Beamte sind der "Dreh- und Angelpunkt" des Amtshaftungsrechts, weil von ihnen die haftungsbegründende Amtspflichtverletzung ausgeht. Aufgrund der Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG werden sie in aller Regel aber nicht selbst in Anspruch genommen. Das bedeutet freilich nicht, dass sie kein finanzielles Risiko tragen - sie können nämlich selbstverständlich in Regress genommen werden. Die Rechtsfragen des Regresses sind in diesem Abschnitt dargestellt.
Beamte können aber auch selbst Geschädigte sein, nämlich dann, wenn es zu Rechtsverletzungen im Beamtenverhältnis kommt.
Das Beamtenverhältnis ist nach nicht unbestrittener Auffassung ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis (vgl. Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 424 ff.; Maurer, § 29, Rdn. 3, m. w. N., MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 76; a. A. Wolff/Bachof/Stober, § 55 Rdn. 6.). Zur Haftung aus Schuldverhältnissen siehe diesen Abschnitt. Es ist anerkannt, dass Verletzungen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (vgl. § 45 BeamtStG) durch den Dienstherrn zu Schadensersatzansprüchen des Beamten führen können (BVerwGE 13, 17), und zwar sowohl unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflichtverletzung als auch der Amtshaftung (BayObLG NVwZ-RR 2000, 527; VGH München, Beschluss vom 13.03.2018 - 6 ZB 17.2602, OVG Münster, Urteil vom 01.12.2016 - 6 A 2386/14). Nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG kann sich ein Schadensersatzanspruch zudem aus einer schuldhaften Verletzung von Pflichten ergeben, die unmittelbar im Beamtenverhältnis wurzeln (vgl. BVerwGE 80, 123). Das gleiche gilt für das Soldatenverhältnis (VGH
München, Beschluss vom 06.08.2019 - 6 ZB 19.584; BVerwG, Beschl. v. 22.12.2011, Az. 2 B 71/10).
Beispiele:
Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches eines Beamten gegen den Dienstherrn sind (VGH München Beschl. v. 29.3.2019 – 3 ZB 16.1749):
Die Konsequenz aus diesen parallelen Schadensersatzansprüchen ist im Übrigen, dass insofern auch zwei verschiedene Rechtswege zur Verfügung stehen, nämlich für den Schadensersatzanspruch wegen der Fürsorgepflichtverletzung der Verwaltungsrechtsweg (VGH München, Beschluss vom 13.03.2018 - 6 ZB 17.2602) und für den Amtshaftungsanspruch der ordentliche Rechtsweg (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 425).
Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs
Nach der Rechtsprechung kann ein Beamter von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung (sog. Beförderungsbewerber; für Einstellungsbewerber - Bewerber, der noch außerhalb des beamteten öffentlichen Dienstes steht und sich um ein Eingangsamt bemüht - gilt Entsprechendes, s. BVerwG, Urt. v. 25.02.2010, Az. 2 C 22.09) entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, wenn diese Rechtsverletzung für die Nichtbeförderung des Beamten kausal war und wenn der Beamte es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09). Der Beamte hat aber keinen Anspruch auf eine störungsfreie, zügige Durchführung eines Bewerbungsverfahrens oder auf eine Entscheidung über eine Bewerbung zu einem bestimmten Zeitpunkt (VGH München, Beschluss vom 25.01.2019 - 6 ZB 18.2068). Vom Verschuldensmaßstab her gilt der allgemeine, objektiv-abstrakte Verschuldensmaßstab des bürgerlichen Rechts. Das bedeutet, dass von den für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Beamten verlangt werden muss, dass sie die Sach- und Rechtslage unter Heranziehung aller ihnen zu Gebote stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich auf Grund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden (BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09.). Dazu gehören auch die Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, ob ggf. aus politischen Gründen gewünschte Personalentscheidungen auch am Maßstab der relevanten Rechtsnormen Bestand haben (BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09.). Ein Schadensersatzanspruch wegen rechtswidrig unterlassener Beförderung setzt ferner im Hinblick auf die notwendige adäquate Kausalität voraus, dass dem Beamten ohne den Rechtsverstoß das angestrebte Amt voraussichtlich übertragen worden wäre (BVerwG, Urt. v. 15.06.2018, Az. 2 C 19/17; BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09.). Erforderlich ist also ein adäquat kausaler Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem Schaden, d.h. der Nichtbeförderung. Dazu muss der hypothetische Kausalverlauf ermittelt werden, den das Auswahlverfahren ohne den Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG voraussichtlich genommen hätte. Trägt der Dienstherr zur Aufklärung des hypothetischen Kausalverlaufs nichts bei, unterlässt er also etwa eine umfassende Aktenvorlage, können Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers eingreifen oder der Situation zumindest bei der Prognose eines möglichen Erfolgs des Klägers bei rechtmäßigem Verhalten des Dienstherrn Rechnung getragen werden (BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09.).
Nach dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB kann schließlich ein zu Unrecht nicht beförderter Beamter Schadensersatz für die Verletzung seines aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruchs nur verlangen, wenn er versucht hat, den eingetretenen Schaden dadurch abzuwenden, dass er um gerichtlichen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Personalentscheidung nachgesucht hat (BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - 2 C 30.15; BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09; VGH München, Beschluss vom 06.08.2019 - 6 ZB 19.584; OLG Nürnberg, Urteil vom 16.08.2017, Az. 4 U 355/17). Der Rechtsgedanke des § 839 Absatz 3 BGB gebietet es dem Beamten, seine Ansprüche im Wege des Primärrechtsschutzes geltend zu machen und sich nicht auf die spätere Geltendmachung von Sekundäransprüchen zu verlagern (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - 2 C 19.17). Bei rechtswidrigem Handeln des Staates soll nämlich der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz im Vordergrund stehen. Dem Betroffenen soll die von der Rechtsordnung missbilligte Wahlmöglichkeit genommen werden, entweder den rechtswidrigen Hoheitsakt mit ordentlichen Rechtsschutzmitteln anzugreifen oder aber ihn hinzunehmen und zu liquidieren, d.h. untätig zu bleiben und sich den Schaden finanziell abgelten zu lassen (kein „Dulde und liquidiere“). Nach dem Rechtsgedanken des § § 839 BGB soll nur derjenige Schadensersatz erhalten, der sich in gehörigem und in zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden versucht hat (VGH München, Beschluss vom 03.07.2020 – 6 ZB 19.2515).
Deshalb entfällt auch nicht der Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung zur Unterbindung einer Stellenbesetzung, weil dem Antragsteller gerade nicht der mögliche Ersatzanspruch entgegengehalten werden kann (OVG Schleswig, Beschluss vom 05.11.2018 - 2 MB 17/18). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass unterlegenen Kandidaten die Auswahlentscheidung rechtzeitig, d.h. zwei Wochen vor dem vorgesehenen Zeitpunkt der Stellenbesetzung mitgeteilt wird und dass auch während eines laufenden Rechtsschutzverfahrens nach Abschluss einer Instanz jeweils genug Zeit bleibt, die Überprüfung einer nachteiligen Entscheidung, ggf. durch das Bundesverfassungsgericht, einzuleiten. Wird diese Möglichkeit durch den Dienstherrn vereitelt, kann dem Bewerber nicht vorgeworfen werden, er habe es versäumt, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (BVerwG, Urt. v. 26.01.2012, Az. 2 A 7.09.). Eine Rechtsschutzvereitelung liegt im Übrigen auch dann vor, wenn der Dienstherr die Ernennung ohne vorherige Mitteilung an die unterlegenen Bewerber vornimmt. Das BVerwG stellt also maßgeblich darauf ab, ob es dem unterlegenen Bewerber möglich war, gegen die bevorstehende Personalentscheidung gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. War ihm das nicht möglich, hat er es auch nicht schuldhaft unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Ein Beamter, der an seinem beruflichen Fortkommen interessiert und sich über das „Ob“ und „Wann“ von Beförderungsverfahren im Unklaren ist, hat zudem die Obliegenheit, sich bei seinem Dienstherrn darüber näher zu erkundigen und für den Fall von als unzureichend angesehenen Auskünften diese zu rügen und gegen drohende Ernennungen mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen. Versäumt er diese Obliegenheit, so unterlässt er es schuldhaft, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Absatz 3 BGB abzuwenden (VGH München, Beschluss vom 10.09.2018 - 6 ZB 18.610).
Zu den Rechtsmitteln iSv § 839 Abs. 3 BGB im Vorfeld beamtenrechtlicher Beförderungen kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch der an den Dienstherrn gerichtete Antrag, befördert zu werden, gehören (Erkundigungs- und Rügeobliegenheit für an ihrem beruflichen Fortkommen interessierte Beamte) (BVerwG, Beschluss vom 11.07.2022 – 2 B 31.21).
Wenn der Dienstherr in dem allen Betroffenen zugänglichen Intranet über ein von ihm regelmäßig praktiziertes jährliches Beförderungsverfahren jedenfalls in den Grundzügen informiert, hat ein an seinem beruflichen Fortkommen interessierter Beamter die Obliegenheit, sich gegebenenfalls über weitere Einzelheiten dieses Verfahrens zu erkundigen, seine Nichteinbeziehung in den zur Beförderung in Aussicht genommenen Personenkreis sowie in die Auswahlentscheidung zu rügen und gegen drohende Ernennungen Anderer mit Mitteln des vorläufigen Rechtsschutzes vorzugehen (BVerwG, Beschluss vom 12.12.2019 - 2 B 3.19; BVerwG, Urt. v. 15.6.2018 – 2 C 19/17). Das Fehlen einer Ausschreibung, einer Bewerbungsmöglichkeit und damit auch einer Konkurrentenmitteilung lässt die Vorwerfbarkeit der unterlassenen Rechtsmitteleinlegung jedenfalls dann nicht entfallen, wenn der Beamte als Personalrat Kenntnis von den beabsichtigten Beförderungen erlangt hat. Ob der Beamte es schuldhaft unterlassen hat, ein Rechtsmittel einzulegen, hängt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls davon ab, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen des Verkehrskreises verlangt werden muss, dem der Beamte angehört. Insoweit sind an einen erfahrenem und mit dem Beamtenrecht in besonderer Weise vertrautem Personalrat besondere Anforderungen zu stellen (VGH München, Beschluss vom 20.03.2019 - 3 ZB 16.2597).
Beim Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens muss der Bewerber um Eilrechtsschutz gegen den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nachsuchen. Die notwendige zeitnahe Klärung im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ist binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang der Abbruchmitteilung herbeizuführen. Unterlässt er dies, kann er auch keine Schadensersatzansprüche wegen einer unterbliebenen Beförderung geltend machen (OVG Saarlouis, Beschluss vom 15.01.2018 - 1 A 613/16).
Dieses an sich stimmige Konzept steht freilich im Widerspruch zum Urteil des BVerwG vom 04.11.2010 (BVerwG, Urt. v. 04.11.2010, Az. 2 C 16/09.). Danach kann eine Ernennung (des zunächst erfolgreichen Konkurrenten), also die bereits vollzogene Personalentscheidung, aufgehoben werden, wenn der unterlegene Bewerber daran gehindert worden ist, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszuschöpfen (BVerwG, Urt. v. 04.11.2010, Az. 2 C 16/09.). Der unterlegene Bewerber kann also auch nach vollzogener Ernennung noch gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und die bereits vollzogene Ernennung zu Fall bringen. Das bedeutet unter dem Gesichtspunkt des vorrangigen Primärrechtsschutzes an sich, dass er die Ernennung auch tatsächlich angreifen muss und die Ernennung dann gegebenenfalls aufgehoben wird. Dann ist für einen Schadensersatzanspruch aber kein Raum. Ein Wahlrecht, ob er – dem Urteil des BVerwG vom 04.11.2010 folgend – gegen die Ernennung vorgeht oder ob er – dem Urteil des BVerwG vom 26.01.2012 folgend – Schadensersatz verlangt, kann nicht sachgerecht sein. Für Schadensersatzansprüche bleibt daher nur insofern Raum, als es um den Verzögerungsschaden geht; für die Geltendmachung des Nichterfüllungsschadens ist kein Raum.