Schadensersatzansprüche


Amtshaftungsanspruch

 

Der Amtshaftungsanspruch als prominentester Schadensersatzanspruch ist im

Hauptabschnitt Amtshaftungsrecht abgehandelt.

 


Weitere Schadensersatzansprüche



Spezielle Schadensersatzansprüche können sich gegen die öffentliche Hand in Vergabeverfahren ergeben. Mehr zur Schadensersatzhaftung-in-Vergabeverfahren.

Ein weiterer spezialgesetzlich in § 839a BGB geregelter Haftungstatbestand betrifft die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen.

Die Haftung der öffentlichen Hand wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ist in diesem Abschnitt dargestellt.

 



A. Schadensersatzansprüche aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen

Übersicht

I. Allgemeines

II. Einzelne verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse

 

I. Allgemeines 
1. Begriff

Bei schuldhafter Verletzung von Pflichten aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis steht dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch zu.

 

Diese Haftung auf der Grundlage eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses wurde von der Rechtsprechung aus dem praktischen Bedürfnis heraus entwickelt, dass für besondere und enge Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Verwaltung auch eine gesteigerte Haftung des Staates gelten muss. Letztlich wurde durch Richterrecht eine zusätzliche Haftungsgrundlage geschaffen, die die allgemeine Amtshaftung ergänzt und einige verbleibende Haftungslücken schließt.

 

Unter verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen werden öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen zwischen der Verwaltung und dem Bürger verstanden, die nach Struktur und Gegenstand den bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnissen vergleichbar sind (Maurer, § 29, Rdn. 2; BGH NJW 2006, 1121; BGH NVwZ 2006, 963.). Zu den verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen zählen der verwaltungsrechtliche Vertrag (§§ 54 ff. VwVfG), die öffentlich-rechtliche Verwahrung, die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag, Anstalts- und Benutzungsverhältnisse im Bereich der Daseinsvorsorge und das Subventionsverhältnis (vgl. OVG Lüneburg NJW 1977, 773; Maurer, § 29, Rdn. 2 f.; Wolff/Bachof/Stober, § 55, Rdn. 9.). Zweifelhaft ist, ob personenbezogene Rechtsverhältnisse, wie insbesondere das Beamten-, Schul- oder Strafgefangenenverhältnis den verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen zuzurechnen sind (vgl. Maurer, § 29, Rdn. 3.). 

2. Entsprechende Anwendbarkeit bürgerlich-rechtlicher Vorschriften und Grundsätze 

Auf das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis, insbesondere auf öffentlich-rechtliche Verträge, finden die Regelungen des Schuldrechts über die Haftung bei Leistungsstörungen entsprechende Anwendung. Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (Dazu mit Bezug auf das Öffentliche Recht Geis, NVwZ 2002, 385ff.) ist § 280 BGB die zentrale Norm des neuen Leistungsstörungsrechts (Vgl. Palandt-Heinrichs, § 280 BGB, Rdn. 10 f.). Im Fall anfänglicher Unmöglichkeit kommt daneben § 311a Abs. 2 BGB zum Zuge.

 

Grundsätzlich sind auch die Verzugsvorschriften des bürgerlichen Rechts anwendbar (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 436 f.). Jedoch ist § 286 BGB nur mit Vorsicht anzuwenden, da diese Vorschrift auf öffentlich-rechtliche Leistungs- und Fürsorgepflichten nicht immer passt (Vgl. Palandt-Heinrichs, § 286 BGB, Rdn. 8 f.). Nach der Rechtsprechung findet § 288 BGB (Verzugszinsen) nur auf öffentlich-rechtliche Verträge i. S. d. §§ 54 ff. VwVfG, nicht aber auf die sonstigen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse Anwendung (vgl. BVerwG DÖV 1989, 640; BVerwGE 48, 133, 136 f.). Demgegenüber ist ein Anspruch auf Prozesszinsen anerkannt (BVerwG NVwZ 1986, 554; vgl. zum Zinsanspruch auch Wolff/Bachof/Stober, § 55, Rdn. 149 f. m. w. N.).

 

Die Grundsätze der culpa in contrahendo gem. § 311 Abs. 2 i.V.m. § 241 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB sind nach der Rechtsprechung auf alle Verhandlungen anwendbar, die zum Abschluss einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung führen können (BVerwG, DÖV 1974, 133, 134; BGHZ 71, 386, 392; BGHZ 76, 343, 348; BGH NVwZ-RR 2004, 804; Palandt-Grüneberg, § 311 BGB, Rdn. 12.). Klassische Anwendungsfälle der c. i. c. bei verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen sind enttäuschtes Vertrauen bei grundlosem Abbruch von Vertragsverhandlungen durch den Hoheitsträger, Verletzung von Informations-, Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Umstände, die für den Vertragspartner erkennbar von Bedeutung sind, sowie das Nichtzustandekommen eines wirksamen Vertrages durch Mängel in der Vertretung auf Seiten des Hoheitsträgers ( Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 438 m. w. N.). Ein Planungsträger kann aber auf Grund seines Planungsermessens grundsätzlich (auch ohne Vorliegen eines triftigen Grundes) eine Planungskonzeption ändern und ein eingeleitetes (vorhabenbezogenes) Planaufstellungsverfahren nicht mehr weiter verfolgen; nur unter ganz engen Voraussetzungen hat dann ein Investor Anspruch auf Ersatz seiner im Vertrauen auf das Zustandekommen der Planung gemachten (vergeblichen) Aufwendungen (BGH NVwZ 2006, 1207.).

 

Aufgrund der Anfügung des § 253 Abs. 2 BGB durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften kann nunmehr auch Schmerzensgeld im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses verlangt werden (Vgl. auch Dötsch, NVwZ 2003, 185.).

 

3. Verschulden und Haftungsbeschränkungen

 Der Hoheitsträger hat im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses Vorsatz und Fahrlässigkeit seiner Organe zu vertreten (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 440.). In entsprechender Anwendung von § 278 BGB muss er darüber hinaus auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einstehen. Hierzu gehören auch private Unternehmer, die der Staat zur Erfüllung seiner Pflichten heranzieht (BGHZ 61, 7; BGH NJW 2007, 1061.).

 

Bei verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen sind Haftungsbeschränkungen grundsätzlich zulässig. Bei Schuldverhältnissen, die auf vertraglicher Vereinbarung beruhen (also insbesondere beim öffentlich-rechtlichen Vertrag), kann die Haftung entsprechend § 276 Abs. 3 BGB individualvertraglich auf Vorsatz beschränkt werden (vgl. Maurer, § 29, Rdn. 7). Bei verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen, die nicht auf Vertrag beruhen, sondern durch Verwaltungsakt oder durch bloße Benutzung zustande kommen (wie etwa Benutzungsverhältnisse bei Einrichtungen der Daseinsvorsorge) stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine Haftungsbeschränkung durch Satzung zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine satzungsrechtliche Haftungsbeschränkung für leichte Fahrlässigkeit nur zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist und den Grundsätzen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit entspricht; (BGHZ 61, 7, 12 f.) solche Ausnahmevorschriften sind aber eng auszulegen (BGH DVBl. 2007, 1238.). Als Orientierungshilfe für die Zulässigkeit einzelner Klauseln werden von der Literatur die Vorschriften zur Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB (insbesondere § 309 Nr. 7b BGB) herangezogen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 442; Maurer, § 29, Rdn. 7).

 

Hierbei ist im Übrigen zu beachten, dass Haftungsausschlüsse ausschließlich die schuldrechtliche, nicht aber die auf anderen Vorschriften beruhende Haftung erfassen. Dies gilt insbesondere für den Amtshaftungsanspruch: Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Amtshaftung nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG durch Satzung nicht wirksam ausgeschlossen werden. Haftungsausschlüsse sind insoweit nur durch Gesetz oder aufgrund einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung des Satzungsgebers möglich. Eine unbestimmte allgemeine Satzungsermächtigung in der Gemeindeordnung reicht nicht aus (BGHZ 61, 7, 14; BGH NJW 1984, 615, 617; BGH, DVBl. 2007, 1238; anders allerdings BayVGH BayVBl. 1985, 408.).

 

Ein Verschulden der für eine Behörde handelnden Beschäftigten ist aber regelmäßig zu verneinen, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht ihr Verhalten als objektiv rechtmäßig gewertet hat. Im Beamtenverhältnis und bei Ansprüchen aus Fürsorgepflichtverletzung oder Verletzung des besonderen schuldrechtsähnlichen Rechtsverhältnisses zwischen Beamten und Dienstherrn entfällt das Verschulden wegen kollegialgerichtlicher Billigung des Verwaltungsverhaltens als rechtmäßig in gleicher Weise wie bei Amtspflichtverletzungen. Die Würdigung eines behördlichen Verhaltens als schuldhaft oder nicht schuldhaft kann mit Blick auf eine Haftung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich nicht nach anderen Maßstäben erfolgen als bei der Amtshaftung. Denn der Verschuldenstatbestand ist in beiden Fällen der gleiche (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 6 A 1040/12 –, juris.). Das müsste in gleicher Weise für sämtliche verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse gelten.

 

4. Verhältnis zum Amtshaftungsanspruch

Schadensersatzansprüche aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis können neben dem Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden (BGH DVBl. 2007, 1238; Maurer, § 29, Rdn. 8; Wolff/Bachof/­Stober, § 55, Rdn. 151.). Die Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag konkurrieren mit dem Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG; sie stellen keine anderweitige Ersatzmöglichkeit i. S. v. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dar, da sie dem deliktischen Anspruch aus § 839 BGB nicht gleichartig sind (vgl. BGH NJW 1974, 1816; BGH NJW 1975, 207, 209 ff.).

 

Gegenüber dem Amtshaftungsanspruch weist die „quasivertragliche Haftung“ des Staates insbesondere die folgenden Unterschiede auf: 

  1. Beweisführung: Ein Verschuldensnachweis muss nicht erbracht werden, vgl. §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 283 Satz 2 i. V. m. 280 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs. 4, 311a Abs. 2 Satz 2 BGB;
  2. Zurechnung: Wegen § 278 BGB findet eine umfassende Zurechnung statt, eine Begrenzung wie im Amtshaftungsrecht besteht nicht;
  3. Mitverschulden: Statt der schärferen Regelung des § 839 Abs. 3 BGB richtet sich das Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB; allerdings haftet der Geschädigte anders als beim Amtshaftungsanspruch auch für das Mitverschulden von gesetzlichen Vertretern und Erfüllungsgehilfen; (Palandt-Heinrichs, § 280 BGB, Rdn. 10.)
  4. Haftungseinschränkung und Haftungsausschluss: Keine Verweisung des Geschädigten auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht anwendbar. Anderseits kann jedoch die Haftung für leichte Fahrlässigkeit – anders als bei Amtshaftung – durch Satzung beschränkt werden.
  5. Art des Schadensersatzes: Anders als bei § 839 BGB ist der Schadensersatz nicht auf Geld beschränkt, sondern kann auch in natura geleistet werden (§ 249 BGB).

 

II. Einzelne verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse

Übersicht

1. Öffentlich-rechtlicher Vertrag

2. Öffentlich-rechtliche Verwahrung

3. Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag

4. Öffentlich-rechtliche Benutzungs- und Leistungsverhältnisse

5. Beamtenverhältnis

 

1. Öffentlich-rechtlicher Vertrag

Bei der Verletzung von Pflichten aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. §§ 54 ff. VwVfG) ist die entsprechende Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die Leistungsstörungen, insbesondere der §§ 275, 276, 280 bis 288, 311a, 323 bis 326 BGB sowie von § 311 Abs. 2, 3 BGB (Grundsätze der culpa in contrahendo) ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben (§ 62 Satz 2 VwVfG) (OLG Frankfurt, Urteil vom 30. Juni 2014 – 1 U 253/11 –, juris. Zur Anwendung der einzelnen Vorschriften nach der Schuldrechtsreform Geis, NVwZ 2002, 385, 387 ff.). Bei gegenseitigen Verträgen (insbesondere bei subordinationsrechtlichen Austauschverträgen i. S. d. § 56 VwVfG) kann der von der Leistungsstörung betroffene Vertragspartner vom Vertrag zurücktreten und kumulativ Schadensersatz verlangen (§ 325 BGB).

 

2. Öffentlich-rechtliche Verwahrung

Die öffentlich-rechtliche Verwahrung ist als Rechtsinstitut durch § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO positivrechtlich anerkannt, aber nur in wenigen Fällen gesetzlich ausgestaltet (vgl. etwa Art. 26 BayPAG). Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis besteht, wenn eine Behörde bewegliche Sachen zur Aufbewahrung für eine Privatperson kraft öffentlichen Rechts in Besitz hat (BGH NJW 2005, 988; BGHZ 34, 349, 354.). Dieses kann durch Vertrag, durch Hoheitsakt oder durch tatsächliche Inbesitznahme (Realakt) begründet werden. Erforderlich ist dazu, dass die Behörde mit Besitzbegründungswillen handelt und den Zweck verfolgt, den bisherigen Besitzer aus dessen Obhutsstellung zu verdrängen; im Ergebnis muss der bisherige Besitzer von der Sorge für die Sache ausgeschlossen werden (OLG Frankfurt, Urt. v. 07.07.2011, Az. 1 U 260/10.).

 

Beispiele für die öffentlich-rechtliche Verwahrung sind die Verwahrung von Beweisgegenständen nach ihrer Beschlagnahme gem. §§ 94 ff. StPO durch Polizei oder Staatsanwaltschaft (OLG Schleswig, Urteil vom 21.12.2017 - 11 U 68/17), die Verwahrung von Gegenständen aufgrund polizeirechtlicher Sicherstellung oder die vorläufige Sicherstellung im Rahmen eines Gewerbeuntersagungs- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrens (Brandenburgisches OLG, Urt. v. 25.05.2010, Az. 2 U 3/09.).

 

Teilweise sehen gesetzliche Vorschriften ausdrücklich Pflichten der verwahrenden Stelle vor (wie z. B. Art. 26 Abs. 3 Satz 1 BayPAG, der die Polizei verpflichtet, einer Wertminderung sichergestellter Gegenstände vorzubeugen). Wenn solche Regelungen fehlen, ergeben sich die Pflichten der verwahrenden Stelle aus der entsprechenden Anwendung der §§ 688 ff. BGB. Der verwahrende Hoheitsträger ist verpflichtet, die in Obhut genommenen Sachen vor Zerstörung, Beschädigung und Verlust zu bewahren (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. Dezember 2014 – 2 U 30/14 –, juris; Thüringer OLG Urt. v. 31.05.2011, Az. 4 U 1012/11.). Allerdings müssen hierbei stets Sinn und Zweck der Verwahrungsmaßnahme berücksichtigt werden. So ist etwa das Haftungsprivileg des § 690 BGB bei unentgeltlicher Verwahrung grundsätzlich unanwendbar. Das gilt insbesondere, wenn ein Hoheitsträger die Sache im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Eigentümers in Verwahrung genommen hat (vgl. BGHZ 4, 192; vgl. aber auch BayVGH NVwZ 1998, 421, 422.). Bei Beschlagnahme des Gegenstandes scheidet naturgemäß ein jederzeitiges Rückforderungsrecht des Bürgers nach § 695 BGB aus. Das aufgrund einer Beschlagnahme im Strafverfahren entstandene öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden auch nicht, beschlagnahmte Gegenstände dem jeweiligen Eigentümer zurückzubringen. Dies gilt auch dann, wenn der Eigentümer nicht Beschuldigter des Strafverfahrens ist (OLG Schleswig, Urteil vom 21.12.2017 - 11 U 68/17).

 

3. Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag

Eine öffentlich-rechtliche GoA liegt vor, wenn eine öffentlich-recht­liche Rechtsbeziehung die Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen GoA (Geschäftsführung für einen anderen ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung) aufweist (vgl. Maurer, § 29, Rdn. 11.). Auf die öffentlich-rechtliche GoA werden die §§ 677 ff. BGB entsprechend angewandt (BGH NVwZ 2004, 764; BGH NJW 2004, 513; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 409). Anwendungsbereich und Zulässigkeit der öffentlich-recht­l­ichen GoA sind allerdings nicht abschließend geklärt und im Einzelnen umstritten (Schoch, Jura 1994, 241; Kischel, VerwArch. 90 (1999), 391ff.; weiterführend Maurer, § 29, Rdn. 10 ff.; Ossenbühl/Cornils (Staatshaf­tungs­recht), S. 409 ff.; Wolff/Bachof/Stober, § 55, Rdn. 14 ff.).

 

Handelt es sich um eine Geschäftsbesorgung des Hoheitsträgers, so haftet dieser für Verletzungen der sich aus der GoA ergebenden Hauptpflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Die Pflich­ten des Geschäftsführers bestimmen sich entsprechend § 677 BGB nach dem Interesse des Geschäftsherrn, wobei dessen wirklicher oder mutmaßlicher Wille zu berücksichtigen ist. Deshalb besteht regelmäßig die Pflicht, im Rahmen der Geschäftsbesorgung Rechtsgüter des Geschäftsherrn nicht zu schädigen. Ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausführung führt zu einem Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung (gem. § 280 BGB) der öffentlich-rechtlichen GoA (vgl. Palandt-Sprau, § 677 BGB, Rdn. 15.).

 

4. Öffentlich-rechtliche Benutzungs- und Leistungsverhältnisse

Öffentlich-rechtliche Benutzungs- und Leistungsverhältnisse im Bereich der Daseinsvorsorge sind nach Struktur und Gegenstand bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnissen besonders ähnlich. Ein Schadensersatzanspruch setzt zum einen voraus, dass es sich um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis handelt, und zum anderen, dass die verletzte Pflicht eine sich aus dem Benutzungsverhältnis ergebende Hauptpflicht zur Leistung oder Fürsorge ist.

 

Die Benutzung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge kann öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet werden. Der Leistungsverwaltung ist insoweit grundsätzlich eine Wahlfreiheit eingeräumt. Maßgeblich für die rechtliche Zuordnung ist der Wille des zuständigen Verwaltungsträgers. Dieser ist aus den jeweiligen Umständen zu ermitteln. Ein wichtiges Indiz ist die rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses: Wird die Benutzung durch Satzung geregelt, so spricht dies für ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis. Die Regelung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen spricht dagegen für ein privatrechtliches Rechts­verhältnis. Weitere Indizien sind die konkreten Handlungsformen innerhalb des Rechtsverhältnisses: Eine Festsetzung des Leistungsentgelts durch Verwaltungsakt (mit Rechtsbehelfsbelehrung) oder die Bezeichnung des Entgelts als „Gebühr“ sprechen für eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung. Erfolgt eine Zahlungsaufforderung dagegen durch „Rech­nung“, so spricht dies für ein privatrechtliches Rechtsverhältnis. Regelt etwa eine Gemeinde die Nutzung ihres Schwimmbades durch eine „Badeordnung“, erhebt Verwaltungsgebühren von den Benutzern und sieht Zwangsmaßnahmen bei Verstößen gegen die Badeordnung vor, so liegt ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis vor (OLG Koblenz, NJW-RR 2001, 318.). Ein öffentlich-recht­liches Benutzungsverhältnis liegt im Übrigen stets vor, wenn der Bürger kraft gemeindlicher Satzung einem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegt, etwa an die kommunale Wasserversorgung, die Kanalisation, Müllabfuhr oder Straßenreinigung.

 

Bei der verletzten Pflicht muss es sich um eine dem Benutzungs- oder Leistungsverhältnis immanente Hauptpflicht zur Fürsorge oder zur Leistung handeln. Bei der Lieferung von Leitungswasser durch die Gemeinde an einen Lebensmittel erzeugenden Gewerbebetrieb besteht beispielsweise die Hauptleistungspflicht zur Lieferung einwandfreien Trinkwassers (vgl. BGHZ 59, 303). Beim Anschluss eines Haushalts an die Kanalisation ergibt sich für die Gemeinde die Hauptleistungspflicht zur ordentlichen Verlegung der Anschlussleitung, sodass Überschwemmungsschäden durch einen Rückstau verhindert werden (vgl. BGHZ 54, 299).

 

5. Beamtenverhältnis

Die Schadensersatzansprüche aus dem Beamtenverhältnis sind in diesem Abschnitt dargestellt.

 

 

B. Allgemeines Deliktsrecht und verschuldensabhängige Haftung nach dem StVG

 

Die Haftung des Staates für das deliktische Verhalten eines Amtsträgers bei Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben ist in § 839 BGB abschließend geregelt. Die allgemeinen Deliktstatbestände der § 823 BGB (BGH NJW 1996, 3208, 3209: ausnahmsweise ist § 823 BGB jedoch anwendbar, wenn das betreffende Verhalten des Beamten sich zugleich als unerlaubte Handlung innerhalb des bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreises des öffentlichen Dienstherrn darstellt), § 826 BGB (BGHZ 3, 94, 101) sowie der §§ 831 und 832 BGB (BGHZ 3, 301; BGHZ 13, 25) sind neben § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG nicht anwendbar.

Ebenso wird § 18 StVG von § 839 BGB verdrängt (BGH NJW 1992, 2882, 2884; BGH NJW 1993, 1258, 1259).

C. Gefährdungshaftung

 

Gefährdungshaftung und Amtshaftung können nebeneinander geltend gemacht werden. Da bei der Gefährdungshaftung teilweise gesetzliche Höchstbeträge für die Ersatzpflicht vorgesehen sind (z. B. § 12 StVG, §§ 9, 10 HaftpflG) und z.B. nach §§ 96 ff. WHG kein Schmerzensgeld vorgesehen ist, reicht der Amtshaftungsanspruch in manchen Fällen weiter.

 

Die Gefährdungshaftung ist eine verschuldensunabhängige Haftung für Schädigungen, die aus typischen Gefahrensituationen resultieren. Im Öffentlichen Recht greift eine Gefährdungshaftung nur dann ein, wenn ein gesetzlicher Haftungstatbestand erfüllt ist. Eine allgemeine Öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung gibt es nicht. Die spezialgesetzlich geregelte Gefährdungshaftung trifft jeden Inhaber gefährlicher Sachen bzw. jeden Betreiber gefährlicher Anlagen, also auch den Staat. Die Haftung besteht im Übrigen unabhängig davon, ob die Unterhaltung der Sache oder der Betrieb der Anlage öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich erfolgt.

 

Die wichtigsten Haftungstatbestände sind:

  • § 7 StVG (Haftung des Kraftfahrzeughalters)( BGHZ 121, 161, 168BGHZ 50, 271, 273; OLG Sachsen-Anhalt NJW 2012, 1232, 1233);
  • §§ 1, 2 HaftpflG (Haftung des Bahnbetriebsunternehmers; Haftung des Inhabers einer Energieanlage; Haftung des Inhabers von Rohrleitungen (BGH BayVBl 2009, 283 zur Abwasserkanalisation; BGH BayVBl 2002, 283 bzgl. der gemeindlichen Kanalisation));
  • § 89 WHG (Haftung für die Einleitung von schädlichen Stoffen in Gewässer);
  • § 1 UmweltHG (Haftung für Umwelteinwirkungen von Anlagen);
  • §§ 114 ff. BBergG (Haftung für Bergschäden) (Müggenborg, NuR 2011, 689 ff.);
  • §§ 25 ff. AtomG (Haftung für Kernanlagen);§ 33 LuftVG (Haftung des Flugzeughalters);
  • § 833 BGB (Tierhalterhaftung);
  • § 1 ProdHaftG (Haftung für Produktfehler).

 

§ 89 WHG normiert einen Gefährdungshaftungstatbestand, der neben die Amtshaftung nach § 839 BGB tritt (OLG Hamm, Urteil vom 14.12.2018 - 11 U 10/18).

 

Die Haftung des Staates für ihm zurechenbare Zufallsschäden wegen des Einsatzes von risikoreicher Technik – teilweise in besonders gefahrgeneigter Art und Weise – ist bislang auf die gesetzlich enumerativ festgelegten Fälle beschränkt. Eine angemessene Risikoverteilung wird damit aber zwischen Staat und Bürger nicht erreicht. Erforderlich ist daher eine Fortentwicklung des Systems der Gefährdungshaftung; erste Ansätze sind dazu bereits in der Rechtsprechung des BGH erkennbar (Haack, VerwA 2005, 70 ff.).

D. Unmittelbare Staatshaftung in den neuen Bundesländern

 

I. Allgemeines

 

II. Haftungsvoraussetzungen

 

1. Eingriff in ein Rechtsgut

 

2. Schadenszufügung durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit

 

3. Rechtswidrigkeit

 

4. Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschluss

 

5. Art und Umfang des Schadensersatzes

 

6. Verjährung

 

7. Anspruchsgegner

 

III. Verhältnis zur Amtshaftung, Konkurrenzen

 

IV. Verfahrensrechtliche Fragen

 

 

I. Allgemeines

 

Im Jahre 1969 wurde in der DDR mit dem Staatshaftungsgesetz eine unmittelbare und verschuldensunabhängige Staatshaftung für schädigende Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Handelns eingeführt. Mit der Wiedervereinigung wurde das Staatshaftungsgesetz der DDR (StHG-DDR) nicht Rechtsgeschichte. Es gilt nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrags seit dem 03.10.1990 in modifizierter Form als Landesrecht in den neuen Bundesländern fort (vgl. hierzu Büchner-Uhder, NJ 1991, 153; Lühmann, NJW 1998, 3001; Herbst/Lühmann, S. 91 ff.; vgl. grundsätzlich zum StHG DDR Krohn, VersR 1991, 1085, 1091 ff.; Ossenbühl, NJW 1991, 1201; Pfab, S. 29 ff.; Soergel-Klein/Krekel, Anh zu § 839 BGB, Rn. 236 ff). Allerdings haben Brandenburg und Thüringen – die einzigen beiden Bundesländer, in denen das StHG-DDR noch gilt – mittlerweile ein wesentliches Element des StHG-DDR, das spezielle Vorverfahren nach § 6 StHG-DDR, aufgehoben. Sachsen-Anhalt hat das StHG zunächst mit Gesetz vom 24.08.1992 grundlegend geändert und in der Folge durch das Gesetz zur Regelung von Entschädigungsansprüchen im Land Sachsen-Anhalt (zuletzt in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Januar 1997) vollständig ersetzt. Das Land Berlin hat das zunächst im Ostteil der Stadt geltende StHG-DDR mittlerweile durch Gesetz ganz aufgehoben. Auch in Sachsen gilt das StHG seit dem 01.05.1998 nicht mehr. Schließlich hat auch Mecklenburg-Vorpommern das StHG durch Gesetz vom 12.03.2009 aufgehoben (GVOBl. M-V 2009, 281). Damit liegen mehrere, mittlerweile inhaltlich voneinander abweichende Landesgesetze vor. Nachfolgend wird – ausgehend von der Grundkonzeption – aber noch der Begriff des StHG-DDR verwendet.

 

Das StHG-DDR beinhaltet wegen des Verzichts auf ein Verschulden des Amtswalters eine gegenüber den herkömmlichen Haftungsinstituten (insbesondere gegenüber der Amtshaftung und dem enteignungsgleichen Eingriff) erhebliche Erweiterung des Haftungsrahmens. Das Gesetz bildet einen Fremdkörper im System des Staatshaftungsrechts, da es auf der Rechtsordnung und Rechtsdogmatik der ehemaligen DDR beruht. Trotz des erheblichen Haftungspotentials sind bislang nur verhältnismäßig wenige Entscheidungen zu dieser Anspruchsgrundlage bekannt geworden (Vgl. die Nachweise bei Maurer, § 29 Rdn. 47; zur Statistik vgl. Herbst/Lühmann, S. 160 ff). Einige der bislang entschiedenen Fälle (vgl. etwa BGHZ 127, 57 (Rechtswidriger Ausschluss eines Rechtsanwalts aus einem Rechtsanwaltskollegium der ehemaligen DDR im Jahre 1982); LG Rostock, DtZ 1995, 377 (Anspruch auf Schadensersatz wegen eines gescheiterten Fluchtversuchs)) betreffen zudem Sachverhalte aus der Zeit vor der Wiedervereinigung (vgl. hierzu die Nachweise bei Maurer, § 29, Rdn. 47; vgl. zu den sog. Altfällen auch Rädler, DtZ 1993, 296; Lühmann, NJW 1998, 3001, 3004; siehe aus dem Schrifttum der ehemaligen DDR zum StHG DDR etwa Duckwitz, NJ 1989, 145).

 

II. Haftungsvoraussetzungen

 

Der Grundhaftungstatbestand des § 1 StHG-DDR in der Fassung des Einigungsvertrages lautet: 

 

„Für Schäden, die einer natürlichen oder juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit rechtswidrig zugefügt werden, haftet das jeweilige staatliche oder kommunale Organ“.

 

 

1. Eingriff in ein Rechtsgut

 

Die Haftung nach § 1 StHG-DDR greift sowohl bei Verletzung nichtvermögensrechtlicher Rechtsgüter, insbesondere bei Schäden an Körper und Gesundheit (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 575) als auch bei Eingriffen in das Eigentum, in Forderungen und in Rechte sonstiger Art sowie bei reinen Vermögensschäden ein (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 574 f.; Krohn, Rdn. 67). Aufgrund des umfassenden Vermögensschutzes wird also nicht nur ein Eigentumsschutz, sondern auch ein „Erwerbsschutz“ gewährt (so Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 575; gegen einen Erwerbsschutz LG Potsdam LKV 2001, 182, 183; Krohn, Rdn. 72; Bergmann/Schumacher, Rdn. 1596; Herbst/Lühmann, S. 207).

 

Der schädigende Eingriff kann in einem positiven Tun in Gestalt eines Rechtsakts oder eines Realakts oder in einem Unterlassen bestehen, letzteres aber nur, so­fern­ eine Rechtspflicht zum Handeln bestanden hat.

 

Beim Erlass von Rechtsnormen ist zu unterscheiden: § 1 StHG-DDR umfasst nach überwiegender Meinung die Haftung für Rechtsetzungsakte der Exekutive, z. B. die Haftung für den Erlass rechtswidriger Verordnungen (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 92; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 584; Krohn, Rdn. 60). Eine Haftung für die Tätigkeit des Parlamentsgesetzgebers ist dagegen ausgeschlossen, da § 1 StHG-DDR nicht auf Kollektiventscheidungen anwendbar sein soll (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 583 f.; Krohn, Rdn. 61; ob Kollektiventscheidungen unter den Tatbestand des § 1 StHG fallen, hat der BGH bisher offengelassen, vgl. BGHZ 127, 57, 66; BGHZ 142, 259, 272).

 

Eine Haftung für Schäden aufgrund einer rechtswidrigen gerichtlichen Entscheidung ist nach § 1 Abs. 4 StHG-DDR ausgeschlossen.

 

Auf die Verletzung einer drittbezogenen, gerade den Schutz des Betroffenen bezweckenden Pflicht kommt es nicht an (OLG Jena OLG-NL 1999, 7, 8; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 579; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 16; a. A. OLG Brandenburg LKV 1999, 242 f.; Krohn, Rdn. 64; Maurer, § 29, Rdn. 44). Allerdings gilt der Schutzbereich der jeweils verletzten Norm als haftungsbegrenzendes Kriterium auch im Rahmen des § 1 StHG-DDR (BGHZ 127, 57, 73; BGHZ 142, 259, 271 f.; BGHZ 166, 22; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 18).

 

2. Schadenszufügung durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Tätigkeit

 

Gem. § 1 StHG-DDR bezieht sich die Haftung auf das pflichtwidrige Verhalten von „Mitarbeitern oder Beauftragten staatlicher oder kommunaler Organe“. „Mitarbeiter“ sind alle Personen, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zu der staatlichen Einrichtung stehen; auf die Dienststellung kommt es nicht an (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 581). Mit der Einführung des Berufsbeamtentums in den neuen Bundesländern sind auch die Beamten trotz Fehlens eines Arbeitsrechtsverhältnisses in den Mitarbeiterbegriff einzubeziehen (Soergel-Klein/Krekel, Anh. zu § 839 BGB, Rn. 260). „Beauftragter“ ist jeder Bürger, dem die Befugnis zur Ausübung staatlicher Tätigkeit von einer mit hoheitlicher Gewalt ausgestatteten Stelle übertragen worden ist, ohne dass er zu dem Staatsorgan oder der staatlichen Einrichtung in einem Arbeitsverhältnis steht (Krohn, Rdn. 62). Zu den „Beauftragten“ zählen vor allem ehrenamtliche Helfer, die mit den aus dem Amtshaftungsrecht bekannten „Beliehenen“ und „Verwaltungshelfern“ vergleichbar sind (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 581; Herbst/Lühmann, S. 175 f).

 

Ob auch die selbständigen Werk- und Dienstleistungsunternehmer, die der Staat zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben aufgrund privatrechtlicher Verträge zu bestimmten Leistungen heranzieht, als „Beauftragte“ anzusehen sind, ist umstritten (Krohn, Rdn. 62).

 

Insgesamt entspricht aber der Personenkreis der „Mitarbeiter und Beauftragten“ im Wesentlichen dem der „Amtsträger“ i. S. d. Amtshaftungsrechts (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 93; Krohn, Rdn. 62). Allerdings bezieht sich § 1 StHG-DDR mit der Formulierung „Mitarbeiter und Beauftragte“ nur auf Einzelpersonen als Schadensverursacher. Von der Rechtsprechung ungeklärt ist bislang die Frage, ob auch Kollektiventscheidungen wie Rats- oder Gemeinderatsbeschlüsse Ansprüche nach § 1 StHG-DDR auslösen können (ausdrücklich offengelassen in BGHZ 127, 57, 66; BGHZ 142, 259, 272. Bejahend Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 582; Herbst/Lühmann, S. 177 f.; vgl. hierzu auch MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 93).

   

„Staatliche“ Tätigkeit bedeutet hoheitliche Tätigkeit im Gegensatz zur Tätigkeit in den Formen des Privatrechts. Bei Kommunen umfasst der Begriff der „staatlichen“ Tätigkeit nicht nur die Erfüllung übertragener staatlicher Aufgaben, sondern auch die Tätigkeit in Erfüllung eigener Aufgaben im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 580).

 

3. Rechtswidrigkeit

 

Entscheidend ist nicht die Rechtswidrigkeit des hoheitlichen Handelns, sondern die Rechtswidrigkeit des eingetretenen Erfolgs (BGHZ 166, 22). Das Gesetz folgt dem Modell des Erfolgsunrechts: Die Rechtswidrigkeit ergibt sich regelmäßig aus der Verletzung des geschützten Rechtsguts, wenn nicht ausnahmsweise Rechtfertigungsgründe bestehen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 578 f.; Krohn, Rdn. 64, Soergel-Klein/Krekel, Anh. zu § 839 BGB, Rn. 266, allerdings umstritten). Im Übrigen ist die Rechtswidrigkeit jedenfalls dann zu bejahen, wenn die schadensauslösende Maßnahme rechtswidrig ist, d.h. wenn sie gegen eine Rechtsvorschrift gleich welchen Inhalts und gleich welcher Ranghöhe verstößt; (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 578; Herbst/Lühmann, S. 198) relevant ist insofern allein das Ergebnis, also etwa der Erlass eines objektiv als rechtswidrig zu beurteilenden Verwaltungsakts (BGH, UPR 2006, 188, 189).

 

Legt der Geschädigte im Prozess die Verletzung subjektiver Rechte dar und stellt er diese unter Beweis, so ist die Rechtswidrigkeit des behördlichen Verhaltens indiziert. Um die Rechtswidrigkeit zu widerlegen, muss der Hoheitsträger Rechtfertigungsgründe darlegen und beweisen (BGH, UPR 2006, 188, 189).

 

Ein Anspruch nach § 1 StHG-DDR ist im Übrigen auch dann gegeben, wenn sich der Schaden als unbeabsichtigte Nebenfolge rechtmäßigen hoheitlichen Handelns darstellt (Ossenbühl (Staatshaftungsrecht), S. 478; wohl auch Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 580). Bei einer rechtmäßigen Anwendung einer nur in bestimmten Fallbereichen rechtswidrigen Norm fehlt es hingegen an einem unmittelbaren Eingriff in eine Vermögensposition des Betroffenen durch einen Hoheitsträger (OLG Brandenburg, Urteil vom 17.04.2018 - 2 U 21/17).

 

4. Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschluss

 

Gem. § 2 StHG-DDR hat der Betroffene alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen Schaden zu verhindern oder gering zu halten. Verletzt er diese Pflicht schuldhaft, so wird die Haftung eingeschränkt oder ausgeschlossen. Zu den in Betracht kommenden „Maßnahmen“ zählen insbesondere Rechtsmittel und Rechtsbehelfe (LG Potsdam LKV 2001, 182, 184).

 

Gem. § 3 Abs. 3 StHG-DDR ist ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen, soweit ein Ersatz des Schadens auf andere Weise erlangt werden kann. Auf diese Weise soll ein mehrfacher Ersatz des Schadens vermieden werden. Anders als beim Amtshaftungsanspruch ist die Subsidiarität hier nicht vom Grad des Verschuldens abhängig (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 95). Zur Auslegung der Subsidiaritätsklausel ist die Rechtsprechung des BGH zu § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB heranzuziehen (vgl. Krohn, Rdn. 73). Danach darf der Geschädigte grundsätzlich nicht auf Ersatzmöglichkeiten verwiesen werden, die er unter Aufwendung eigener Mittel erlangt hat. Aus diesem Grund kommt insbesondere eine Verweisung des Betroffenen auf private Versicherungsleistungen nicht in Betracht (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 583; Herbst/Lühmann, S. 333 f).

 

5. Art und Umfang des Schadensersatzes

 

Der Anspruch des Geschädigten richtet sich auf Schadensersatz, nicht auf Entschädigung. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StHG-DDR ist der Schadensersatz grundsätzlich in Geld zu leisten.

 

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StHG-DDR ist der Schadensersatzpflichtige befugt, sich nach seinem Ermessen für Naturalrestitution zu entscheiden. Der Geschädigte kann hingegen grundsätzlich nur Zahlung, nicht aber Naturalrestitution verlangen. Aus diesem „Wahlrecht“ des Schädigers dürfen dem Kläger im Schadensersatzprozess jedoch keine Nachteile erwachsen. Es muss daher ausreichen, wenn der Betroffene auf Schadensersatz in Geld klagt, da er nicht vorhersehen kann, welche Art der Kompensation der Beklagte wählen wird. Diesem obliegt es, im Prozess zu erklären, ob und auf welche Weise er im Falle seines Unterliegens Na­turalrestitution gewähren will. Nur so wird gewährleistet, dass ein der Klage stattgebendes Urteil entsprechend tenoriert werden kann.

 

Der Schadensersatzanspruch richtet sich gem. § 3 Abs. 2 StHG-DDR nach den „zivilrechtlichen Vorschriften“, also nach den §§ 249 ff. BGB. Ersatzfähig sind demnach auch Rechtsanwaltskosten aus einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren (BGHZ 166, 22). Bei immateriellen Schäden findet § 253 Abs. 2 BGB Anwendung.

 

6. Verjährung

 

Der Schadensersatzanspruch verjährt gem. § 4 StHG-DDR innerhalb eines Jahres. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem der Geschädigte von dem Schaden und von dem Umstand Kenntnis erlangt, dass der Schaden von einem Mitarbeiter oder Beauftragten einer Behörde verursacht worden ist. Die Verjährungsfrist ist damit wesentlich kürzer als die dreijährige Regelverjährungsfrist bei der Amtshaftung.

 

Die Verjährung wird durch einen Antrag auf Schadensersatz nach § 4 Abs. 3 StHG-DDR unterbrochen (BGH NJW-RR 2011, 305. Dabei gilt jedoch zu beachten, dass der Antrag nicht die Verjährung eines parallelen Amtshaftungsanspruches gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG unterbricht bzw. hemmt, vgl. BGH NJ 2003, 539, 540). Eine Hemmung der Verjährung tritt hingegen in entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB dann ein, wenn der Verletzte gegen ihn belastende Akte der öffentlichen Gewalt Primärrechtsschutz im Verwaltungsrechtsweg (durch Einleitung eines Widerspruchsverfahrens oder Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage) sucht (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 587 (wo allerdings von einer Unterbrechung und nicht einer Hemmung gesprochen wird); Krohn, Rdn. 76).

 

7. Anspruchsgegner

 

Anspruchsgegner ist gem. § 1 Abs. 1 StHG-DDR das „jeweilige staatliche oder kommunale Organ“. Staatliche oder kommunale Organe sind allerdings nicht rechtsfähig, sondern können allenfalls Beteiligtenfähigkeit i. S. d. § 61 Nr. 3 VwGO besitzen. Anspruchsgegner ist deshalb die juristische Person, die das zuständige Organ vertritt. Im Übrigen ist derjenige (rechtsfähige) Träger der Verwaltung Anspruchsgegner, dessen Bediensteter den Schaden verursacht hat bzw. der dem Schadensverursacher die Ausübung der staatlichen Tätigkeit anvertraut hatte (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 95; Krohn, Rdn. 78).

 

Die Haftung nach dem StHG-DDR erstreckt sich aber nicht auf die Haftung des Bundes für Bundesbehörden, da das StHG-DDR nur als Landesrecht übernommen worden ist (Christoph, NVwZ 1991, 536, 538; Bergmann/Schumacher, Rdn. 1753; Herbst/Lühmann, S. 173 f.; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 17).

 

 

 

III. Verhältnis zur Amtshaftung, Konkurrenzen

 

Der Schadensersatzanspruch aus § 1 StHG-DDR wird durch den Amtshaftungsanspruch nicht verdrängt, (Vgl. BGH LKV 1997, 143, 144) weil beide Anspruchsgrundlagen hinsichtlich des ihnen zugrundeliegenden Haftungsgedankens, ihrer Struktur und ihrer Haftungsvoraussetzungen grundlegende Unterschiede aufweisen (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 588; Krohn, Rdn. 55; a. A. Maurer, § 29, Rdn. 46).

 

Als spezialgesetzliche Konkretisierung geht das StHG-DDR aber den allgemeinen, auf Richterrecht beruhenden Grundsätzen über den enteignungsgleichen Eingriff vor (BGH NVwZ-RR 1997, 204, 205; OLG Dresden LKV 2001, 286, 288). Dabei ist unschädlich, dass die Haftung nach dem StHG-DDR im Hinblick auf die Verjährung (§ 4 StHG-DDR) Nachteile für den Geschädigten birgt (BGH NVwZ-RR 1997, 204, 205). Entsprechend wird auch der Anspruch wegen aufopferungsgleichen Eingriffs durch das StHG-DDR verdrängt (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 588; Maurer, § 29, Rdn. 46). Unberührt bleiben demgegenüber Ansprüche aus Aufopferung (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 589. ) und aus enteignendem Eingriff, weil sie rechtmäßige Eingriffe betreffen und deshalb keine Haftung für Staatsunrecht begründen.

 

 

 

IV. Verfahrensrechtliche Fragen

 

Der Ersatzanspruch nach § 1 StHG-DDR kann nicht unmittelbar vor Gericht geltend gemacht werden. Vielmehr ist zunächst ein zweistufiges Verwaltungsverfahren durchzuführen: Gem. § 5 StHG-DDR ist der Schadensersatzanspruch im Antragsverfahren bei dem ersatzpflichtigen Hoheitsträger geltend zu machen. Gegen die (ablehnende) Entscheidung (Entscheidet die Behörde nicht, so kann der Kläger unmittelbar beim Zivilgericht Klage erheben, BGH NJW 2001, 3054, 3055 m.w.N) in diesem Verfahren ist innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung oder Bekanntgabe die Beschwerde zulässig (Beschwerdeverfahren, § 6 StHG-DDR) (In Brandenburg (GVBl. I 1993, 199) und Thüringen (GVBl. 1997, 167) wurde das Beschwerdeverfahren beseitigt; zur Problematik des Beschwerdeverfahrens bei Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung Rotermund/Krafft, Rdn. 261; Bergmann/Schumacher, Rdn. 1785). Die Beschwerde ist bei der Stelle einzulegen, die die ablehnende Entscheidung getroffen hat. Hilft die Stelle der Beschwerde nicht ab, so hat sie diese der übergeordneten Behörde vorzulegen. Deren Entscheidung ist im ordentlichen Rechtsweg nachprüfbar.

 

Gem. § 6 a Abs. 2 StHG-DDR entscheidet über Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs unabhängig vom Streitwert das Kreisgericht, in dessen Bezirk das Organ seinen Sitz hat, gegen das der Anspruch geltend gemacht wird. Nach § 16 RechtspflegeanpassungsG ist damit das Landgericht sachlich zuständig.

 

Verletzungen von Vorschriften des StHG-DDR sind nach § 545 Abs. 1 ZPO revisibel, sodass in letzter Instanz der BGH entscheidet (so zu § 549 Abs. 1 ZPO a. F. BGHZ 127, 58, 61 f). Nach § 545 Abs. 1 ZPO eröffnet zwar eine Verletzung von Landesrecht nur dann die Revision, wenn der Geltungsbereich der verletzten Vorschrift sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Diese Voraussetzung ist beim StHG-DDR erfüllt (BGHZ 127, 58, 62 zu § 549 Abs. 1 ZPO a. F. Für Berlin (Ostteil) soll dies nicht gelten, vgl. Ossenbühl, NJW 1991, 1201, 1208; allerdings dürfte die Frage wegen der dort 1995 erfolgten Aufhebung des StHG-DDR wohl keine praktische Rolle mehr spielen).