Entschädigungsansprüche können sich aus enteignungsgleichem oder aufopferungsgleichem Eingriff ergeben. Rechtliche Grundlage des Haftungsinstituts des enteignungsgleichen Eingriffs ist der gewohnheitsrechtlich anerkannte allgemeine Aufopferungsgrundsatz der §§ 74, 75 Einl. ALR in seiner richterrechtlichen Ausprägung. Der den §§ 74, 75 Einl. ALR zu entnehmende Grundsatz, dass dem Einzelnen bei Sonderopfern im Allgemeininteresse ein Ausgleichsanspruch zusteht, beschränkt sich allerdings nicht nur auf Eingriffe in das Eigentum i. S. d. Art. 14 GG, sondern gilt auch für Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter, die in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG fallen. Soweit Eingriffsobjekt ein höchstpersönliches Rechtsgut ist, findet der Anspruch aus aufopferungsgleichem Eingriff Anwendung.
Dabei wird (wie beim enteignungsgleichen Eingriff und beim enteignenden Eingriff) in der Terminologie danach unterschieden, ob die hoheitliche Maßnahme rechtswidrig oder rechtmäßig war. Die Unterscheidung zwischen aufopferungsgleichem und aufopferndem Eingriff hat sich mittlerweile durchgesetzt.
Neben diesen beiden allgemeinen Entschädigungsansprüchen gibt es spezialgesetzlich geregelte Entschädigungsansprüche:
Überblick
1. Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG als Schutzgut
2. Rechtswidriger hoheitlicher Eingriff
3. Unmittelbare Beeinträchtigung
5. Vorrang des Primärrechtsschutzes
IV. Verhältnis zur Amtshaftung, Konkurrenzen
Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff setzt voraus, dass eine konkrete, in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG fallende Rechtsposition beeinträchtigt wird; ein Eingriff in das bloße Vermögen reicht nicht aus (OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.04.2010, Az. 12 U 11/10.). Ebenso wenig genügt ein Eingriff in den durch Art. 12 GG gegebenenfalls gewährleisteten Erwerbsschutz (BGH Beschl. v. 22.09.2011, Az. III ZR 217/10; BGHZ 131, 181.).
Maßgeblich ist hier der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff des Art. 14 GG (zum Eigentumsbegriff und den geschützten Rechtspositionen weiterführend Maurer, § 27, Rdnrn. 42 ff.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 153 ff.; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 437 ff., jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung.). Schutzfähiges Eigentum i. S. d. Art. 14 GG sind alle eigentumsfähigen Positionen in ihrem konkreten Bestand, wobei Innehabung, Nutzung und Verfügung geschützt werden. Eigentumsfähig ist grundsätzlich jedes vom Gesetzgeber anerkannte vermögenswerte Recht, unabhängig davon, ob die Rechtsposition aus Normen des Privatrechts oder des Öffentlichen Rechts hergeleitet ist.
Art. 14 GG schützt damit zunächst alle Rechtspositionen, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet (vgl. hierzu Maurer, § 27, Rdn. 43.). Geschützt werden alle dinglichen Rechte sowie alle Forderungen und Ansprüche. Schutzfähig sind danach das Sacheigentum, Anwartschaftsrechte, Nießbrauchs- und Erbbaurechte, vermögenswerte Mitgliedschafts- und Gesellschaftsrechte, privatrechtliche Forderungsrechte (z. B. des Käufers, des Mieters oder des Pächters), das Urheberrecht, die eingetragene Marke und das Erfinderrecht.
Zum Eigentum i. S. d. Art 14 Abs. 1 GG zählt auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb (vgl. hierzu Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 175 ff.; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 440 ff.; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. April 2016 – OVG 12 B 31.14 –, juris (für ein Unternehmen bzgl. Emissionsberechtigungen); LG München I, Urteil vom 26. Februar 2014 – 15 O 27992/12 –, juris (für eine Fernsehproduktionsgesellschaft wegen des rechtswidrigen Widerrufs einer Sendegenehmigung); OLG München, Urteil vom 27. November 2014 – 1 U 781/13 –, juris (für einen Verleger wegen Beschlagnahme von Zeitschriften) ). Gewährleistet wird die vorhandene „Rechts- und Sachgesamtheit“ des Betriebs in ihrer „Substanz“, d. h. das ungestörte Funktionieren des Betriebsorganismus, dessen Beeinträchtigung den Verfügungsberechtigten daran hindert, von der in dem Unternehmen verkörperten Organisation sachlicher und persönlicher Mittel bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen. Geschützt ist alles, was in der Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des Gewerbebetriebs ausmacht. Hierzu gehören insbesondere Betriebsgrundstücke und Gebäude, Geräte, Warenvorräte, der Kundenstamm, die geschäftlichen Verbindungen und Forderungen. Geschützt ist auch der sog. „Kontakt nach außen“ (das Anliegerrecht) des Gewerbebetriebs (vgl. hierzu ausführlich Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 180 ff.). Das Anliegerrecht gewährt jedoch nur einen Anspruch auf Zugang zum öffentlichen Verkehrsraum, es besteht kein Anspruch auf den Erhalt einer vorteilhaften Lage. Geschützt ist der Gewerbebetrieb nur in seinem konkreten Bestand. Hieraus folgt, dass Erwerbschancen, Gewinnmöglichkeiten und bloße Erwartungen vom Schutzbereich des Art. 14 GG nicht erfasst werden.
Ein subjektiv-öffentliches Recht genießt Eigentumsschutz, wenn es dem Berechtigten eine Rechtsstellung verschafft, die der eines Sacheigentümers gleicht und die so verfestigt ist, dass eine ersatzlose Entziehung durch den Staat dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes zuwiderliefe (vgl. BVerfGE 40, 65, 83; hierzu Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 168 ff.; Maurer, § 27, Rdn. 44.). Eine dem Sacheigentümer vergleichbare Stellung liegt vor, wenn das subjektiv-öffentliche Recht nicht ausschließlich auf staatlicher Gewährung beruht, sondern auch Äquivalent eigener Leistung (Arbeit, Kapitaleinsatz) des Privaten ist. Sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche (Versichertenrenten) werden z. B. von der Eigentumsgarantie umfasst, wenn sie dem Versicherten ausschließlich und privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und der Sicherung seiner Existenz dienen (BVerfGE 69, 272, 300 ff.). Beamtenrechtliche Ansprüche genießen hingegen keinen Schutz durch Art. 14 GG; hier gilt aber die Sonderregelung des Art. 33 Abs. 5 GG (BVerfGE 52, 303, 344 f.).
Nicht geschützt sind das Vermögen als solches sowie Vorteile, die sich aus dem Fortbestand einer günstigen Gesetzeslage ergeben. Art. 14 GG schützt eine eigentumsfähige Rechtsposition nur in ihrem konkreten Bestand. Dessen Umfang wird danach bestimmt, welche Befugnisse dem Eigentümer zum Zeitpunkt des Grundrechtseingriffs nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden Gesetzen zukamen. Es werden also nur bestehende, nicht aber künftige Rechtspositionen geschützt.
Die den Eingriff begründende hoheitliche Maßnahme kann ein Rechtsakt oder auch ein Realakt sein. Ein gezieltes Handeln des Hoheitsträgers ist nicht erforderlich.
Ist der Eingriff durch einen Rechtsakt erfolgt, so ist zu differenzieren:
Die sog. „faktischen Eigentumseingriffe“ durch Realakt stellen den Hauptanwendungsbereich für die Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff dar. Die bislang hierzu entschiedenen Fälle sind vielgestaltig und lassen sich kaum typisieren. Beispiele sind etwa die Vernichtung von Holz durch Artillerieübungen, (BGHZ 37, 44, 47.) die Beschädigung eines Hauses durch Ausschachtungsarbeiten für eine öffentliche Straße, (BGHZ 72, 289.) das sog. feindliche Grün bei der Ampelschaltung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2013 – 9 U 23/12 –, juris.) oder die von einer schlichthoheitlich betriebenen Kläranlage einer Gemeinde auf benachbarte Wohngrundstücke ausgehenden Geruchsemissionen (BGHZ 91, 20.).
Demgegenüber stellen Veränderungen im Straßensystem i. d. R. keinen Eingriff in das Anliegerrecht beim eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Auch vorübergehende verkehrsregelnde Maßnahmen (z. B. Umleitungen) oder Straßenbauarbeiten begründen lediglich eine im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmende Kontaktstörung und keinen Eigentumseingriff, sofern sie nach Art und Dauer nicht erheblich über das hinaus gehen, was bei ordnungsgemäßer Planung und Durchführung der Arbeiten notwendig ist (BGH BayVBl 1998, 378; OLG Nürnberg, Urt. v. 21.12.2009, Az. 4 U 1436/09.).
c) Eingriff durch „qualifiziertes Unterlassen“
Auch ein sog. „qualifiziertes Unterlassen“ kann zur Bejahung eines Eingriffs genügen. Dieses liegt vor, wenn sich die Untätigkeit der Behörde ausnahmsweise als ein in den Rechtskreis des Betroffenen eingreifendes Handeln qualifizieren lässt und offen zutage liegt, zu welchem Verhalten die öffentliche Hand verpflichtet ist (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 461.). Die Fälle des qualifizierten Unterlassens betreffen vor allem die rechtswidrige Verweigerung einer Genehmigung. Auch im Fall der verzögerten Bearbeitung von Anträgen durch das Grundbuchamt liegt ein „qualifiziertes Unterlassen“ vor, da die Übertragung von Immobiliareigentum eine Eintragung im Grundbuch erfordert und durch das Unterlassen der Antragsbearbeitung somit die Verfügung über das Eigentum vorübergehend gravierend eingeschränkt wird (BGH NJW 2007, 830, 833 f.).
Die vom BGH vorgenommene Differenzierung zwischen einem qualifizierten und einem bloß schlichten Unterlassen ist in der Literatur auf Kritik gestoßen, da sich beide Begriffe nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen. Teilweise wird vertreten, ein rechtserheblicher Eingriff durch Unterlassen liege bereits dann vor, wenn für den Hoheitsträger eine Rechtspflicht zum Handeln bestand (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 310.).
d) Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme
Die Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme ist Tatbestandsmerkmal des enteignungsgleichen Eingriffs und bildet den eigentlichen Grund für die staatliche Entschädigungsverpflichtung. Das Tatbestandsmerkmal eines „Sonderopfers“ des Betroffenen ist zwar von der h. M. noch nicht aufgegeben worden, (vgl. zur Entbehrlichkeit des Sonderopfer-Kriteriums Schmitt-Kammler, NJW 1990, 2515, 2519; Schoch, Jura 1990, 140, 147) das Sonderopfer wird aber jedenfalls durch die Rechtswidrigkeit der Maßnahme indiziert (vgl. BGHZ 32, 208 ff.; Maurer, § 27, Rdn. 94). Zu beachten ist, dass unter „Rechtswidrigkeit“ im Sinne des hier erörterten Tatbestandsmerkmals nur die materielle Rechtswidrigkeit zu verstehen ist. Ist ein Eingriff nur deshalb rechtswidrig, weil er an einem formellen Fehler leidet, so begründet er keinen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff (BGHZ 58, 124, 127 f.; vgl. hierzu auch Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 314; Nüßgens/Boujong, Rdn. 415).
Die im Zusammenhang mit der Überprüfung von im Ermittlungsverfahren getroffenen staatsanwaltschaftlichen beziehungsweise richterlichen Maßnahmen, bei denen ein Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers besteht, entwickelten Grundsätze zur Vertretbarkeit der Maßnahme gelten auch für die Beurteilung von Ansprüchen aus enteignungsgleichem Eingriff. Ist eine solche Ermittlungshandlung vertretbar, entfällt die Rechtswidrigkeit des Eingriffs als Voraussetzung einer Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff (BGH, Urteil vom 15.12.2016 – III ZR 387/14).
e) Allgemeinwohlbezogenheit des Eingriffs
Von der Rechtsprechung wird verlangt, dass der Eingriff durch das Allgemeinwohl motiviert ist (vgl. BGHZ 76, 387; ebenso Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 477 m. w. N.). Ob dieses aus Art. 14 Abs. 3 GG abgeleitete Merkmal auch nach der Entkoppelung des enteignungsgleichen Eingriffs von Art. 14 Abs. 3 GG Anspruchsvoraussetzung sein kann, wird jedoch mit guten Gründen bezweifelt (gegen die Beibehaltung dieses Merkmales vor allem Schmitt-Kammler, NJW 1990, 2515, 2519; Schoch, Jura 1990, 140, 146 f.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 315. ).
Die rechtswidrige Zwangsvollstreckung zugunsten eines Privaten oder die rechtswidrige Insolvenzeröffnung begründen deshalb nach der Rechtsprechung des BGH keinen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, da diese hoheitlichen Maßnahmen nicht durch das Allgemeinwohl motiviert sind, sondern lediglich privaten Interessen Einzelner dienen ( Vgl. BGHZ 30, 123, 125; BGH NVwZ 1998, 878, 879 (Einzelzwangsvollstreckung); BGH NJW 1959, 1085 (Insolvenzeröffnung); kritisch hierzu Ossenbühl (Staatshaftungsrecht), S. 259 f. und Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 315.).
Das Merkmal der „Unmittelbarkeit“ der Beeinträchtigung wird von der Rechtsprechung zur Haftungsbegrenzung herangezogen, mit dem eine zu weitgehende Haftung des Staates verhindert werden soll. Es werden nicht nur Kausalitätsfragen, sondern auch (diesem Begriff dogmatisch eigentlich nicht zuzuordnende) Fragen der wertenden Zurechnung von Schadensfolgen und die Abgrenzung zwischen den Risikobereichen von Betroffenem und Staat behandelt (BGHZ 125, 19, 21; vgl. zur Ausdehnung des Merkmales der Unmittelbarkeit durch die Rechtsprechung Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 300 ff.).
Voraussetzung ist zunächst ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der hoheitlichen Maßnahme und der Beeinträchtigung der Rechtsposition; hier gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Amtshaftung (BGH NVwZ 2005, 358.). Für die Bejahung der Unmittelbarkeit reicht die Kausalität allein allerdings nicht aus. Es genügt auch nicht, wenn der Hoheitsträger eine Gefahrenlage geschaffen hat, die erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände zu einer Eigentumsbeeinträchtigung geführt hat. Vielmehr gilt als „unmittelbar“ kausal nur dasjenige hoheitliche Handeln, das ohne Hinzutreten einer weiteren Ursache den Schaden herbeigeführt hat (vgl. BGH NJW 1971, 607, 608; BGH NJW 1971, 32, 33.).
Zusätzlich stellt der BGH bei der Beurteilung der Unmittelbarkeit wertend darauf ab, ob die Eigentumsbeeinträchtigung ein Nachteil ist, der aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme folgt, nämlich aus der von ihr geschaffenen Gefahrenlage, (vgl. etwa BGH NJW 1980, 770 f.) und mit dieser in einem inneren Zusammenhang steht. Es muss sich eine besondere, typische Gefahr verwirklicht haben, die bereits in der hoheitlichen Maßnahme selbst angelegt war (vgl. BGHZ 100, 335, 338 f.).
Dagegen muss der Eingriff nicht zielgerichtet sein. Das Merkmal der Finalität wurde von der Rechtsprechung für den Tatbestand des enteignungsgleichen Eingriffs aufgegeben (vgl. BGH NJW 1962, 1439 (Schießübungen); BGH NJW 1964, 104 (Schützenpanzer).). Damit können auch unbeabsichtigte Auswirkungen hoheitlicher Maßnahmen einen enteignungsgleichen Eingriff begründen.
Ein Verschulden des rechtswidrig handelnden Hoheitsträgers ist kein Tatbestandsmerkmal des enteignungsgleichen Eingriffs. Ein rechtswidriger unverschuldeter Eigentumseingriff ist also ausreichend. Sollte der Eingriff auch schuldhaft erfolgt sein, so schließt dies eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff allerdings nicht aus (BGHZ 7, 296; BGHZ 13, 88, 92, seitdem st. Rspr.).
Der Entschädigungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn es der Betroffene schuldhaft unterlassen hat, den Schadenseintritt in zumutbarer Weise durch die Einlegung von Rechtsmitteln zu verhindern (BGHZ 90, 17, 31; BVerfG NJW 2000, 1402. Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die belastende Maßnahme (Primärrechtsschutz) geht der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen (sekundärer Rechtsschutz) grundsätzlich vor. Dieser Vorrang des Primärrechtsschutzes folgt aus dem Rechtsgedanken des § 254 BGB (BGHZ 90, 17, 31 ff.; 140, 285, 297; vgl. auch Maurer, § 27, Rdn. 99; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 315 ff.).
Der Betroffene ist verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um den Schadenseintritt durch Einlegung eines Rechtsmittels abzuwehren. Entscheidend ist also, ob dem Betroffenen ein geeignetes Rechtsmittel zur Abwehr des Eingriffs zur Verfügung stand, ob ihm die Einlegung des Rechtsmittels objektiv zumutbar war und ob ihm im Fall der Nichteinlegung des Rechtsmittels dies subjektiv im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst vorgeworfen werden kann (Maurer, § 27, Rdn. 99.).
Dabei ist zu klären, ob der Betroffene die Maßnahme in ausreichender Weise auf ihre (formelle und materielle) Rechtmäßigkeit hin überprüft hat und ob er die Rechtswidrigkeit kannte oder hätte erkennen müssen. Dabei dürfen aber nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Betroffene nicht verpflichtet, auf bloßen Verdacht hin Rechtsmittel einzulegen, um dem Vorwurf zu begegnen, er habe ein Rechtsmittel versäumt. Die Anforderungen an die Prüfungsobliegenheiten des Betroffenen sind je nach Rechtsnatur der Eingriffsmaßnahme unterschiedlich hoch: Vom Adressaten eines mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakts ist grundsätzlich eine genauere Überprüfung – notfalls durch Einholung von Rechtsrat – zu verlangen (Nüßgens/Boujong, Rdn. 440). Besteht der rechtswidrige Eingriff dagegen im Erlass einer Rechtsverordnung oder Satzung oder in einem dem Betroffenen nicht mitgeteilten förmlichen Akt, so sind die Anforderungen an die Prüfungsobliegenheit geringer anzusetzen (vgl. a. a. O.). Als allgemeine Faustformel kann gelten, dass die Verpflichtung zur Einlegung eines Rechtsmittels dann besteht, wenn die Überprüfung deutliche Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit ergibt.
Bei Verwaltungsentscheidungen mit „Konzentrationswirkung“, die darauf angelegt sind, alle mit einem bestimmten Vorhaben verbundenen Konflikte abschließend zu regeln, was insbesondere bei Planfeststellungsbeschlüsse gem. §§ 74, 75 VwVfG der Fall ist, ist die Einlegung von Rechtsmitteln unverzichtbar (vgl. hierzu ausführlich Krohn, S. 67 ff.). Nach der Rechtsprechung des BGH kann nämlich über Ausgleichsansprüche des Betroffenen nur im Planfeststellungsverfahren selbst entschieden werden, so dass eine Ersatzentscheidungszuständigkeit der Zivilgerichte im Rahmen der Prüfung eines enteignungsgleichen Eingriffs nicht mehr besteht (BGHZ 95, 28.).
Macht der Betroffene schuldhaft von zumutbaren Anfechtungsmöglichkeiten keinen Gebrauch, so entfällt sein Entschädigungsanspruch regelmäßig zur Gänze. Dieses Ergebnis wird mit der besonderen Bedeutung des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes für den Bestandsschutz im Rahmen des Art. 14 GG begründet (vgl. BGHZ 90, 17, 32.). Dem Betroffenen verbleibt allenfalls ein Entschädigungsanspruch hinsichtlich derjenigen Nachteile, die er durch die Inanspruchnahme von Rechtsmitteln nicht hätte abwenden können. Diesbezüglich fehlt es an der Kausalität zwischen der unterlassenen Anfechtung und dem Schaden, weil der Schaden auch bei Einlegung des Rechtsmittels eingetreten wäre (Nüßgens/Boujong, Rdn. 437.).
Der Gebrauch von Rechtsmitteln ist also dann nicht erforderlich, wenn dadurch der Schadenseintritt nicht hätte vermieden werden können. Dies gilt zum einen für hoheitliche Realakte, die plötzlich eintretende Schädigungen verursachen, und zum anderen für unvermeidbare Verzögerungsschäden bei rechtswidriger Vorenthaltung einer Bau- oder Gewerbeerlaubnis (vgl. Nüßgens/Boujong, Rdn. 433; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 317; Schoch, Jura 1989, 529, 535 f.).
Der Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff verjährt regelmäßig in drei Jahren (§ 195 BGB), (BGH NJW 2007, 830, 834; Palandt-Heinrichs, § 195 BGB, Rdn. 20; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 484; Jauernig, § 195 BGB, Rdn. 3; a. A. Mansel, NJW 2002, 89, 90 f.) sofern nicht durch gesetzliche Bestimmung (etwa durch spezielle Vorschriften im Polizei- und Sicherheitsrecht der Länder) etwas anderes geregelt ist (vgl. dazu BGHZ 72, 273; Krohn, Rdn. 26.). Da nach alter Rechtslage die Verjährungsfrist 30 Jahre betrug, ist bei den Altfällen die Verjährung anhand der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB besonders sorgfältig zu prüfen.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Aufgrund der inneren Verwandtschaft von Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch ist die Vorschrift zur Regelung der Höchstfristen gem. § 199 Abs. 3 BGB entsprechend auf den Entschädigungsanspruch anzuwenden (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 484.). Hingegen umfasst § 199 Abs. 2 BGB nicht das Rechtsgut Eigentum, sodass eine entsprechende Anwendung dieser Regelung nicht in Betracht kommt. Praktisch relevant ist aufgrund der verkürzten Verjährung nun, dass die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung hemmt. Insofern sind die zum Amtshaftungsrecht entwickelten Grundsätze auf die Verjährung des enteignungsgleichen Eingriffs zu übertragen (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 491.).
Die Anwendung der zivilrechtlichen Verjährungsregelung ist allerdings nicht völlig unumstritten. Das beruht zum einen darauf, dass der Gesetzgeber bei der Neukonzeption des Verjährungsrechts bewusst öffentlich-rechtliche Ansprüche außen vor gelassen hat (Heselhaus, DVBl. 2004, 411.). Zum anderen werden Wertungswidersprüche innerhalb der Verjährungsregelungen ausgemacht, die eine entsprechende Anwendung auf öffentlich-rechtliche Ansprüche ausschließen müsse (Heselhaus, DVBl. 2004, 411, 414 ff.). Nach einer allerdings vereinzelt gebliebenen Ansicht in der Literatur soll deshalb § 54 BGSG (Nunmehr § 54 BPolG.) analog angewendet werden, wonach eine Verjährung innerhalb einer Frist von drei Jahren erst ab positiver Kenntnis eintritt, in allen anderen Fällen aber erst nach 30 Jahren (Heselhaus, DVBl. 2004, 411, 417.).
In Bayern ist Art. 71 Abs. 1 BayAGBGB zu beachten, wonach Entschädigungsansprüche aus Enteignung, enteignungsgleichem Eingriff und Aufopferung unter bestimmten Voraussetzungen nach drei Jahren erlöschen. Anders als bei der Verjährung wird der Anspruch dadurch beseitigt. Deshalb muss Art. 71 BayAGBGB im Prozess von Amts wegen beachtet werden, auch wenn der Schuldner keine Einrede erhebt. Fraglich ist diesbezüglich, ob der Landesgesetzgeber die Kompetenz zur Regelung dieser an sich dem Bundesrecht zuzuordnenden Frage hat. Die Rechtsprechung bejaht allerdings eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf den Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff (BGH NJW 1979, 2303, 2304; BGHZ 118, 253, 263; vgl. auch Sprau, Art. 71 AGBGB, Rdn. 18, m. w. N.).
Der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zielt – anders als der Amtshaftungsanspruch – nicht auf Schadensersatz, sondern auf Entschädigung (Bamberger/Roth-Reinert, § 839 BGB, Rdn. 124; Palandt-Bassenge, vor § 903 BGB, Rdn. 13.).
Der Schadensersatz soll die Vermögenslage wiederherstellen, die bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Er erfasst damit auch Vermögenseinbußen, die bei einer hypothetischen Betrachtung eingetreten wären. Die Entschädigung ist demgegenüber nicht darauf gerichtet, den Eingriff ungeschehen zu machen; sie ist daher an dem Verkehrswert der entzogenen Substanz und nicht an der hypothetischen Vermögensentwicklung auszurichten (BGH NJW 1975, 1966, 1967.). Damit ist die Entschädigung nach Umfang und Höhe durch den Wert des betroffenen Objekts vorgegeben (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 320.). Der entgangene Gewinn ist grundsätzlich nicht erstattungsfähig (BGH NJW 1997, 3432, 3434.). In der Praxis hat sich der Unterschied zwischen Schadensersatz und Entschädigung jedoch weitgehend eingeebnet (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 320.).
Die Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff dient in erster Linie dem Ausgleich des „Substanzverlusts“ durch Erstattung des eingebüßten Substanzwerts. Bei Eingriffen in das Grundeigentum, die zu einer Substanzverletzung (z. B. Beeinträchtigung der Standfestigkeit eines Gebäudes) führen, kann der merkantile Minderwert entsprechend den im Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätzen in Ansatz gebracht werden (BGH NJW 1981, 1663.). Führt der Eingriff in das Grundeigentum zu einem Nutzungsausfall, etwa durch eine rechtswidrige Verzögerung der Eintragung von Auflassungsvormerkungen im Grundbauch, so wird die Entschädigung als sog. „Bodenrente“ gewährt (BGHZ 30, 338, 351; BGH NJW 1980, 1567, 1571; BGHZ 136, 182, 186; BGH NVwZ 2002, 124, 125; BGH NJW 2007, 830; BGH NJW 2010, 681.).
Bei Eingriffen in den Gewerbebetrieb wird die Ertragsfähigkeit des Unternehmens als Substanzelement gedeutet (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 320.). Ertragsverluste aufgrund eines Eingriffs wurden deshalb von der Rechtsprechung als entschädigungsfähige Substanzminderung anerkannt (BGH NJW 1972, 1574, 1575; BGH NJW 1977, 1817.). Unverkennbar ist hier die Tendenz, statt Entschädigung Schadensersatz zu gewähren, weil der entgangene Ertrag typischerweise Bestandteil des Schadensersatzanspruchs ist.
Da auf die Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff die Grundsätze über die Enteignungsentschädigung anzuwenden sind, (Maurer, § 27, Rdn. 100; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 478.) ist dem Betroffenen neben der Entschädigung für den Substanzverlust auch ein Ausgleich für weitere Vermögensnachteile zu gewähren, die er durch den Eingriff unmittelbar erlitten hat. Dies gilt allerdings nur, wenn und soweit solche Nachteile nicht bereits bei der Bemessung der Entschädigung für den Substanzverlust berücksichtigt worden sind. Ersatzfähige unmittelbare Folgeschäden (vgl. hierzu Palandt-Bassenge, Überbl. v. § 903 BGB, Rdn. 24 m. w. N.) sind beispielsweise notwendige Kosten für Rechtsberatung sowie für Privatgutachten, Umzugskosten oder Kosten für eine Betriebsverlegung. Nicht ersatzfähig sind demgegenüber sog. „mittelbare Folgeschäden“ wie die Kosten für die Beschaffung eines Ersatzobjekts und hierfür anfallende Makler-, Notar- und Neubaukosten ( Palandt-Bassenge a. a. O. ).
Bei der Bemessung der Entschädigung finden im Übrigen die Grundsätze über die Vorteilsausgleichung Anwendung (BGHZ 54, 10, 14; vgl. zur Vorteilsausgleichung bei Entschädigung auch Palandt-Bassenge, Überbl. v. § 903 BGB, Rdn. 27).
Der Anspruch ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht gegen den eingreifenden, sondern gegen den unmittelbar durch den Eingriff begünstigten Verwaltungsträger zu richten (BGHZ 76, 387, 396). Lässt sich eine Begünstigung nicht feststellen, so ist diejenige Körperschaft in Anspruch zu nehmen, deren Aufgabenbereich der Eingriff zuzurechnen ist (BGHZ 76, 387, 397; BGHZ 134, 316, 321; kritisch zu dieser Rechtsprechung Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 318 und Maurer, § 27, Rdn. 101: Systemgerecht wäre es, nur den eingreifenden Verwaltungsträger in Anspruch zu nehmen.). Bei Verkehrsimmissionen ist dies etwa der Träger der Straßenbaulast (BGH NJW 1980, 582.). Ist der Eingriff kausal auf das Verhalten mehrerer Hoheitsträger zurückzuführen, so haften die Behörden gesamtschuldnerisch (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 481.).
Die meisten Polizei- und Ordnungsgesetze der Bundesländer enthalten Bestimmungen über die Entschädigung Betroffener bei rechtswidrigen Maßnahmen (S. z.B. BGH, Urteil vom 16. April 2015 – III ZR 204/13 –, juris.). Diese polizei- und ordnungsrechtliche Rechtswidrigkeitshaftung ist eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Anspruchs auf Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff und verdrängt diesen als lex specialis (Maurer, § 27, Rdn. 103; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 322).
Der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff wird ferner durch das StHG-DDR verdrängt (vgl. Krohn, S. 92.).
Ebenfalls abschließend sind die Ansprüche nach §§ 74, 75, 76 VwVfG; (OLG Frankfurt, Urteil vom 20. November 2014 – 1 U 6/12 –, juris.) nur dann, wenn die im Planfeststellungsverfahren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dem berechtigten Interesse des durch das Vorhaben betroffenen Anliegers ausnahmsweise nicht ausreichend Rechnung tragen können, weil sie die Besonderheiten des Einzelfalls nicht erfassen, kommen Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht (BGH, Urteil vom 23. April 2015 – III ZR 397/13 –, juris.).
Nach der Rechtsprechung gehören dagegen der Amtshaftungsanspruch und der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff zu verschieden gelagerten Rechtskreisen und stehen deshalb weder im Verhältnis der Spezialität noch der Subsidiarität zueinander; beide Ansprüche können deshalb selbständig nebeneinander geltend gemacht werden (BGHZ 13, 88, 94 ff.; BGH NJW 2007, 830, 833.).
Im Amtshaftungsprozess muss das Gericht von Amts wegen prüfen, ob ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff gegeben ist, auch wenn der Kläger seinen Anspruch nur auf § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG gestützt hat (BGH NVwZ 1992, 1119, 1121; BGHZ 136, 182, 184; BGH NJW 2007, 830.).
Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff kann im Einzelfall erheblich einfacher durchzusetzen sein als ein Amtshaftungsanspruch:
Andererseits gewährt der Amtshaftungsanspruch vollen Schadensersatz, während der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff nur auf Entschädigung geht.
Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff können neben Ansprüchen aus dem Strafrechtsentschädigungsgesetz geltend gemacht werden (OLG München, Urteil vom 27. November 2014 – 1 U 781/13 –, juris.). Gleiches gilt für Ansprüche nach § 8a Abs. 5 FStrG (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17. April 2014 – 6 U 33/13 –, juris.).
Überblick
2. Hoheitlicher Eingriff und Sonderopfer
3. Unmittelbare Beeinträchtigung
5. Vorrang des Primärrechtsschutzes
IV. Verhältnis zur Amtshaftung, Konkurrenzen
In den Schutzbereich des Art. 2 GG fallen die Rechtsgüter Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (im Sinne der körperlichen Bewegungsfreiheit). Diese nichtvermögenswerten Rechte werden vom allgemeinen Aufopferungsanspruch erfasst (BGHZ 65, 196, 206; nicht zum Anwendungsbereich des allgemeinen Aufopferungsanspruchs gehört im Übrigen die Berufsfreiheit, BGH NJW 1994, 2229, 2230; BVerfG NVwZ 1998, 271, 272). Umstritten ist, ob auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt ist (bejahend Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 138 und Maurer, § 28, Rdn. 3; a. A. MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 58.). Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung den Anspruch aus aufopferungsgleichem Eingriff bislang nicht auf Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgedehnt (vgl. dazu Maurer, § 28, Rdn. 3.).
Erfasst werden grundsätzlich nur solche hoheitlichen Maßnahmen, die aktiv in die geschützten Rechtspositionen eingreifen. Ein bloßes rechtswidriges Unterlassen des Hoheitsträgers reicht nicht aus (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 58.). Die Rechtsfigur des „qualifizierten Unterlassens“ findet aber entsprechende Anwendung.
Des Weiteren setzt der Tatbestand voraus, dass die Maßnahme dem Allgemeinwohl zu dienen bestimmt war. Ob dieses Ziel tatsächlich erreicht wurde, ist unmaßgeblich (BGH NJW 1970, 1230).
Nicht erforderlich ist, dass die Maßnahme zielgerichtet war (Maurer, §.28, Rdn. 9).
Weitere Anspruchsvoraussetzung ist ein Sonderopfer des Betroffenen. Ein Sonderopfer liegt vor, wenn der Betroffene im Vergleich zu anderen ungleich stärker belastet wird, wenn er also eine den anderen nicht zugemutete, die allgemeine Opfergrenze überschreitende Belastung hinnehmen muss (Zum Sonderopfer ausführlich Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 141 ff.; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 503 ff.). Beim aufopferungsgleichen Eingriff resultiert das Sonderopfer aber bereits aus der Rechtswidrigkeit (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 142.).
Die hoheitliche Maßnahme muss zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts geführt haben, ohne dass sich eine als wesentlich anzusehende Zwischenursache ausgewirkt hat. Es reicht jedoch aus, wenn durch die hoheitliche Maßnahme eine besondere Gefahrenlage entstanden ist und diese zu einer Schädigung geführt hat. Schädigt sich der spätere Anspruchsteller selbst, so kommt es darauf an, ob er unter behördlichem Zwang oder aufgrund freiwilligen Entschlusses gehandelt hat (vgl. Maurer, § 28, Rdn. 10 f.). Wenn etwa die Behörde eine Empfehlung ausgesprochen hat, deren Befolgung zu einer Schädigung führt, soll aufgrund eines aus der Empfehlung resultierenden „psychologischen Abforderns“ die Unmittelbarkeit des Eingriffs gegeben sein (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 140; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 503).
Der Aufopferungsanspruch setzt kein Verschulden voraus. Sollte der Eingriff auch schuldhaft erfolgt sein, so schließt das den Aufopferungsanspruch aber nicht aus.
Ist der Eingriff rechtswidrig, so ist die Subsidiarität des auf Entschädigung gerichteten Sekundäranspruchs gegenüber dem Primärrechtsschutz zu beachten. Werden keine Rechtsmittel eingelegt, so sind nur solche Schäden ersatzfähig, die auch bei rechtzeitiger Inanspruchnahme zumutbarer Rechtsschutzmöglichkeiten nicht zu vermeiden gewesen wären.
Der Anspruch verjährt gemäß § 195 BGB in 3 Jahren (Palandt-Heinrichs, § 195 BGB, Rdn. 20; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 512; Jauernig, § 195 BGB, Rdn. 3; a. A. Mansel, NJW 2002, 89, 90 f.). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. § 199 Abs. 2 BGB, der die Höchstfrist von zehn Jahren regelt, ist aufgrund der Ähnlichkeit von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen entsprechend auf den allgemeinen Aufopferungsanspruch anwendbar.
In Bayern ist Art. 71 Abs. 1 BayAGBGB zu beachten, nach dem Entschädigungsansprüche wegen Aufopferung unter bestimmten Voraussetzungen nach drei Jahren erlöschen (d.h. nicht verjähren) ( Sprau, Art. 71 AGBGB, Rdn. 18).
Beim Anspruch aus aufopferungsgleichem Eingriff handelt es sich, wie beim Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, um einen Entschädigungs- und nicht um einen Schadensersatzanspruch. Damit sind die §§ 249 ff. BGB allenfalls mit großer Zurückhaltung analog anzuwenden. Die Höhe der Entschädigung kann deshalb hinter dem vollen Schadensersatz zurückbleiben. Für die Bemessung der Entschädigungshöhe ist lediglich der aufgrund des Eingriffs eingetretene Vermögensschaden relevant (Maurer, § 28, Rdn. 15 f.).
Ein Mitverschulden ist zu berücksichtigen (BGHZ 45, 290, 294 ff.; vgl. auch Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 149.).
Auch Schmerzensgeld kann gewährt werden. Der BGH hat nämlich mit Urteil vom 07.09.2017 (Az. III ZR 71/17) entschieden, dass der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen eines hoheitlichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit nicht auf den Ersatz materieller Schäden begrenzt ist, sondern auch nichtvermögensrechtliche Nachteile des Betroffenen umfasst. Zugleich hat der BGH damit die gegenteilige frühere Senatsrechtsprechung (Urteil vom 13. Februar 1956 - III ZR 175/54) aufgegeben; auch die gegenteilige Instanzrechtsprechung ist damit obsolet (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 26.01.2017 - 1 U 31/15).
Der Anspruch ist gegenüber dem Hoheitsträger geltend zu machen, dem die aus dem Eingriff resultierenden Vorteile zukommen oder dessen Aufgaben wahrgenommen wurden (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 146).
Aufgrund der zahlreichen vorrangigen spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlagen hat der Anspruch aus aufopferungsgleichem Eingriff vergleichsweise geringe Bedeutung. So gehen etwa die §§ 56 ff. IfSG dem allgemeinen Aufopferungsanspruch vor. Die hiervon erfassten Impfschadensfälle bildeten vor der gesetzlichen Normierung von Entschädigungsansprüchen einen der wichtigsten Fälle des Anspruchs aus aufopferungsgleichem Eingriff.
Daneben sind die Vorschriften über die Entschädigung bei polizei- bzw. sicherheitsrechtlichem Notstand (vgl. § 39 Abs. 1 lit. a OBG NRW, § 67 PolG NRW, Art. 70 BayPAG; vgl. exemplarisch zu §§ 39 bis 43 OBG NRW Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 648 ff.) als abschließende Sonderregelungen zu beachten. Bei zu Unrecht erlittener Strafhaft finden die §§ 1 ff. StrEG Anwendung (Näher hierzu Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 508.).
Der Anspruch aus aufopferungsgleichem Eingriff kann selbständig neben dem Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden (Maurer, § 28, Rdn. 7.). Das Verhältnis zur Amtshaftung entspricht dem Verhältnis des Anspruchs aus enteignungsgleichem Eingriff zu § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG.