, 104; BGHZ 137, 11, 26; BGH NVwZ 2003, 1285; anders womöglich im Einzelfall bei Ansprüchen auf Unterlassung oder Widerruf ehrkränkender Äußerungen, weil diese eine unvertretbare persönliche Handlung des Beamten darstellen, vgl. Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 240; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 78). Zu ersetzen ist das negative Interesse. Maßgeblich ist damit, wie sich die Vermögenslage des Betroffenen bei pflichtgemäßem Handeln des Amtsträgers entwickelt hätte (BGH NJW 2003, 3047; BGH NVwZ 1997, 714, 724). Erstattungsfähig ist grundsätzlich jeder durch die Amtspflichtverletzung adäquat verursachte Vermögensschaden (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 238).
Zum ersatzfähigen Schaden gehören:
Die Naturalrestitution ist, sofern sie ein hoheitliches Handeln (z. B. die Rückgängigmachung oder den Erlass eines VA) erfordern würde, wegen der Besonderheiten des Amtshaftungsrechts ausgeschlossen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.11.2011, Az. 1 W 54/11 (Löschung von Unterlagen aus Ermittlungsakten)). Der Grund hierfür besteht zum einen darin, dass der Anspruch aus § 839 BGB – für sich genommen – nur gegen den Beamten gerichtet ist. Dieser kann aber als Privatperson keine hoheitlichen Akte vornehmen, sondern nur Schadensersatz in Geld leisten. Gem. Art. 34 GG wird die so umrissene Haftung des Beamten lediglich auf den Staat übergeleitet, aber nicht erweitert. Vom Staat kann deshalb über § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht mehr verlangt werden als vom Beamten nach § 839 BGB (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 111 m. w. N). Zum anderen soll verhindert werden, dass die ordentlichen Gerichte durch die Verurteilung zur Vornahme einer hoheitlichen Tätigkeit in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte eingreifen (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 78). Eine Naturalrestitution kann der Geschädigte also nicht im Wege der Amtshaftungsklage erreichen. Vielmehr muss er vor dem Verwaltungsgericht einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch geltend machen.
Die Erklärung der Aufrechnung mit anderweitigen Forderungen ist zulässig (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 19. November 2015 – 4 U 124/14 –, juris).
II. Grundsatz der Vorteilsausgleichung
Der im allgemeinen Schadensrecht geltende Grundsatz der Vorteilsausgleichung gilt auch für den Amtshaftungsanspruch (BGH, Urt. v. 17.10.2003, Az. V ZR 84/02; OLG Jena NVwZ-RR 1999, 712, 713; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 79). Hat das schädigende Ereignis dem Betroffenen neben Nachteilen auch Vorteile gebracht, so können diese auf den Schadensersatzanspruch angerechnet werden. Voraussetzung für eine Anrechnung ist, dass zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (BGHZ 81, 274, 275; OLG München, Urt. v. 10.06.2010; Az. 1 U 3680/08; OLG Jena NVwZ-RR 1999, 712, 713) und dass die Anrechnung aus der Sicht des Geschädigten nicht unzumutbar ist (BGHZ 10, 107, 108; OLG Jena NVwZ-RR 1999, 712, 713). Die Anrechnung ist regelmäßig dann zumutbar, wenn sie dem Zweck des Schadensersatzes entspricht und den Schädiger nicht unbillig entlastet (BGHZ 91, 206, 210). Damit scheidet insbesondere die Anrechnung freiwilliger Leistungen Dritter aus, soweit sie nicht den Schädiger entlasten, sondern dem Geschädigten zu Gute kommen sollen (BGHZ 21, 113, 117).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des Schadens ist grundsätzlich die letzte mündliche Tatsachenverhandlung im Amtshaftungsprozess (BGH NJW 1990, 1038; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 80). So ist etwa die Heilung eines durch den Hoheitsträger begangenen Fehlers bis zu diesem Zeitpunkt bei der Schadensentwicklung zu berücksichtigen.
Vorsicht ist für den Kläger insbesondere geboten, wenn die Amtspflichtverletzung im Erlass eines auf einer unwirksamen Satzung beruhenden Gebührenbescheids liegt. Erlässt die beklagte Körperschaft während des Prozessverlaufes eine wirksame Satzung mit Rückwirkungsanordnung, so wird für den Bescheid in rechtlich zulässiger Weise nachträglich eine Rechtsgrundlage geschaffen. Dies kann zu einem Entfallen des ersatzfähigen Schadens führen (BGH NJW 1995, 394). Der Beklagte kann in diesem Fall dem Schadensersatzbegehren des Klägers jedenfalls den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten (BGH NJW 1995, 394, 395).
Führt ein rechtswidriger Bebauungsplan zur Schädigung eines Grundeigentümers, da im Plan ein durch gesundheitsgefährdende Altlasten kontaminiertes Gelände als Wohngebiet ausgewiesen wurde, so ist die nachträgliche Beseitigung des schädigenden Zustands durch eine Sanierung des Geländes bei der Beurteilung des Amtshaftungsanspruchs anspruchsmindernd zu berücksichtigen (BGH NJW 1990, 1038).
Führt die Amtspflichtverletzung zu einer Körper- oder Gesundheitsverletzung, zu einer Freiheitsentziehung, zur Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung oder – extra legem – zu einer Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so kann der Verletzte ergänzend zum materiellen Schadensersatzanspruch Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 2 BGB verlangen (vgl. BGHZ 78, 274, 279). Bei der Tötung einer Person kann zudem Entschädigung nach § 844 BGB verlangt werden.
Voraussetzung für eine Geldentschädigung wegen der Verletzung immaterieller Persönlichkeitsbestandteile ist aber eine hinreichende Schwere und das Fehlen einer anderweitigen Genugtuungsmöglichkeit.
Beispiele:
Bei einer Verletzung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG und des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt darüber hinaus die Zahlung einer Geldentschädigung in Betracht (BVerfG NJW 2010, 820; OLG Frankfurt, Urt. v. 10.10.2012, Az. 1 U 210/11; LG Frankfurt JR 2012, 36 ff.; zur Geldentschädigung wegen unzumutbarer Haftbedingungen OLG München, Beschl. v. 07.02.2012, Az. 1 W 102/12 und Eichinger, JR 2012, 57 ff. Zur Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung OLG München, Beschl. v. 26.07.2010, Az. 1 U 2201/10, und LG Berlin NVwZ 2010, 851 (Beschattung eines Journalisten durch den BND)). Allerdings können eine hinreichende Genugtuung und ein Ausgleich bereits in der „bloßen“ gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme und des Verstoßes der Maßnahme gegen Art. 1 Abs. 1 GG liegen, sodass eine Geldzahlung unterbleibt (BVerfG NJW 2010, 433; BVerfG NJW 2006, 1580; BGH NJW 2005, 58; OLG Hamburg FamRZ 2011, 1671).
Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich (BGHZ 201, 45, 8 ff.; BGH, Urteil vom 29.11.2016 – VI ZR 530/15).
V. Mitverschulden
§ 254 BGB findet auf Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung Anwendung, soweit nicht die Sondervorschrift des § 839 Abs. 3 BGB einschlägig ist (BGH NJW 2007, 1063; BGH VersR 1985, 368). Gem. § 254 BGB führt die schuldhafte Mitverursachung des Schadens zu einer Anspruchsminderung.
Für das Mitverschulden gilt als Maßstab, dass jeder diejenige Sorgfalt walten lassen muss, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Abwendung eigener Schäden anzuwenden pflegt (BGH NJW 1987, 2264, 2267). Der Betroffene darf im Allgemeinen aber auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen. Er handelt deshalb nur dann vorwerfbar i. S. d. § 254 BGB, wenn er das ihm zumutbare Maß an Aufmerksamkeit und Sorgfalt bei der Besorgung seiner eigenen Angelegenheiten nicht aufwendet (BGH VersR 1959, 233).Beginnt beispielsweise ein Bauherr mit den Baumaßnahmen, obwohl sich ihm Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung aufdrängen mussten und obwohl der Nachbar dem Vorhaben bereits widersprochen hat, so stellt dies eine bewusste Risikoübernahme dar. Dies kann dazu führen, dass der Bauherr wegen eines erheblichen Mitverschuldens nach § 254 BGB den ihm durch den voreiligen Baubeginn erwachsenen Schaden selbst zu tragen hat (BGH NJW 1985, 1682; BGH NJW 1997, 714, 727; BGH NJW 2001, 3054, 3056).
Zu berücksichtigen ist auch, dass § 254 BGB innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses angewendet wird und einen Ausgleich zwischen den Schadensersatzinteressen des Bürgers als Grundrechtsträger und den fiskalischen Interessen des Hoheitsträgers schafft. Werden dem Bürger innerhalb des Staatshaftungsverhältnisses Obliegenheiten zur Schadensminderung gem. § 254 BGB auferlegt, so sind die Grundrechte unmittelbar und ohne Einschränkung anzuwenden. Ein am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messender Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG liegt demnach vor, wenn dem Bürger die Obliegenheit aufgebürdet wird, entgegen seiner ursprünglichen Absicht einen anderen Arbeitsplatz zu suchen oder einen bestimmten Arbeitsplatz anzutreten (BVerfG NJW 2003, 125 ff). Insofern ist also bei der Bejahung von Schadensminderungsobliegenheiten Vorsicht geboten.
VI. Drittschadensliquidation
Die Grundsätze der Drittschadensliquidation sind im Amtshaftungsrecht grundsätzlich nicht anwendbar (Zu Ausnahmekonstellationen s. BVerwG DVBl. 2004, 1369; OVG Koblenz, NVwZ-RR 2005, 477; OLG Hamm NJW 1970, 1793). In aller Regel ergibt die Bestimmung des Kreises der geschützten Dritten ein taugliches Instrument für einen interessengerechten Schadensausgleich (BGH NJW-RR 1996, 724; vgl. auch OLG Hamm NJW 1970, 1793; Palandt-Sprau§ 839 BGB, Rdn. 82; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 237). Deshalb kann einem Geschädigten, der nicht zum Kreis der geschützten Dritten zählt, nicht über den Umweg der Drittschadensliquidation ein Ersatzanspruch zugebilligt werden (BGH BayVBl. 2008, 735; BGH NJW 1991, 2696, 2697).
Beispiel (vgl. BGH NJW 1991, 2696):
Der Eigentümer eines Grundstücks beauftragt einen Architekten mit dem Bau eines Hauses. Der Architekt richtet in eigenem Namen eine Bauvoranfrage an die Bauaufsichtsbehörde. Die Behörde verschleppt zunächst das Verfahren und erlässt schließlich einen (rechtswidrigen) ablehnenden Bescheid. Durch die Verzögerung und rechtswidrige Ablehnung erleidet der Eigentümer eine erhebliche Vermögenseinbuße. Er hat jedoch keinen Anspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, da er die Bauvoranfrage nicht selbst gestellt hat und damit nicht Verfahrensbeteiligter ist. Bei Ablehnung einer Bauanfrage bestehen drittbezogene Amtspflichten der Behörde grundsätzlich nur gegenüber dem Antragsteller und nicht auch gegenüber dem Grundstückseigentümer, sofern dieser lediglich ein allgemeines wirtschaftliches Interesse an der Bebaubarkeit des Grundstücks, nicht aber ein konkretes Interesse an der Durchführung eines bestimmten Bauvorhabens hat.
Auch eine Amtshaftungsklage des Architekten hat keine Aussicht auf Erfolg, da dieser keinen Schaden erlitten hat. Er kann auch nicht den Vermögensschaden des Eigentümers über die Grundsätze der Drittschadensliquidation geltend machen, da sonst das die Amtshaftung einschränkende Tatbestandsmerkmal der Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht umgangen würde.
Der Amtshaftungsanspruch ist selbständig und kann neben zahlreichen anderen Anspruchsgrundlagen geltend gemacht werden. Dies gilt insbesondere für die Gefährdungshaftung (BGHZ 121, 161, 168; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 117), die Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 118), die nach dem Planfeststellungsrecht vorgesehenen Rechtsschutz- und Entschädigungsmöglichkeiten gemäß §§ 74, 75 VwVfG (OLG Frankfurt BauR 2012, 683; missverständlich insofern OLG Hamm VersR 2011, 673), die Haftung nach dem StHG-DDR (BGHZ 153, 198, 201; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 119) und die Staatshaftung bei überlangen Gerichtsverfahren gemäß § 198 GVG (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 119).