Der EGMR hatte die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, bis Ende 2011 einen wirksamen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren einzuführen. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geschaffen, das am 03.12.2011 in Kraft getreten ist (BGBl I, S. 2302. Zur zeitlichen Anwendbarkeit OLG Celle, Urt. v. 24.10.2012, Az. 23 SchH 5/12; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.08.2012, Az. 23 SchH 5/12 EntV; OLG Celle, Beschl v. 09.05.2012, Az. 23 SchH 6/12.). Es handelt sich dabei aber nicht um ein eigenständiges Gesetz, sondern der Entschädigungsanspruch wurde in §§ 198 ff. GVG normiert (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 460 ff.).
Übersicht:
2. Unangemessene Verfahrensdauer
3. Erheben der Verzögerungsrüge
III. Verhältnis zur Amtshaftung
IV. Prozessuale Geltendmachung
1. Aktiv- und Passivlegitimation
Erste Anspruchsvoraussetzung ist, dass ein Gerichtsverfahren rechtshängig ist. Dazu gehören die Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Verfahren nach der VwGO, der FGO, dem SGG und dem ArbGG wie auch Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- (OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Januar 2015 – 4 EK 3/14 –, juris.) oder Verfahrenskostenhilfe. Zu den Gerichtsverfahren gehört nach § 199 GVG auch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und das selbständige Beweisverfahren (BGH, Urteil vom 05. Dezember 2013 – III ZR 73/13 –, BGHZ 199, 190-207). Ebenfalls zu den Gerichtsverfahren gehört die Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Beschwerdekammerbeschluss vom 20. August 2015 – 1 BvR 2781/13 - Vz 11/14 –, juris.).
Grundsätzlich ausgenommen ist dagegen das Insolvenzverfahren, § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG.
Allerdings sind in der Zeit zwischen Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags und der Entscheidung hierüber die §§ 198 ff. GVG anwendbar (BT-Drs. 17/3802, S. 23; Fuchs: Entschädigung wegen überlanger Dauer des Insolvenzverfahrens, VIA 2019, 50). Nach Insolvenzeröffnung sind sie hingegen grundsätzlich unanwendbar, weil im eröffneten Verfahren die wesentlichen wirtschaftlichen Entscheidungen durch die Insolvenzgläubiger im Rahmen der Gläubigerautonomie getroffen werden, so dass die Verfahrensdauer nicht primär von den Entscheidungen des Insolvenzgerichts abhängt (BT-Drs. 17/3802, 23).
Ausnahmsweise sind die §§ 198 ff. GVG im eröffneten Insolvenzverfahren allerdings anwendbar, wenn das Insolvenzgericht von Amts wegen oder auf Antrag eine Entscheidung treffen muss § 198 Abs. 6 Nr. 1 Hs. 3 GVG). Beispiele sind die Entscheidung über die Einberufung einer Gläubigerversammlung, über die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung (BT-Drs. 17/3802, 23) und die Entscheidung darüber, ob das Gericht gem. § 58 Abs. I 2 InsO Aufsichtsmaßnahmen gegenüber dem Insolvenzverwalter ergreift (OLG Koblenz, Urt. v. 30.08.2018 - 1 EK 1/18).
Auch das Widerspruchsverfahren gehört nicht zu den Gerichtsverfahren (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.03.2012, Az. OVG 3 A 1.12.). Generell erfassen die Regelungen zur Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens behördliche Verfahren, beispielsweise des Deutschen Patent- und Markenamtes, die einem gerichtlichen Verfahren vorausgehen, nicht (BGH, Beschluss vom 16.03.2017 - BGH Aktenzeichen III ZA 6/17).
2. Unangemessene Verfahrensdauer
Zentrale Anspruchsvoraussetzung ist die unangemessene Verfahrensdauer. Die Dauer des Verfahrens muss also gerade in Bezug auf dieses konkrete Verfahren unangemessen lang sein. Das verlangt eine Abwägung aller Umstände im Einzelfall, wobei es entscheidend auf die Schwierigkeit des Verfahrens in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht und auf die Bedeutung des Verfahrens ankommt (BGH, Urteil vom 14. November 2013 – III ZR 376/12 –, BGHZ 199, 87-103; Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.08.2012, Az. 23 SchH 5/12 EntV.). Das Kriterium der Bedeutung des Verfahrens spielt insbesondere bei Musterprozessen, bei Verfahren über das Sorge- oder Umgangsrecht für Kinder oder bei Arbeitssachen eine besondere Rolle; (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2.) auch existentielle Folgen für eine Prozesspartei können eine besondere Bedeutung begründen. Fünf Monate Verfahrensstillstand genügen allerdings regelmäßig nicht (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. August 2014 – L 11 SF 155/13 EK SO). Orientierungs- oder Richtwerte für die Laufzeit verwaltungsgerichtlicher Verfahren können nicht herangezogen werden, auch dann nicht, wenn sie auf statistisch ermittelten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (VGH München, Urteil vom 29.06.2017 - 23 A 15.2332).
Das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und weiterer Dritter darf bei der Prüfung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht ausgeblendet werden. Das Wahrnehmen der von der jeweiligen Prozessordnung vorgesehenen Verfahrenshandlungen durch die Parteien führt per se nicht zu einer unangemessenen, sondern gerade zu einer angemessenen Verfahrensdauer. Allerdings muss sich das Gericht bei zunehmender Verfahrensdauer nachhaltig um eine Beschleunigung bemühen (BVerfG NJW 2001, 214, 215; Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 2.).
Die im Amtshaftungsprozess entwickelten Grundsätze zu den Grenzen der Überprüfbarkeit der richterlichen Verfahrensführung sind auch auf das Entschädigungsverfahren nach §§ 198 ff. GVG zu übertragen. Im Entschädigungsprozess kann deshalb die Verfahrensführung des Richters nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden (BGH, Urteil vom 05. Dezember 2013 – III ZR 73/13 –, BGHZ 199, 190-207; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. August 2013 – 1 BvR 1067/12 –, juris.).
Die Dauer eines vor dem BFH geführten Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Regelfall noch angemessen, wenn sie einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht überschreitet (Anschluss an die entsprechende Rechtsprechung des BSG und BVerwG). Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren - etwa wegen der eindeutig erkennbaren Unzulässigkeit der Beschwerde - keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, weil es in diesem Fall auch umgekehrt für den Beschwerdeführer nur von sehr geringer Bedeutung ist. Für sonstige Beschwerden i.S. des § 128 FGO gilt die für Nichtzulassungsbeschwerden entwickelte Regelvermutung der Angemessenheit bei einer Gesamtverfahrensdauer von nicht mehr als zwölf Monaten jedenfalls dann, wenn sie mit einer Nichtzulassungsbeschwerde in Sachzusammenhang stehen und eine einheitliche Entscheidung daher im Sinne der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist (BFH, Beschl. vom 07.02.2017 – BFH Aktenzeichen X S 31-36/16 (PKH)).
Zu unangemessenen Verfahrensverzögerungen führen die Zeiten nicht, in denen die jeweilige Prozessordnung vorsieht, dass das Gericht untätig bleibt, also während der Dauer des Ruhens des Verfahrens gemäß § 173 S. 1 VwGO iVm § 251 ZPO oder gemäß § 94 VwGO, solange das Verfahren ausgesetzt ist (VGH München, Urteil vom 29.06.2017 - Aktenzeichen 23 A 15.2332). Die Untätigkeit eines Verwaltungsgerichts ist von seinem Gestaltungsspielraum gedeckt, wenn aus Sicht des Berichterstatters sowie der Beteiligten eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung in einem Parallelverfahren zu erwarten und davon auszugehen ist, dass sich der Rechtsstreit daran anknüpfend schnell und einfach erledigen wird (OVG Münster, Urteil vom 10.02.2017 - 13 D 36/16). Es ist legitim und im Interesse der Verfahrensökonomie geboten, Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen oder von Pilotverfahren, die ihrerseits in einem angemessenen Zeitraum zu erwarten sind, abzuwarten, auch wenn dadurch die Erledigung des zur Entscheidung stehenden Verfahrens hinausgeschoben wird (VGH München, Urteil vom 29.06.2017 - 23 A 15.2332).
Eine Entschädigungsklage kann auf jede einzelne Instanz des Ausgangsverfahrens beschränkt werden. Eine Überlänge in einer Instanz des Ausgangsverfahrens kann auch dann durch einen besonders raschen Abschluss in einer anderen Instanz kompensiert werden, wenn die Entschädigungsklage auf die überlange Instanz beschränkt wurde (LSG Sachsen, Urteil vom 29.03.2017 - 11 SF 70/16 EK). Ob die Verfahrensdauer in einer von mehreren (verwaltungs-)gerichtlichen Instanzen als angemessen anzusehen ist, beurteilt sich nicht für jede Instanz isoliert, sondern allein unter Berücksichtigung der Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens von dessen Einleitung in der ersten Instanz bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss in der letzten Instanz, mithin über alle Instanzen hinweg. Eine (isoliert betrachtet) überlange Verfahrensdauer innerhalb einer Instanz kann deshalb durch eine zügige Behandlung in einer nachfolgenden Instanz kompensiert werden, sodass insgesamt nicht von einer unangemessenen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann. Dies gilt auch, wenn die Gerichte nicht in der Trägerschaft derselben juristischen Person stehen; insbesondere ist auch das Bundesverwaltungsgericht in diesem Sinne eine nachfolgende Instanz (BVerwG, Beschluss vom 04.07.2017 - 5 B 11.17 D).So können auch Verzögerungen beim OVG durch eine besonders schnelle Sachbehandlung durch das BVerwG ausgeglichen werden (OVG Münster, Urteil vom 10.02.2017 - 13 D 74/15).
Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz sind im Rahmen der Verfahren, für die bei unangemessen langer Verfahrensdauer Entschädigung verlangt werden kann, gesondert als eigenständige Verfahren aufgeführt (BSG, Beschluss vom 01.06.2017 - B 10 ÜG 12/16 BH).
Dritte Voraussetzung ist, dass der Verfahrensbeteiligte, der einen Entschädigungsanspruch geltend machen will, zuvor bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat, also die sog. Verzögerungsrüge erhoben hat. Darin kommt der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes zum Ausdruck, wie er auch in § 839 Abs. 3 BGB angelegt ist (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 3.). Bei Inkrafttreten der §§ 198 ff. GVG bereits laufenden Prozessen musste die Verzögerungsrüge unverzüglich danach erhoben werden (OLG Celle, Beschl. v. 15.02.2012, Az. 23 SchH 1/12.).
Die Gewährung einer Entschädigung nach § 198 GVG setzt also voraus, das in jeder Instanz, für die diese begehrt wird, eine Verzögerungsrüge erhoben wird. Ist eine Instanz abgeschlossen, kann die Verzögerungsrüge nicht mehr wirksam erhoben werden. Erfolgt die Rüge verfrüht, ist sie unbeachtlich (OVG Münster, Urteil vom 10.02.2017 - 13 D 36/16). Eine Verzögerungsrüge ist und bleibt unwirksam, wenn sie erhoben wird, bevor Anlass zur Besorgnis besteht, das Verfahren werde nicht in angemessener Zeit abgeschlossen (BFH, Urt. vom 26.10.2016 – BFH Aktenzeichen X K 2/15).
Fehlt es an einer wirksamen Verzögerungsrüge als Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch, steht es im Ermessen des Entschädigungsgerichts, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen (OVG Münster, Urteil vom 10.02.2017 - 13 D 36/16).
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird für die erlittenen Nachteile eine angemessene Entschädigung gewährt.
Handelt es sich um materielle Nachteile, so erfolgt gleichwohl keine vollständige, sondern lediglich eine angemessene Entschädigung (Kritisch Ossenbühl, DVBl 2012, 857, 859.). Ausgeschlossen ist damit insbesondere ein Ersatz des entgangenen Gewinns (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 3. Zweifel bei BSG, Urteil vom 05. Mai 2015 – B 10 ÜG 5/14 R –, SozR 4-1720 § 198 Nr 12.). Ersatzfähig sind etwa Kostenerhöhungen im Ausgangsverfahren aufgrund der Verzögerung.
Darüber hinaus sind auch immaterielle Nachteile entschädigungsfähig. § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG sieht als Entschädigung einen Betrag von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor, (Nach Ossenbühl, DVBl 2012, 857, 861 hat dies „allenfalls symbolische Bedeutung“.) der aber vom Gericht nach unten oder nach oben hin korrigiert werden kann.
Eine Entschädigung in Geld für immaterielle Nachteile kommt aber nur in Betracht, wenn nicht bereits auf andere Weise eine Wiedergutmachung möglich ist, § 198 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 GVG. Ausreichend kann insofern die (bloße) gerichtliche Feststellung der unangemessenen Verfahrensdauer sein. Das kann auch schon im Prozesskostenhilfeverfahren erfolgen mit der Konsequenz, dass keine Prozesskostenhilfe gewährt wird, weil die Entschädigungsklage unbegründet sein soll (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.08.2012, Az. 23 SchH 5/12 EntV.).
Der Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG lässt einen Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG unberührt, es besteht echte Anspruchskonkurrenz (Remus, NJW 2012, 1403, 1408; Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 5; Ossenbühl, DVBl 2012, 857, 859; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 463.).
Auf Tatbestandsseite bestehen insofern Unterschiede, als der Amtshaftungsanspruch ein Verschulden voraussetzt.
Auf Rechtsfolgenseite unterscheiden sich der Amtshaftungsanspruch und der Entschädigungsanspruch insofern, als bei der Amtshaftung einerseits eine vollständige Restitution nach §§ 249 ff. BGB erfolgt, andererseits aber immaterielle Nachteile nicht ausgeglichen werden (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 5.).
Der Entschädigungsanspruch steht gemäß § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 2 GVG nur einem Verfahrensbeteiligten zu. Verfahrensbeteiligte sind die jeweiligen Prozessparteien (Unklar ist aber, ob das in kontradiktorischen Verfahren für beide Parteien gilt, s. Remus, NJW 2012, 1403, 1408. Die Frage ist zu bejahen. Entscheidend ist vielmehr, ob auch beiden Parteien Nachteile entstanden sind) oder die Beteiligten im Sinne des FamFG, nicht aber Nebenintervenienten (Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1.).
Passivlegitimiert ist das Land, dessen Gerichte die überlange Verfahrensdauer zu verantworten habe, bzw. der Bund bei Handeln eines Bundesgerichts, § 200 GVG.
Im zivilrechtlichen Bereich ist das jeweilige OLG bzw. bei einer Verfahrensverzögerung durch den BGH der BGH selbst erstinstanzlich zuständig. Damit ist eine parallele Geltendmachung von Amtshaftungs- und Entschädigungsanspruch zunächst ausgeschlossen, weil für Amtshaftungsansprüche erstinstanzlich ausschließlich die Landgerichte zuständig sind. Im Berufungsrechtszug des Amtshaftungsprozesses vor dem OLG müsste es dagegen möglich sein, zusätzlich die Entschädigungsklage zu erheben und die beiden Verfahren miteinander zu verbinden. Bei sozialrechtlichen Streitigkeiten ist nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Mai 2016 – L 38 SF 1/16 EK AS –, juris.).
Eine vorherige Antragstellung bei der Behörde ist nicht erforderlich (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27.03.2012, Az. OVG 3 A 1.12.).
Die Entschädigungsklage kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden, § 198 Abs. 5 GVG. Es ist also möglich, dass das Ausgangsverfahren und die Entschädigungsklage parallel geführt werden; das Entschädigungsgericht kann aber in diesem Fall das Verfahren gemäß § 201 Abs. 3 GVG aussetzen.
Die Entschädigungsklage muss ferner spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung oder anderweitigen Verfahrenserledigung erhoben werden. Eine Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO auf einen Zeitpunkt innerhalb der noch laufenden Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG ist prinzipiell möglich (OLG Koblenz, Urteil vom 17.08.2017 - 1 EK 6/17). Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ist dagegen nicht möglich, weil keine Frist im Sinne von § ZPO § 233 ZPO vorliegt (OLG Koblenz, Urteil vom 17.08.2017 - 1 EK 6/17).
Nach richtiger Auffassung hemmt die Erhebung der Amtshaftungsklage zugleich den Lauf dieser Frist entsprechend § 213 BGB (Vgl. Althammer/Schäuble, NJW 2012, 1, 6.).
Ein erfolglos gestellter (isolierter) PKH-Antrag zum BSG für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bzgl. einer das Ausgangsverfahren beendenden LSG-Entscheidung hemmt nicht den Eintritt der Rechtskraft der LSG-Entscheidung (BSG, Beschluss vom 18.05.2017 - B 10 ÜG 2/17 BH).
Mit der Zustellung des Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG beginnt die Sechsmonatsfrist für eine Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer des mit der angegriffenen LSG-Entscheidung beendeten Ausgangsverfahrens. Die Einlegung einer Anhörungsrüge gegen den die Nichtzulassungsbeschwerde verwerfenden Beschluss des BSG hemmt nicht den Eintritt der Rechtskraft der angegriffenen LSG-Entscheidung (BSG, Beschluss vom 18.05.2017 - B 10 ÜG 3/17 BH).
Auch für die Erhebung der Entschädigungsklage kann Prozesskostenhilfe beantragt werden (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.08.2012, Az. 23 SchH 5/12 EntV; OLG Celle, Beschl v. 09.05.2012, Az. 23 SchH 6/12.). Erstinstanzlich zuständig ist das für die Entschädigungssachen zuständige Oberlandesgericht bzw. das nach den anderen Prozessordnungen zuständige Obergericht. Gegen eine Entscheidung des OLG ist nur die Rechtsbeschwerde statthaft (BGH NJW 2012, 2449.).
V. Aufrechnung
Die Aufrechnung gegenüber einem Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens mit einer Kostenforderung des Staates aus einem früheren Strafverfahren ist - nach rechtskräftiger Entscheidung über die Entschädigungsklage - grundsätzlich zulässig (BGH, Urteil vom 07.11.2019 - III ZR 17/19).