Beamtenhaftung und Rückgriff des Staates

 

Überblick 

 

 

A. Übergeleitete persönliche Beamtenhaftung

 

B. Rückgriff des Dienstherren gegen den Amtswalter

 

I. Rechtliche Grundlagen für einen Rückgriff

 

1. Anspruchsgrundlage

 

2. Amtsbezogenheit

 

3. Rückgriffsausschluss und Rückgriffsbeschränkung

 

4. Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung

 

5. Verschulden

 

6. Mitverschulden

 

7. Verjährung

 

8. Umfang des Regresses

 

II. Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs

 

1. Rechtsweg und Klageart

 

2. Beweislastfragen

 

3. Prozessuale Konsequenzen des Erstprozesses

 

4. Aufrechnung als Klagealternative

 

 

 

A. Übergeleitete persönliche Beamtenhaftung

 

§ 839 BGB statuiert an sich die persönliche Haftung des Beamten. Diese Eigenhaftung wird jedoch durch Art. 34 GG mit schuldbefreiender Wirkung vom Beamten auf den Staat übergeleitet. Der Amtsträger wird dadurch aus seiner Haftung gegenüber dem Dritten entlassen, der Staat haftet also nicht neben dem Amtsträger, sondern an dessen Stelle. Anspruchsgegner ist deshalb nicht der Beamte, sondern der Staat, eine Klage gegen den Beamten hätte trotz des Wortlauts des § 839 BGB keine Aussicht auf Erfolg. (Vgl. OLG Nürnberg NVwZ 2001, 1324 (LS 1). Es handelt sich mithin um eine mittelbare Staatshaftung. (Maurer, § 26, Rdn. 1.). Eine parallele Haftung ist nur ganz ausnahmsweise möglich, etwa bei einer Haftung nach § 7 StVG, wenn der Amtswalter mit seinem eigenen, auf ihn zugelassenen Kfz eine Dienstfahrt unternimmt.

 

Die beim Inkrafttreten des BGB in § 839 BGB normierte Eigenhaftung des Beamten beruhte auf dem Verständnis des Staatsdienertums im 19. Jahrhundert. Danach wurde rechtmäßiges Handeln des Staatsdieners dem Landesherrn zugerechnet. Rechtswidriges Handeln dagegen fiel allein in die Verantwortlichkeit des Beamten, nicht zuletzt deshalb, weil nach dem geltenden Staatsverständnis vom Staat selbst kein Unrecht ausgehen konnte. (vgl. zur historischen Rechtsentwicklung Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 8 ff.; Maurer, § 26, Rdnrn. 2 ff.; Pfab, S. 4 ff.) Eine Haftung des Staates war also nach damaligem Verständnis schon begrifflich ausgeschlossen.

 

Art. 34 Satz 1 GG enthält dagegen im Interesse des Geschädigten eine Mindestgarantie der Staatshaftung, d. h. der Haftung des Staates für die schuldhafte Verletzung von Rechtsvorschriften. (vgl. BVerfGE 61, 149, 199 f.; BVerfG NVwZ 1998, 271, 272; Jarass/Pieroth, Art. 34 GG, Rdn. 2.) Die Haftungsverlagerung gem. Art. 34 GG beruht im Wesentlichen auf zwei rechtspolitischen Erwägungen: Zum einen dient sie dem Schutz des Geschädigten, der mit dem Staat einen leistungsfähigen Schuldner erhalten soll. Zum anderen soll durch die Haftungsverlagerung die Handlungs- und Entschlussfreudigkeit der Beamten gestärkt werden.

 

B. Rückgriff des Dienstherrn gegen den Amtswalter

 

§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG betreffen nur die Schadensersatzpflicht im Außenverhältnis, d. h. zwischen Staat bzw. Beamten einerseits und dem Bürger andererseits. (Maurer, § 26, Rdn. 10.)

 

Damit ist nicht geklärt, ob der Schaden auch im Innenverhältnis zum Amtsträger von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu tragen ist. Im Innenverhältnis kann der Staat nämlich nach Art. 34 Satz 2 GG beim Amtsträger Rückgriff nehmen, sofern dieser vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Art. 34 Satz 2 GG stellt jedoch keine Anspruchsgrundlage für einen Regressanspruch dar; diesbezüglich bedarf es einer spezialgesetzlichen Vorschrift, die den Dienstherrn zum Rückgriff ermächtigt. (Maurer, § 26, Rdn. 10.)

 

Bei leichter oder mittlerer Fahrlässigkeit hat die öffentlich-rechtliche Körperschaft den Schaden dagegen auch im Innenverhältnis stets allein zu tragen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Amtspflichtverletzung durch einen auf zivilrechtlicher Grundlage beigezogenen privaten Dritten erfolgt ist. (BGH NJW 2005, 286; BVerwG DVBl 2010, 1434, 1436.)

 

I. Rechtliche Grundlagen für einen Rückgriff

 

1. Anspruchsgrundlage

Je nach Status des Amtswalters bestehen unterschiedliche rechtliche Grundlagen für einen Rückgriff.

 

Bundesbeamte haften ihrem Dienstherrn gem. § 75 BBG bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Die Beamtenrechtseigenschaft muss im Zeitpunkt der schädigenden Handlung bestehen.

 

Für Landesbeamte gilt § 48 BeamtStG (Ab 01.04.2009.) i.V.m. ergänzenden Vorschriften der Landesbeamtengesetze (z. B. Art. 78 BayBG (Ab 01.04.2009.); Art. 49 BayKWBG a.F. ist seit 01.08.2012 außer Kraft und in § 48 BeamtStG aufgegangen (GVBl 2012, 366; zur bisherigen Rechtslage s. VG München BayVBl 2011, 674.).

 

Ein Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Rechts, insbesondere auch auf die deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen des bürgerlichen Rechts, etwa § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB, ist dagegen nicht möglich. (BGH NVwZ 2009, 928; BVerwG NVwZ 1999, 77, 78.)

 

2. Amtsbezogenheit

Grundvoraussetzung für einen Rückgriff ist der Zusammenhang der Pflichtverletzung mit der Amtsausübung, mithin die Zurechenbarkeit der schädigenden Handlung zur dienstlichen Tätigkeit. Andernfalls läge keine Dienstpflichtverletzung vor, sodass ein Rückgriff schon von vornherein ausscheiden würde (und ohnehin keine den Regress auslösende Schadensersatzpflicht des Dienstherrn bestehen dürfte).

 

Vor allem dann, wenn eine grob fahrlässige oder sogar bedingt vorsätzliche Schädigung durch den Amtswalter im Raum steht und der dienstliche Zusammenhang fraglich ist, ist eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich, welche Verteidigungsstrategie aus Sicht des Amtswalters am günstigsten ist. Gerade bei einer vorsätzlichen Dienstpflichtverletzung tritt nämlich zu der Frage der Regresshaftung auch die Problematik der disziplinarrechtlichen Ahndung hinzu, sodass es im Einzelfall für den Amtswalter günstiger sein kann, wenn der dienstliche Zusammenhang verneint wird (mit der Folge, dass zwar eine direkte – aber eventuell über eine Privathaftpflichtversicherung abgesicherte – Außenhaftung besteht, die disziplinarrechtlichen Konsequenzen aber wegen der dann lediglich privaten Verfehlung deutlich weniger schwer wiegen).

 

3. Rückgriffsausschluss und Rückgriffsbeschränkung

 

a) Finanzverwaltung

 

Für Amtsträger der Finanzverwaltung, deren Handeln der Abgabenordnung unterliegt, gilt nach § 32 AO eine Haftungsbeschränkung in zweifacher Hinsicht: Amtspflichtverletzungen, die nicht zugleich eine mit Strafe bedrohte Handlung darstellen, scheiden bereits von vornherein als Grundlage für einen Rückgriff aus. Und selbst wenn eine solche schwere Pflichtverletzung geschehen ist, kommt ein Regress nur in Betracht, wenn ein Schaden im Sinne der § 32 Nrn. 1 bis 3 AO entstanden ist (OVG Münster ZBR 1984, 341.).

 

b) Richter

 

Die Rückgriffshaftung gilt grundsätzlich auch für Richter. (OLG Dresden NVwZ 2010, 471; Scheffer, NVwZ 2010, 425.) § 839 Abs. 2 BGB beschränkt jedoch bereits die Außenhaftung des Staates erheblich, sodass von vornherein kein Schaden beim Dienstherrn eintritt und daher auch die Innenhaftung entfällt. Daran ändert auch die Rechtsprechung des EuGH zur Staatshaftung wegen legislativen Unrechts nichts. Zwar kann es danach grundsätzlich zu einer Haftung des Staates kommen. Die Ausblendung von § 839 Abs. 2 BGB wirkt jedoch nur im Außenverhältnis, nicht aber im Innenverhältnis zum Richter, da eine persönliche Haftung des Richters aus europarechtlichen Gründen nicht geboten ist und damit auch eine europarechtliche Überlagerung von § 839 Abs. 2 BGB nicht Platz greifen kann.

 

c) Verkehrshaftpflicht

 

Nach dem Pflichtversicherungsgesetz darf der Kfz-Haftpflichtversicherer nur in wenigen Fällen den Versicherten in Regress nehmen. Verursacht ein Beamter unter Verletzung seiner Amtspflichten einen Verkehrsunfall und liegen grundsätzlich die Voraussetzungen des Rückgriffs vor, so darf es sich deshalb für den Beamten nicht nachteilig auswirken, dass der Dienstherr und Halter des Fahrzeugs nach § 2 Abs. 1 PflVG von der Versicherungspflicht befreit ist. Der Dienstherr als Eigenversicherer darf deshalb beim Beamten nur in den gleichen Ausnahmefällen wie ein Haftpflichtversicherer bei einer Privatperson Rückgriff nehmen. (BGH NJW 1994, 660.)

 

d) Beamtenrechtliche Fürsorgepflicht

 

Unter dem Gesichtspunkt der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht kann es schließlich im Einzelfall geboten sein, dem Beamten bei der Abwicklung des Regressanspruchs Erleichterungen (etwa durch Ratenzahlung oder Stundung) zu gewähren oder auf den Anspruch ganz oder wenigstens teilweise zu verzichten. ( Maurer, § 26, Rdn. 10; BGHZ 124, 15, 23 ff.) Aus dem Fürsorgegedanken ergibt sich auch eine Grenze der äußersten Inanspruchnahme des Beamten, wenn andernfalls die Lebenshaltung des Beamten in unerträglicher Weise beeinträchtigt wäre (sog. Einwand der existenzbedrohenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung). (BGH NJW 1994, 660.) Mindestvoraussetzung dafür ist, dass durch die drohende finanzielle Belastung für den Beamten keine Aussicht mehr besteht, in einer angemessenen Zeit wieder über die vollen Einkünfte aus der eigenen Arbeitsleistung verfügen zu können.

 

e) Schulbereich

 

Besonderheiten gelten auch im Schulbereich, weil Schüler und Studenten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen sind. Der Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen den beamteten Lehrer beurteilt sich deshalb nach § 110 SGB VII. (BGH NJW 2009, 681; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 120.)

 

4. Rechtswidrigkeit der Pflichtverletzung

Neben den allgemeinen Rechtfertigungsgründen (die bereits eine Außenhaftung des Dienstherrn ausschließen) steht dem Beamten im Fall des Rückgriffs ein zusätzlicher Rechtfertigungsgrund zur Verfügung. Es handelt sich um die erfolglose Remonstration, die den Beamten von seiner Haftung entbindet, wenn er trotz ausdrücklichen begründeten Hinweises auf die seines Erachtens nach bestehende Rechtswidrigkeit der erwarteten Amtsausübung zu dieser angewiesen wurde.

 

5. Verschulden

Für den Rückgriff ist ferner erforderlich, dass der Beamte vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat. Bei einfacher Fahrlässigkeit besteht demnach zwar ein Amtshaftungsanspruch gegen die Körperschaft, ein Rückgriff der Körperschaft gegenüber dem Beamten scheidet aber aus. Eine Erweiterung des Verschuldensmaßstabes gegenüber dem Beamten auf einfache Fahrlässigkeit durch „Benutzungsbedingungen“ ist rechtswidrig (VG Berlin, Urteil vom 06.07.2017 - VG 36 K 22.16).

 

Ansatzpunkt für die Verschuldensfrage ist nur die Pflichtverletzung. Der Schaden oder die Kausalität zwischen der Dienstpflichtverletzung und dem Schaden braucht demnach nicht für den Beamten vorhersehbar gewesen sein. (BGHZ 34, 317, 322.)

 

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, wer nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss oder wer die einfachsten, ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt, d.h. wenn ihm ein Versehen unterläuft, das selbst einem minder vorsichtigen Menschen normalerweise nicht zustoßen dürfte. (BVerwGE 19, 243, 248.) Der BGH geht aber davon aus, dass dabei nicht ein ausschließlich objektivierter Maßstab anzulegen ist, sondern dass zugunsten des Beamten auch subjektive Momente der Verantwortlichkeit zu berücksichtigen sind (BGH NJW 1992, 2418.).

 

6. Mitverschulden

 Fragen des Mitverschuldens spielen nur eine verhältnismäßig geringe Rolle. Denn wenn der Dienstherr etwa durch ein Organisationsverschulden selbst eine Ursache für die Dienstpflichtverletzung gesetzt hat, dürfte bereits ein grobes Verschulden des Amtswalters regelmäßig zu verneinen sein.

 

Praktisch relevanter ist aber ein Mitverschulden von anderen Beamten, deren eigene Dienstpflichtverletzung mitursächlich für die Schadensentstehung war. Entsprechend den Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen ist daher der Regressanspruch gegen den einzelnen Beamten entsprechend zu kürzen. Nur in Ausnahmefällen kann es aus Sicht des Dienstherrn ermessensgerecht sein, den Beamten in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen und ihm den internen Schadensausgleich mit den anderen dienstpflichtwidrig handelnden Beamten aufzubürden.

 

7. Verjährung

Nach dem ab 01.04.2009 geltenden BeamtStG bestimmt sich die Verjährung allein nach landesrechtlichen Vorschriften. In Bayern etwa beginnt eine dreijährige Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzanspruch des Dritten vom Dienstherrn diesem gegenüber anerkannt oder dem Dienstherrn gegenüber rechtskräftig festgestellt ist.

 

8. Umfang des Regresses

Der Regress erstreckt sich auf sämtliche Kosten, die der haftenden Körperschaft aufgrund des verlorenen Amtshaftungsprozesses entstanden sind; dazu gehören auch die Kosten für die Rechtsverteidigung. (BayObLG VersR 1984, 990.)

 

II. Geltendmachung des Rückgriffsanspruchs

 

1. Rechtsweg und Klageart

Gem. Art. 34 Satz 3 GG ist für Rückgriffsansprüche des Staates wegen Amtspflichtverletzungen, also bei sog. Fremdschäden (Es geht also um die Regresshaftung des Beamten für einen mittelbaren Schaden. Bei einer unmittelbaren Schädigung des Dienstherrn, sog. Eigenschaden, ist dagegen der Verwaltungsrechtsweg maßgeblich, s. BGH NVwZ 2009, 928; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 373.), der ordentliche Rechtsweg zwingend vorgeschrieben; regelmäßig wird eine Leistungsklage zu erheben sein. Diese Vorschrift verwehrt es dem Dienstherrn zugleich, den Rückgriffsanspruch gegenüber dem Amtsträger durch einen Leistungsbescheid (= Verwaltungsakt) geltend zu machen und nach Verwaltungsvollstreckungsrecht durchzusetzen. (OVG NRW, Beschl. v. 06.12.2010, Az. 6 A 338/09.) Denn Leistungsbescheide können nicht von Zivilgerichten überprüft und aufgehoben werden. (MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 373.)

 

Erstinstanzlich sind gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig.

 

2. Beweislastfragen

Der Dienstherr trägt die Beweislast für die Pflichtverletzung, das Verschulden des Amtswalters und den eingetretenen Schaden. Aufgrund des regelmäßig geführten Erstprozesses zur Amtshaftung im Außenverhältnis dürfte es im Bereich der Pflichtverletzung und des Schadens kaum Beweisschwierigkeiten geben. Dagegen erfordert die Frage des Verschuldens intensiven Tatsachenvortrag des Dienstherrn, da die Frage des Verschuldensgrades – einfache oder grobe Fahrlässigkeit – im Erstprozess nicht entscheidungserheblich war und hierzu regelmäßig auch keine fundierten Tatsachenfeststellungen durch das Erstgericht getroffen wurden.

 

Der Beamte trägt dagegen die Beweislast für das Eingreifen eines Rechtfertigungstatbestandes, insbesondere die erfolglose Remonstration, für die Frage des Mitverschuldens, für die Verjährung und für die Notwendigkeit einer Haftungsbeschränkung aufgrund des Fürsorgegedankens.

 

3. Prozessuale Konsequenzen des Erstprozesses

Das Ergebnis des Erstprozess, in dem der Dienstherr im Außenverhältnis zum Schadensersatz verurteilt wurde, entfaltet grundsätzlich keine Bindungswirkung im Regressprozess. Der Amtswalter ist also nicht gehindert, die Amtspflichtverletzung oder sein Verschulden zu bestreiten. Der Dienstherr kann dadurch allerdings in die außerordentlich missliche Situation geraten, dass er zwar im Außenverhältnis zum Schadensersatz verurteilt wurde, im Regressprozess aber das nun zuständige Gericht etwa die Dienstpflichtverletzung verneint und daher einen Regress ablehnt. Aus Sicht der im Erstprozess beklagten Körperschaft ist es daher dringend angezeigt, bereits in diesem Prozess dem Amtswalter den Streit gemäß § 72 ZPO zu verkünden. Diese Streitverkündung löst eine Bindungswirkung aus, die sich auf alle Feststellungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung im Erstprozess erstreckt. Diese Wirkung der Streitverkündung muss das Gericht im Regressprozess von Amts wegen berücksichtigen. (BGHZ 96, 50, 54.) Die Zulässigkeit der Streitverkündung beurteilt sich nach § 72 ZPO. Nach § 73 ZPO hat die streitverkündende Partei einen Schriftsatz einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechtsstreits anzugeben sind. Der Schriftsatz ist dem Streitverkündeten zuzustellen. Tritt dieser dem Rechtsstreit bei, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention, §§ 74 Abs. 1, 68 ZPO. Der Streitverkündete kann danach der unterstützten Partei später grundsätzlich nicht mehr den Einwand der mangelhaften Prozessführung entgegenhalten. Dies gilt auch dann, wenn er dem Rechtsstreit nicht beigetreten ist. (vgl. Thomas/Putzo, § 74 ZPO, Rdn. 4.) Im Übrigen ist der Amtsträger gehalten, aber nicht verpflichtet, den Dienstherrn im Amtshaftungsprozess weitestgehend zu unterstützen.

 

Nicht geklärt ist, ob der streitverkündete Beamte wie ein Nebenintervenient als Zeuge vernommen werden darf oder ob er aufgrund seiner besonderen Interessenlage wie ein streitgenössischer Nebenintervenient zu behandeln wäre, der gem. § 69 ZPO in einzelnen Beziehungen als Partei anzusehen ist und deshalb lediglich als Partei gemäß §§ 445 ff. ZPO vernommen werden kann. (vgl. Thomas/Putzo, § 69 ZPO, Rdn. 1.) Damit der Beklagte dem Kläger durch die Streitverkündung an den Beamten nicht aus prozesstaktischen Gründen den Zeugenbeweis abschneiden kann, wird man die Anwendbarkeit des § 69 ZPO verneinen müssen.

 

4. Aufrechnung als Klagealternative

Eine Aufrechnung des Regressanspruchs gegen Gehalts-, Lohn- oder Vergütungsansprüche des Amtswalters wird grundsätzlich als zulässig erachtet. (vgl. BVerwGE 29, 310.) Erklärt der Dienstherr die Aufrechnung unmittelbar, ohne vorher einen – mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbaren – Leistungsbescheid erlassen zu haben, bleibt dem betroffenen Amtswalter nur, eine Leistungsklage auf vollständige Besoldung zu erheben, wenn er den Regress für rechtswidrig hält.