In der Mehrzahl der Fälle kann ein Amtshaftungsprozess wegen einer richterlichen Amtspflichtverletzung keinen Erfolg haben, weil das Richterspruchprivileg des § 839 Abs. 2 BGB anspruchsausschließend eingreift. Geht es allerdings bei der rechtswidrigen richterlichen Handlung nicht um die Vorbereitung oder den Erlass eines Urteils oder einer einem Urteil gleichgestellten Entscheidung, so greift das Richterspruchprivileg nicht und eröffnet damit den Anwendungsbereich der Amtshaftung. In Betracht können in diesen Fällen aber auch Amtspflichtverletzungen der Mitarbeiter der Geschäftsstellen kommen (OLG Koblenz, Urteil vom 07. Januar 2016 – 1 U 657/15).
Bei einer richterlichen Amtspflichtverletzung können nicht die gleichen Maßstäbe wie bei einer Amtspflichtverletzung durch Verwaltungsbehörden herangezogen werden. Der Verfassungsgrundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verlangt nämlich, dass der für den Amtshaftungsanspruch notwendige Schuldvorwurf erst dann relevant wird, wenn dem Richter besonders grobe Verstöße unterlaufen sind; (BGH NJW 2003, 3052; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 655.) im Ergebnis bedeutet das eine Haftung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (OLG München, Beschl. v. 25.11.2011, Az. 1 W 2105/11; OLG München, Beschl. V. 16.09.2010, Az. 1 U 2562/10; Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 53.). Richterliche Anordnungen können deshalb nur auf ihre Vertretbarkeit, nicht aber auf ihre sachliche Richtigkeit hin überprüft werden, wenn es um die Feststellung einer Amtspflichtverletzung geht (BGH NJW 2011, 1072; BGH NJW 2003, 3052, 3053; OLG München, Urteil vom 27. November 2014 – 1 U 781/13 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 23. April 2014 – 11 W 33/14 –, juris (zu Entscheidungen im Prozesskostenhilfeverfahren); Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 659.).
Sind dem Richter dagegen Fehler bei der von Amts wegen vorzunehmenden Sachverhaltsaufklärung unterlaufen, greifen die vorgenannten Einschränkungen nicht (BGH NJW-RR 1995, 248, 249; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 672.). Bei der Sachverhaltsermittlung steht dem Richter kein Bewertungs- und Urteilsspielraum zu, weil es dort allein um die tatsachenbasierte Feststellung eines Geschehensablaufs geht.
Den Gerichten (Zur Haftung von Schiedsrichtern Hildebrandt/Kaestner, BauR 2010, 2017 ff.) obliegt die Amtspflicht zur beschleunigten Bearbeitung von Verfahren (Zum Ganzen Remus, NJW 2012, 1403 ff.). Diese Beschleunigungspflicht ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK und verlangt, dass innerhalb angemessener Zeit eine abschließende gerichtliche Entscheidung vorliegen muss (BVerfG NJW 2008, 503; Jarass/Pieroth, Art. 19 GG, Rdn. 45 m. w. N.). Die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie gewährleistet in zivilrechtlichen Streitigkeiten ebenso wie Art. 19 Abs. 4 GG für den Bereich des Öffentlichen Rechts nicht nur, dass überhaupt ein Rechtsweg zu den Gerichten offen steht, sondern auch, dass strittige Rechtsverhältnisse im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit in angemessener Zeit geklärt werden (BVerfG NJW 1993, 1635; BVerfG NJW 2008, 503.). Damit kann eine unvertretbare Verschleppung von Gerichtsverfahren zu einer Amtshaftung führen, mit der Folge, dass der Verzögerungsschaden zu ersetzen ist (BGH NJW 2011, 1072. Zum Ganzen Terhechte, DVBl. 2007, 1134 ff.). Das Richterspruchprivileg findet dabei nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB keine Anwendung. Das LG München I etwa hat mit Urteil vom 12.01.2005 entschieden, dass die Untätigkeit eines Gerichts über vier Jahre hinweg amtspflichtwidrig ist; dem Kläger wurde daher Schadensersatz für die Rechtsanwaltskosten, die zur Erhebung einer Untätigkeitsbeschwerde beim BVerwG angefallen waren, zuerkannt (LG München I DRiZ 2006, 49. ). Auch die sechsmonatige Nichtbearbeitung einer Verfahrensakte trotz Verkündungstermins löst nach Ansicht des OLG Dresden Amtshaftungsansprüche aus (OLG Dresden NVwZ 2010, 471. Weitere Fälle: BVerfG NJW 2008, 503; BGH NJW 2007, 830; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 02.02.2012, Az. 11 U 144/10; OLG Celle, Urt. v. 23.06.2011, Az. 16 U 130/10; OLG Hamm, Urt. v. 17.06.2011, Az. 11 U 27/06.).
Ein Zivilgericht begeht eine Amtspflichtverletzung, wenn es die Entscheidung über einen Prozesskostenhilfeantrag solange verzögert, bis das Hauptverfahren nicht mehr betrieben werden kann, weil sich der Streit wegen Zeitablaufs inzwischen erledigt hat (BGH MDR 1960, 117.).
Im Strafverfahren obliegt dem Richter die (punktuelle) Überwachung des Ermittlungsverfahrens, weil ihm die Anordnung bestimmter Zwangsmaßnahmen vorbehalten ist, und die Durchführung des Hauptverfahrens. Handelt er in der Funktion des Ermittlungsrichters, so greift das Richterspruchprivileg regelmäßig nicht. Die Durchführung des Hauptverfahrens unterfällt dagegen zwar grundsätzlich dem Richterspruchprivileg. Doch gibt es auch hier bestimmte Konstellationen, in denen ausnahmsweise Amtshaftungsansprüche durchgreifen.
a) Amtspflichten bei der Anordnung von Zwangsmaßnahmen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
Der Strafrichter, der auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei den Einsatz von besonderen Ermittlungsmaßnahmen oder Zwangsmaßnahmen anordnen soll, muss trotz seiner richterlichen Unabhängigkeit besondere Sorgfaltspflichten gegenüber dem Beschuldigten erfüllen, die aus seiner Stellung als Ermittlungsrichter und damit als Garant für die Rechte des Beschuldigten resultieren. Er begeht deshalb eine Amtspflichtverletzung, wenn er überhaupt nicht prüft, ob etwa die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung, im Ermittlungsverfahren verdeckte technische Mittel einzusetzen, vorliegen (BGH NJW 2003, 3693, 3695.) oder wenn er bei Erlass eines Haftbefehls nicht alle Umstände berücksichtigt, die den dringenden Tatverdacht zerstreuen (RGZ 62, 367, 370; BGHZ 27, 338, 348; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 659.). Solange ihm hingegen keine derart signifikanten Fehler unterlaufen, mithin seine Entscheidung nicht unvertretbar ist, begründet eine fehlerhafte Anordnung von Zwangsmaßnahmen keinen Amtshaftungsanspruch.
b) Amtspflichten in der Hauptverhandlung
Das Richterspruchprivileg findet grundsätzlich hinsichtlich derjenigen Amtspflichten, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Hauptverhandlung bestehen, Anwendung. Nur in besonderen Ausnahmefällen ist § 839 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Strafrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung unzulässigerweise das Vorstrafenregister eines Zeugen (nicht des Angeklagten) verliest und ihm dadurch einen Vermögensschaden zufügt, (BGHZ 50, 14.) weil diese Maßnahme eine von der Sachentscheidung unabhängige Pflichtverletzung ist (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 104; a. A. BGHZ 50, 14, 16.). Ebenso wenig kommt § 839 Abs. 2 BGB zur Anwendung, wenn die Urteilsbegründung Bewertungen enthält, die zur Begründung des Urteilsspruchs nicht erforderlich sind, etwa wenn der Richter Zeugen zu Unrecht als „Sympathisanten der Terrorszene“ apostrophiert (Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 104.).
Die Verfahren nach dem Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit sind ebenso zahlreich wie heterogen. Im Grundsatz ist ihnen aber wegen des Verfassungsgrundsatzes der richterlichen Unabhängigkeit gemeinsam, dass der Richter erst dann amtspflichtwidrig handelt, wenn seine Entscheidung so fehlsam erscheint, dass sie mit den an eine ordnungsgemäße Richtertätigkeit zu stellenden Anforderungen schlechterdings – d.h. jedem sachlich Beurteilenden einleuchtend – unvereinbar ist (OLG München, Beschl. v. 25.05.2009, Az. 1 U 5249/08; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 672.). Bei einer rechtswidrigen einstweiligen Anordnung, die sich gegen eine vorläufige Unterbringung richtet, kann also ein Amtshaftungsanspruch erst dann Platz greifen, wenn die Entscheidung des Richters unvertretbar ist (BGH NJW 2003, 3052, 3053.).
Eine Amtspflichtverletzung kann andererseits aber schon dann bejaht werden, wenn der Richter nicht alle relevanten Umstände aufgeklärt hat, etwa in einem vormundschaftsgerichtlichen Verfahren nicht die Vermögensverhältnisse der Beteiligten in Erfahrung gebracht hat (BGH NJW-RR 1995, 248; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 672.). Gerade in solchen Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz empfiehlt sich also zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses die Prüfung, ob der Richter alle nach Lage der Dinge erforderlichen Sachverhaltsumstände ermittelt hat.
Im Übrigen müssen auch im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege anhängige Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abgeschlossen werden; bei der Führung des Grundbuchs kann dementsprechend eine Bearbeitungszeit von 1 Jahr und 8 Monaten seit Stellung des letzten Antrags amtspflichtwidrig sein (BGH NJW 2007, 830.). Gerade im Bereich der Grundbuchführung bestehen zudem regelmäßig auch Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff, sodass es auf ein Verschulden nicht ankommt (BGH NJW 2007, 830.).
Im Zwangsversteigerungsverfahren gelten die gleichen Grundsätze. Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts oder des Rechtspflegers (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – 1 W 61/14 –, juris.) sind deshalb nur amtspflichtwidrig, wenn sie unvertretbar sind (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 28. November 2013 – 4 U 419/12 –, juris; OLG Oldenburg, Urt. v. 11.09.2009, Az. 6 U 13/08.). Die Amtspflichten entfalten dabei auch eine drittschützende Wirkung zugunsten des Vollstreckungsgläubigers (BGH NJW-RR 2009, 601.). Gleiches gilt auch für das insolvenzgerichtliche Verfahren (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 – IX ZR 190/13 –, juris.).
Nach § 278 Abs. 1 ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Schon aus arbeitsökonomischen Gründen sind die Gerichte dabei verstärkt um Vergleichsabschlüsse bemüht. Schlägt das Gericht einen Prozessvergleich mit einem bestimmten Inhalt vor, muss es die Parteien dazu anhören und eine ausgewogene Regelung vorschlagen (Dietrich, ZZP 120, 443, 448 ff.).
Das Richterspruchprivileg greift nicht ein, weil es zu keinerlei gerichtlichen Entscheidung gekommen ist (A. A. Dietrich, ZZP 120, 443, 455).
Ungeklärt ist bislang, inwieweit § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB einem Amtshaftungsanspruch entgegen gehalten werden kann. Entscheidungen des BGH liegen bislang nur zu der Frage vor, ob ein Rechtsanwalt trotz eines Fehlers des Gerichts haftbar gemacht werden kann; (BGH AnwBl 2008, 204; BGH NJW 2003, 2002, 204; BGH NJW-RR 2003, 850, 854.) die umgekehrte Konstellation – Haftung des Gerichts statt des Rechtsanwalts – ist noch nicht behandelt worden (Das OLG Dresden hat das Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen den Rechtsanwalt geprüft, im Ergebnis aber verneint, OLG Dresden NVwZ 2010, 471).
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Nichtannahmebeschluss, allerdings nur in einem obiter dictum, ausgeführt, dass „die Gerichte verfassungsrechtlich nicht dazu legitimiert sind, den Rechtsanwälten auf dem Umweg über den Haftungsprozess auch die Verantwortung für die richtige Rechtsanwendung zu überbürden“ und „Rechtsanwälte nicht ersatzweise für Fehler der Rechtsprechung haften, nur weil sie haftpflichtversichert sind“ (BVerfG NJW 2002, 2937, 2938.). Der BGH beschränkt dementsprechend die Anwaltshaftung in bestimmten Konstellationen (Hierzu Seyfarth, AnwBl. 2009, 48.).
Diese Rechtsprechung hat für die Anwendung von § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch erhebliche Bedeutung. Insbesondere in Fällen, in denen ein Anwaltsfehler völlig hinter den Gerichtsfehler zurücktritt und damit ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt nicht besteht, kann nämlich § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anwendung finden, weil es dann an einer durchsetzbaren anderweitigen Ersatzmöglichkeit fehlt.
Die Grundsätze zur Amtshaftungs bei richterlichem Handeln gelten auch für das Handeln von Rechtspflegern, etwa bei der Führung des Handelsregisters (OLG Hamm, Urteil vom 25. April 2014 – I-11 U 70/04, 11 U 70/04 –, juris.) oder des Grundbuchs, (BGH NJW 2007, 224, 227; BGH NJW 2007, 830; OLG Frankfurt, Urteil vom 03. Juni 2015 – 4 U 218/14 –, juris. ) weil Rechtspfleger gemäß § 9 RPflG in ihrer Amtsausübung in gleicher Weise sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden sind wie Richter; ein Verschulden des Rechtspflegers kann deswegen erst dann bejaht werden, wenn die seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht objektiv nicht mehr vertretbar erscheint (BGH NJW 2004, 224, 225.).
Im Übrigen müssen auch im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege anhängige Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abgeschlossen werden; bei der Führung des Grundbuchs kann dementsprechend eine Bearbeitungszeit von 1 Jahr und 8 Monaten seit Stellung des letzten Antrags amtspflichtwidrig sein (BGH NJW 2007, 830.). Gerade im Bereich der Grundbuchführung bestehen zudem regelmäßig auch Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff, sodass es auf ein Verschulden nicht ankommt (BGH NJW 2007, 830.).
Prozessordnungswidriges Handeln von Urkundsbeamten kann ebenfalls Amtshaftungsansprüche auslösen. Bejahrt wurde das beispielsweise für die fehlerhafte Anbringung eines Rechtskraftvermerks (OLG Koblenz, Urteil vom 14.11.2019 - 1 U 314/19).
Nicht zuletzt medienwirksame Wirtschaftsstrafverfahren gegen die ehemaligen Mitglieder des Mannesmann-Aufsichtsrates bzw. -Vorstandes haben die Amtshaftung für das Handeln der Staatsanwaltschaften in das juristische Bewusstsein gerückt. Die Staatsanwaltschaften haben nämlich umfangreiche Amtspflichten unterschiedlichster Art gegenüber den durch (eventuelle) Straftaten Verletzten, gegenüber den Beschuldigten und gegenüber Dritten einzuhalten.
Amtspflichten gegenüber dem Verletzten bestehen nur ausnahmsweise (Vgl. Geigel/Schlegelmilch-Kapsa, Kap. 20, Rdn. 121; Steffen, DRiZ 1972, 153.). Die Pflicht der Staatsanwaltschaft zum Einschreiten wegen strafbarer Handlungen gemäß § 152 Abs. 2 StPO oder zur Erwirkung von Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren besteht nur gegenüber der Allgemeinheit, nicht aber gegenüber dem Dritten; sie ist also keine drittgerichtete Amtspflicht im Sinne des Amtshaftungsrechts (RGZ 108, 249, 250; RGZ 154, 266, 267 f.; RGZ 172, 13; BGHSt 16, 228; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 660.). Die pflichtwidrig unterlassene Verfolgung einer strafbaren Handlung stellt deshalb keine Amtspflichtverletzung gegenüber dem durch die Straftat Verletzten dar (BGH NJW 1996, 2373; OLG Düsseldorf NJW 1996, 530 (Balsam AG); a. A. Hörstel, NJW 1996, 497.). Das ist zwar vor dem Hintergrund der gefestigten Stellung des Opfers im Strafverfahren, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit des Opfers, ein Klageerzwingungsverfahren nach §§ 172 ff. StPO durchzuführen, und aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichten mehr als zweifelhaft, (Vogel, NJW 1996, 3401; Hörstel, NJW 1996, 497, 498; Ossenbühl/Cornils (Staatshaftungsrecht), S. 71.) entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung. Auch wenn die Staatsanwaltschaft (pflichtwidrig) die Verhaftung eines Beschuldigten unterlässt, liegt darin keine Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht, weil die Verhaftung des Beschuldigten nicht dem materiellen Interesse des Verletzten dient (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 660; etwas anderes gilt für Amtspflichtverletzungen der Polizei, BGH LM § 839 BGB Nr. 5.). Verschleppt jedoch die Staatsanwaltschaft die Sachverhaltserforschung oder führt sie diese in unvertretbarer Weise überhaupt nicht durch, so muss in Anlehnung an § 839 Abs. 2 Satz 2 BGB und im Hinblick auf das Akteneinsichtsrecht nach § 406 e StPO eine Amtspflichtverletzung insbesondere aufgrund des Interesses des Geschädigten, die potentiellen Ergebnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in einem späteren Zivilprozess zu verwerten, bejaht werden (Vgl. Vogel, NJW 1996, 3401, 3402; Hörstel, NJW 1996, 497, 498).
Die unterlassene Sicherstellung der Diebesbeute begründet demgegenüber eine Amtspflichtverletzung zu Lasten des Bestohlenen, weil insoweit eine konkrete Schutzpflicht der Staatsanwaltschaft gegenüber dem durch eine Straftat Geschädigten im Rahmen des laufenden Ermittlungsverfahrens entstanden ist (BGH NJW 1996, 2373; Steffen, DRiZ 1972, 153; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 660.). Allerdings soll nach der älteren Rechtsprechung keine Pflicht der Staatsanwaltschaft zur rechtzeitigen Erwirkung der Beschlagnahme hinsichtlich der entzogenen Sachen bestehen; (RGZ 108, 249, 251.) vielmehr soll sie gemäß §§ 111b Abs. 3, 111k StPO nur die Pflicht haben, die spätere Rückgabe bereits beschlagnahmter oder sichergestellter Sachen nicht unmöglich zu machen (RGZ 108, 249, 251.). Allerdings ist der Staatsanwaltschaft bei ihren Entscheidungen regelmäßig ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der dazu führt, dass ihre Entscheidungen nicht uneingeschränkt auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüft werden können (BGH, Beschluss vom 24.11.2016 –III ZR 209/15).
Im Grundsatz begründen alle strafprozessualen Vorschriften, die dem Schutz und der Verteidigung des Beschuldigten dienen, entsprechende Amtspflichten zu Gunsten des Beschuldigten (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 661.). Allerdings ist der Staatsanwaltschaft bei ihren Entscheidungen regelmäßig ein Beurteilungsspielraum eröffnet, der dazu führt, dass ihre Entscheidungen nicht uneingeschränkt auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüft werden können (BGH, Beschluss vom 24.11.2016 –III ZR 209/15; BGH NJW 1989, 96; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 14.08.2012, Az. 11 U 128/10; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 282 (für die Beantragung einer Auslieferungshaft nach §§ 16, 15 IRG).). Vertretbar ist dabei eine Entscheidung nur dann nicht, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die Vornahme einer Maßnahme gegen den Beschuldigten nicht mehr verständlich ist (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.02.2018 - Aktenzeichen 1 U 112/17, BGH NJW 1989, 96). Allerdings kann sich eine Amtspflichtverletzung unabhängig von der Vertretbarkeit der Maßnahme als solcher auch aus der Art des Vorgehens ergeben (BGH NJW 2003, 3693).
Eine solche Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung im Amtshaftungsprozess auf bloße „Vertretbarkeit“ gilt deshalb z.B. nicht für die Art und Weise der Zusammenstellung des Aktenmaterials seitens der Ermittlungsbehörde gegenüber dem Ermittlungsrichter. Dies gilt unbeschadet eines gewissen, gerichtlich nicht überprüfbaren Beurteilungsspielraums bei der Auswahl des Materials und der Vorlage der Ermittlungsergebnisse gegenüber dem Ermittlungsrichter (BGH NJW 2003, 3693; OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.03.2019 - 4 U 118/17). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die (vorgelagerte) Referierung von Ermittlungsergebnissen seitens der Kriminalpolizei gegenüber der Staatsanwaltschaft. Die Zusammenstellung des Aktenmaterials muss den Staatsanwalt in die Lage versetzen, eine umfassende rechtliche Würdigung des Sachverhaltes vorzunehmen und auf dieser Grundlage eine eigene verantwortliche Entscheidung über die weiteren Ermittlungsschritte zu treffen. Es besteht auch insoweit kein Grund für eine Beschränkung der gerichtlichen Nachprüfung im Amtshaftungsprozess auf bloße „Vertretbarkeit“ (OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.03.2019 - 4 U 118/17).
Die Staatsanwaltschaft hat zunächst die Pflicht zu prüfen, ob der angezeigte Sachverhalt überhaupt in denkbarer Weise unter einen Straftatbestand fällt, bevor sie weiter ermittelt (BGHZ 20, 178, 180.).
Die sich daran anschließende Entscheidung über die Einleitung oder Fortführung von Ermittlungen ist amtspflichtwidrig, wenn sie unvertretbar ist; das Unterlassen einer Einstellung ist dementsprechend nur dann amtspflichtwidrig, wenn die Einstellung der Ermittlungen die einzig vertretbare Entscheidung gewesen wäre (BGH NJW 1989, 96; OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791.). Strafrechtliche Ermittlungen sind zwar überwiegend mit Eingriffen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht verbunden. Wegen des strafrechtlichen Legalitätsprinzips sind sie aber bei entsprechendem Anfangsverdacht rechtmäßig und werden auch nicht dadurch unrechtmäßig, dass sie sich am Ende als ungerechtfertigt erweisen (OLG Celle NJW-RR 2008, 1262; Palandt-Sprau, § 823 BGB, Rdn. 37.). Als Mittel zur Aufklärung schwerer Straftaten kann daher auch die Nutzung öffentlicher Medien – wie etwa Fernsehen, Hörfunk, Printmedien und Internet – zulässig sein. Die Einrichtung eines Internetforums („Fahndungsblog“) durch die Strafverfolgungsbehörden, in dem Mitteilungen von Hinweisgebern von jedem anderen Nutzer weltweit abgerufen werden können, ist jedoch regelmäßig unverhältnismäßig und verletzt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (OLG Celle NJW-RR 2008, 1262.).
In diesem Zusammenhang hat auch die Amtspflicht zur raschen Sachentscheidung besondere Relevanz: Die Staatsanwaltschaft muss die Ermittlungen zügig durchführen und nach ihrem Abschluss in angemessener Zeit entweder Anklage erheben oder das Verfahren einstellen (BGH VersR 1983, 754. ). Außerdem muss sie das den Beschuldigten am wenigsten belastende Vorgehen wählen, mithin den fundamentalen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strikt beachten (OLG Koblenz MDR 1984, 144; Geigel/Schlegelmilch-Kapsa, Kap. 20, Rdn. 121.).
Die Beantragung und der Vollzug einer Durchsuchungs- oder Beschlagnahmeanordnung sind nur amtspflichtwidrig, wenn die diesbezügliche Entscheidung unvertretbar ist (BGH NJW 1989, 1924; BGH VersR 1997, 1363; BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Staatsanwaltschaft 2; OLG München, Beschl v. 11.10.2011, Az. 1 U 708/11.). Gleiches gilt für den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls (BGH NJW 1998, 751; OLG München, Beschl. v. 28.06.2010, Az. 1 W 1548/09.). Die Beantragung eines Haftbefehls begründet allerdings dann Amtshaftungsansprüche, wenn dem Ermittlungsrichter nicht alle Ermittlungsergebnisse vorgelegt werden und der Ermittlungsrichter bei Kenntnis von allen Ermittlungsergebnissen den Haftbefehl nicht erlassen hätte (BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Staatsanwaltschaft 3; BGH NJW 1998, 751; NJW 2003, 3693, 3694 f.). Kann dagegen ein beschlagnahmter Gegenstand aufgrund Verlustes später nicht mehr herausgegeben werden, sind Amtshaftungsansprüche ohne Weiteres begründet (LG Dortmund, Urt. v. 14.10.2011, Az. 25 O 6/11.).
Besonderheiten gelten bei der Auskunft über den Stand eines Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft darf keine unrichtigen Auskünfte erteilen, etwa einen bestehenden Tatverdacht unzutreffend wiedergeben; dabei entscheidet nicht nur der reine Wortlaut der Auskunft, sondern auch der Eindruck, den die Auskunft bei Lesern der durch die Presse weiterverbreiteten Auskunft hervorruft, insbesondere im Hinblick auf Art und Umfang der erhobenen Vorwürfe (BGHZ 27, 338.). Darüber hinaus ist von einer Amtspflichtverletzung auszugehen, wenn nach Art und Umfang der erhobenen Vorwürfe kein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, sodass die Auskunft über das Ermittlungsverfahren hätte unterbleiben müssen (OLG Hamm, Urteil vom 14. November 2014 – I-11 U 129/13, 11 U 129/13 –, juris; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 662; Gounalakis, NJW 2012, 1473.). Geboten ist dabei eine Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Gestalt des Geheimhaltungsinteresses des Beschuldigten. Danach sind die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten schon dann missachtet, wenn die Presse bestimmte Informationen zum Stand des Ermittlungsverfahrens erhält, noch bevor der Beschuldigte selbst über den aktuellen Stand unterrichtet wurde (OLG Düsseldorf NJW 2005, 1791; Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 662.). Ob die gebotene Abwägung korrekt vorgenommen wurde, unterliegt dabei der vollen Kontrolle durch das Gericht; ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab wie bei den meisten anderen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft besteht hier nicht (Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 662.). Das erklärt sich daraus, dass es bei der Auskunft nicht um originäre Strafrechtspflege geht, sondern um eine reine behördliche Tätigkeit.
Gleichfalls handelt die Staatsanwaltschaft amtspflichtwidrig, wenn sie eine falsche öffentliche Bekanntmachung einer Verfügung nicht umgehend beseitigt, nachdem sie bei einer Nachprüfung den Fehler festgestellt hat (RGZ 113, 104, 106.). Hier erweckt sie nämlich durch das „Stehenlassen“ der Verfügung den Eindruck, als ob die der Verfügung zugrundeliegende Beschuldigung zutreffend sei.
Bei der Anklageerhebung handelt die Staatsanwaltschaft dagegen nur amtspflichtwidrig, wenn diese unvertretbar ist, (OLG München, Beschl. v. 30.05.2011; Az. 1 U 5217/10.) d. h. wenn ohne greifbare positive Hinweise auf eine Täterschaft Anklage erhoben wird, (Geigel/Schlegelmilch-Kapsa, Kap. 20, Rdn. 121.) oder wenn sie in keinem angemessenen zeitlichen Verhältnis zum Abschluss der Ermittlungen steht.
Zudem begeht die Staatsanwaltschaft eine Amtspflichtverletzung, wenn sie ein noch nicht rechtskräftiges Strafurteil nach § 346 Abs. 2 Satz 2 StPO sofort vollzieht, obwohl sie erkannt hat oder jedenfalls hätte erkennen müssen, dass dem Revisionsgericht ein Fehler unterlaufen ist und das Urteil keinen Bestand haben kann, weil das Revisionsverfahren noch fortgesetzt werden kann (BGH VersR 1966, 388, 389).
Amtspflichten der Staatsanwaltschaften können schließlich auch gegenüber Dritten, also anderen Personen als Verletztem und Beschuldigtem bestehen (Geigel/Schlegelmilch-Kapsa, Kap. 20, Rdn. 122, 155.). Das besondere Problem liegt hier bei der Begründung der Drittgerichtetheit der Amtspflicht. Dargelegt werden muss, warum die Amtspflicht, deren Verletzung durch eine fehlerhafte Anklageerhebung, Durchsuchung oder Beschlagnahme behauptet wird, den Zweck hat, gerade das im Einzelfall berührte Individualinteresse des Geschädigten wahrzunehmen (Geigel/Schlegelmilch-Kapsa, Kap. 20, Rdn. 155.). Freilich ist dies unproblematisch, wenn der Dritte von der Maßnahme, etwa einer Durchsuchung, gerade unmittelbar betroffen ist, weil etwa seine Wohnung durchsucht wird (LG Berlin, Urt. v. 18.08.2010, Az. 86 O 652/09).
Der BGH hat einen Amtshaftungsanspruch für den Fall grundsätzlich bejaht, dass einer Gesellschaft eine Versicherungssumme aus einer Feuerversicherung verspätet ausgezahlt wurde, weil gegen ihre Geschäftsführer in unvertretbarer Weise Anklage wegen Brandstiftung erhoben wurde; wegen der typischen und schwerwiegenden Folgen des Ermittlungsverfahrens für die Versicherung wurde die versicherte Gesellschaft als Dritte angesehen (BGH NJW 2000, 2672, 2675.). Ebenso bejahte der BGH den Entschädigungsanspruch eines Dritten, der Wein bei einem Zwischenhändler gekauft hatte, der dort aber von der Staatsanwaltschaft noch vor Auslieferung rechtswidrig beschlagnahmt wurde und deshalb nur noch zu einem geringeren Preis verkauft werden konnte (BGH VersR 1997, 1363, 1364 f.).
Bei der Tätigkeit von Staatsanwälten stellt sich in besonderem Maße die Frage nach der Anwendbarkeit der Kollegialgerichtrichtlinie, nach der ein Verschulden des Amtsträgers entfällt, wenn ein Kollegialgericht die Amtshandlung als rechtmäßig beurteilt hat. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft wird nämlich regelmäßig zuvor von Strafgerichten, etwa bei der Anordnung der Untersuchungshaft, bei der Haftbeschwerde oder bei der Zulassung der Anklage, überprüft. Auch auf diese strafrichterliche Überprüfung ist die Kollegialgerichtrichtlinie prinzipiell anwendbar. Entscheidet dabei tatsächlich ein Kollegialgericht (etwa das Landgericht) und folgt es dem Antrag der Staatsanwaltschaft, ist das Verschulden regelmäßig zu verneinen.
Die Anwendbarkeit der Kollegialrichtrichtlinie ist jedoch in zahlreichen Fällen ausgeschlossen: (Fluck, NJW 2001, 202.) Erstens, wenn sich das Kollegialgericht bereits im Ausgangspunkt nicht von einer rechtlich verfehlten Betrachtungsweise freimachen konnte; (BGH NJW 1989, 96, 97.) zweitens, wenn das Kollegialgericht die Anklageerhebung lediglich nach einem gegenüber der eigenen Prüfungspflicht der Staatsanwaltschaft reduzierten Prüfungsmaßstab gebilligt hat, indem es auf Vertretbarkeit, nicht aber auf Richtigkeit hin geprüft hat; (BGH NJW 1998, 751, 752.) und schließlich drittens, wenn keine umfassende und sorgfältige Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Kollegialgericht erfolgt ist, etwa bei der Entscheidung einer Strafkammer über eine Haftbeschwerde, bei der wegen der Zeitnot und des Aktenumfangs keine detaillierte Prüfung erfolgte (BGHZ 27, 338, 349.).
Zu beachten ist darüber hinaus, dass das Zivilgericht nicht an die Entscheidungen des Strafgerichts gebunden ist (Fluck, NJW 2001, 202.). Ein Freispruch durch ein Strafgericht führt also nicht notwendig dazu, dass eine Amtspflichtverletzung zu bejahen ist. Umgekehrt führt die Zulassung der Anklage durch einen Strafrichter nicht notwendigerweise dazu, dass eine Amtspflichtverletzung durch die Staatsanwaltschaft ausgeschlossen ist.
Ansprüche wegen Amtspflichtverletzung verjähren gemäß § 195 BGB in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Geschädigte Kenntnis vom Schädiger und den den Schaden begründenden Umständen erlangt hat oder grob fahrlässig in Unkenntnis geblieben ist, § 199 BGB. Bei Amtshaftungsansprüchen wegen unvertretbarer Anklageerhebung beginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit der rechtskräftigen Ablehnung, das Hauptverfahren zu eröffnen (BGH NJW 1998, 2051).
§ 839 Abs. 3 BGB findet auch bei Zwangsmaßnahmen der Ermittlungsbehörden Anwendung. Gegen eine Beschlagnahme muss der Betroffene daher zunächst die nach der StPO vorgesehenen Rechtsbehelfe ergreifen (OLG München, Beschl. v. 26.08.2011, Az. 1 U 708/11).
In besonderen Fällen kann über den materiellen Schaden hinaus Schmerzensgeld verlangt werden, § 253 Abs. 2 BGB. Voraussetzung dafür ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Bejaht wurde dies von der Rechtsprechung bei rechtswidriger Untersuchungshaft über einen längeren Zeitraum, (BGH NJW 2003, 3693, 3698.) ebenso bei rechtswidrigen Abhörmaßnahmen über einen sehr langen Zeitraum (20 Monate) (BGH NJW 2003, 2693, 3698.) und schließlich bei einer negativen Berichterstattung in der Presse aufgrund einer unrichtigen Auskunft (BGH NJW 1994, 1950; LG Düsseldorf NJW 2003, 2536, 2541 f. ; a. A. Staudinger-Wurm, § 839 BGB, Rdn. 662).
Neben dem Anspruch aus § 839 BGB kommen Entschädigungsansprüche aus den Landespressegesetzen und aus dem Gesetz betreffend die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen in Betracht.Mehrere Landespressegesetze sehen bei unzulässiger oder ungerechtfertigter Beschlagnahme bzw. bei vorläufiger Sicherstellung von Druckerzeugnissen durch die Staatsanwaltschaften eine Entschädigungspflicht des Landes vor (Dazu Galke, DVBl. 1990, 145, 146; Koebel, NJW 1967, 321, 325.).Ansprüche auf Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen können neben Amtshaftungsansprüchen geltend gemacht werden (Fluck, NJW 2001, 202, 203.). Anders als bei Amtshaftungsansprüchen ist bei Ansprüchen nach dem Strafverfolgungsentschädigungsgesetz kein Verschulden erforderlich – es handelt sich um einen der wenigen Fälle verschuldensunabhängiger Staatshaftung (Galke, DVBl. 1990, 145, 145 f.). Allerdings kann dem Anspruchssteller nur in wenigen Fällen über das Strafverfolgungsentschädigungsgesetz besser zu einer adäquaten Entschädigung verholfen werden als über eine Amtshaftungsklage (Vgl. Fluck, NJW 2001, 202, 203.). Das liegt daran, dass der tatbestandliche Anwendungsbereich deutlich enger ist als beim Amtshaftungsanspruch und der Umfang der Entschädigung gemäß § 7 StrEG als immaterieller Schadensersatz für jeden Tag der Freiheitsentziehung 25 Euro beträgt. Zudem ist die Drei-Monats-Frist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu beachten, die allerdings auch durch einen Prozesskostenhilfeantrag gewahrt werden kann (BGH NJW 2007, 439.). Der Schaden muss zudem beim Beschuldigten selbst eingetreten sein und also nicht im Vermögen eines Dritten (OLG Nürnberg, Urt. v. 23.07.2012, Az. 4 U 2315/11.). Oft wird es daher ratsam sein, neben diesen Entschädigungsansprüchen zugleich Amtshaftungsansprüche geltend zu machen.
Gleichwohl gibt es auch Fälle, in denen bereits eine Klage allein gestützt auf § 7 StrEG erfolgreich ist, etwa wegen entgangenen Gewinns (Verlust des Arbeitsplatzes) (LG München I, Urt. v. 07.11.2007, Az. 9 O 7163/05. Die verhinderte Nutzung eines PKW begründet dagegen keinen ersatzfähigen Vermögensschaden, OLG Koblenz, Beschl. v. 18.05.2010, Az. 1 U 296/10.).Über die Verpflichtung zur Entschädigung dem Grunde nach entscheidet das Strafgericht im sog. Grundverfahren, §§ 8, 9 StrEG. Über den Umfang der Entschädigung entscheidet die Justizverwaltung. Gegen deren Entscheidung ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, §§ 10 Abs. 2, 13 Abs. 1 StrEG (OLG Nürnberg, Urt. v. 23.07.2012, Az. 4 U 2315/11; Galke, DVBl. 1990, 145, 146.). In diesem Verfahrensstadium kann die Entscheidung über die Haftung dem Grunde nach indes nicht mehr überprüft werden; vor den ordentlichen Gerichten können allein Fragen der Anspruchshöhe behandelt werden (Galke, DVBl. 1990, 145, 147.). Das bedeutet, dass nur hinsichtlich der im Grundverfahren festgestellten Strafverfolgungsmaßnahmen, für die das Strafgericht einen Entschädigungsanspruch ausgesprochen hat, eine Entschädigung gewährt werden kann (ThüringerOLG, Beschl. V. 30.04.2012, Az. 4 W 94/12.).
Einen Grenzbereich der Amtshaftung im Rechtspflegebereich stellt die Maßnahme der zwangsweisen Unterbringung eines Patienten in einer psychiatrischen Klinik dar, weil es sich hier nicht nur um eine juristische, sondern zugleich auch um eine kurative Maßnahme zum Wohl des Patienten handelt. Zwei Konstellationen erweisen sich insofern als außerordentlich haftungsrelevant: Amtshaftungsansprüche können sich zum einen daraus ergeben, dass ein Patient rechtswidrig einer ärztlichen Behandlung als hoheitlich angeordnete Zwangsmaßnahme unterzogen wird, und zum anderen daraus, dass den Gefahren, die von den in einem Krankenhaus untergebrachten Patienten ausgehen, nicht wirksam begegnet wurde.
Amtshaftungsansprüche des Patienten setzen voraus, dass er zwangsweise in einer Klinik untergebracht wurde. Zu unterscheiden ist sodann zwischen der Zwangseinweisung selbst und den Maßnahmen während der Zwangseinweisung (Fixierung, medikamentöse Behandlung). In beiden Konstellationen kann es selbständig zu Amtshaftungsansprüchen kommen (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.07.2019 - 8 U 59/18).
Die richterliche Unterbringungsentscheidung selbst löst Amtshaftungsansprüche aus, wenn sie sich als nicht mehr vertretbar und damit als rechtswidrig erweist.Ein Amtsarzt verletzt in diesem Zusammenhang seine Amtspflicht, wenn er ein Gutachten unterzeichnet, das zur Einweisung des Patienten in eine geschlossene Heilanstalt führt, ohne den Patienten gesehen, geschweige denn untersucht zu haben (BGH NJW 1995, 2412; OLG Naumburg GesR 2010, 318; OLG Oldenburg NJW-RR 1996, 666; OLG Oldenburg VersR 1991, 306, 307.). Ebenfalls müssen grundlegende fachliche Standards beachtet werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. November 2015 – 9 U 78/11 –, juris.).
Der Krankenhausträger (Hierzu OLG München, Urt. v. 29.03.2012, Az. 1 U 4444/11.) ist während des Krankenhausaufenthaltes haftbar, etwa wenn der Patient eine fehlerhafte Zwangsbehandlung erleidet (OLG München, Urt. v. 29.03.2012, Az. 1 U 4444/11.) oder wenn das Krankenhauspersonal seine Sorgfaltspflichten gegenüber dem Patienten verletzt, indem es ihn nicht durch fortlaufende, wenn auch nicht lückenlose Überwachung und Sicherung vor Selbstschädigungen schützt (BGH NJW 2008, 1444; BGH VersR 1993, 751 f.; BGH VersR 1987, 985.). Die Haftung des Krankenhausträgers bejahte die Rechtsprechung etwa in dem Fall, dass sich eine suizidgefährdete Patientin selbst anzündete und dadurch schwere Brandwunden davontrug (BGH VersR 1993, 751 f.). Der Krankenhausträger haftet auch dann, wenn sich ein Patient aus einem gewaltsam geöffneten Fenster stürzt, weil das Krankenhauspersonal das Fenster besser hätte sichern müssen, weil es mit dem Verhalten des Patienten hätte rechnen müssen (BGH VersR 1987, 985; LG Magdeburg, Urt. v. 14.09.2011, Az. 9 O 1041/08, aufgehoben durch BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 – III ZR 388/12).
Noch völlig ungeklärt ist hingegen die Frage, ob sich Amtshaftungsansprüche auch zugunsten von dritten Personen ergeben können, die durch untergebrachte Patienten geschädigt werden (Vgl. BGH DVBl. 2006, 182 für eine ähnliche Fallkonstellation (Aufsicht über Gefangene dient auch dem Schutz anderer Justizvollzugsbediensteter).). Das wird etwa in dem Fall relevant, wenn leitende Ärzte einer psychiatrischen Klinik einem dort Untergebrachten Ausgang gewähren, obwohl dieser weiterhin eine Gefahr darstellt, und er während des Ausgangs Schäden anrichtet.
Anlass für diese Überlegung gibt eine BGH-Entscheidung, die die Strafbarkeit von Personen, die in einer psychiatrischen Klinik mit Leitungsfunktionen betraut sind, wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger Körperverletzung grundsätzlich bejaht, weil sie einem erkennbar tatgeneigten, in ihrer Klinik untergebrachten Patienten Ausgang gewährten und dieser den Ausgang zur Begehung von Tötungs- und Körperverletzungsdelikten missbrauchte (BGH NJW 2004, 237.). Ist aber die Frage der Strafbarkeit grundsätzlich bejaht, liegt auch der objektive Tatbestand einer Amtspflichtverletzung vor.
Sind die Klinikärzte verbeamtet, und ist der Untergebrachte zwangsweise eingewiesen, so üben sie als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn ein öffentliches Amt aus; der Anwendungsbereich für Amtshaftungsansprüche ist damit grundsätzlich eröffnet (Vgl. BGH NJW 2008, 1444).
Den Klinikärzten obliegt die Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln. Insbesondere dürfen sie nicht gegen Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verstoßen (Palandt-Sprau, § 839 BGB, Rdn. 37; MüKo-Papier, § 839 BGB, Rdn. 199.). Zu diesen Schutzgesetzen gehören auch § 222 StGB und § 229 StGB. Eine Amtspflichtverletzung liegt demnach vor, wenn die Klinikärzte dem Untergebrachten einen (unbeaufsichtigten) Ausgang gewähren, obwohl er weiterhin die Neigung zu Straftaten hat, die Entscheidung mithin den Regeln der psychiatrischen Kunst nicht entspricht, und der Untergebrachte während des Ausgangs anderen Menschen körperlichen Schaden zufügt (Vgl. BGH NJW 2004, 237, 239.). Gleichermaßen handeln sie pflichtwidrig, wenn sie ihre im Ergebnis falsche Prognose auf relevant unvollständiger Tatsachengrundlage oder unter unrichtiger Bewertung der festgestellten Tatsachen getroffen haben (BGH NJW 2004, 237, 239.).
Anknüpfungspunkt für die Amtspflichtverletzung ist die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, nämlich § 222 StGB oder § 229 StGB. Beide Normen schützen unstreitig das Interesse des einzelnen Rechtsgutsträgers an seiner körperlichen Unversehrtheit. Dementsprechend entfaltet auch die darauf aufbauende Amtspflicht drittschützende Wirkung gegenüber dem Geschädigten.
Dieser Interpretation steht auch nicht ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entgegen, das die Verantwortung des Staates Italien für einen durch beurlaubte Gefangene begangenen Mord verneint hat (EGMR NJW 2003, 3259.). Nach Auffassung des Gerichts besteht eine Schutzpflicht des Staates zwar nur dann, wenn eine oder mehrere bestimmte Personen potentielle Mordopfer sind (EGMR NJW 2003, 3259, 3261.). Im Amtshaftungsrecht geht es aber nicht um eine präventive Schutzpflicht des Staates, sondern um eine reaktive Schadensausgleichspflicht. Das Kriterium des Drittschutzes kann daher keinesfalls auf die Fälle verengt werden, in den zugleich ein staatliche – grundrechtlich fundierte – Schutzpflicht gegenüber dem Einzelnen besteht. Vielmehr lässt sich der Amtshaftungsanspruch als Fortsetzung des originären grundrechtlichen Abwehranspruchs begreifen, der deutlich weiter als der grundrechtliche Schutzanspruch ist.
Der Zurechnungszusammenhang ist in den Fällen zu bejahen, in denen der eingetretene Schaden nach dem Maßstab des gewöhnlichen Erfahrungsbereichs auf den festgestellten psychischen Störungen beruht, insbesondere wenn eine besondere und spezifische Tatgeneigtheit festzustellen ist (Vgl. BGH NJW 2004, 237, 239). Er kann also nur dann verneint werden, wenn der Untergebrachte während des Ausgangs völlig untypische Verhaltensweisen zeigt, die noch nie vorher bei ihm beobachtet wurden. Demnach wäre der Schaden etwa dann nicht mehr zurechenbar, wenn der wegen mehrfacher Vergewaltigung Untergebrachte während des Ausgangs eine Brandstiftung begeht.
Das Verschulden ist indiziert, wenn die Entscheidung nicht mehr mit den Regeln der psychiatrischen Kunst vereinbar ist (Vgl. BGH NJW 2004, 237, 239). Insbesondere ist gerade bei einem tatgeneigten Untergebrachten auch subjektiv vorhersehbar, dass er Straftaten begehen wird (Vgl. BGH NJW 2004, 237, 239).
Der Ausschlusstatbestand der anderweitigen Ersatzmöglichkeit, § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist zu berücksichtigen, wenn gegen den Täter selbst Schadensersatzansprüche geltend gemacht und auch durchgesetzt werden können.
Die Rechtsprechung zur Amtshaftung im Haftvollzug ist aufgrund verschiedener verfassungsgerichtlicher Urteile in Bewegung gekommen. Im Zentrum steht dabei die Haftung wegen menschenunwürdiger Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt (Zur gemeinsamen Unterbringung eines Abschiebungshäftlings mit einem Strafgefangenen OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 4 U 112/13).
Die Inhaftierung in einem Einzelhaftraum von einer Größe zwischen fünf und acht Quadratmetern mit einer baulich nicht abgetrennten, im selben Raum befindlichen Toilette verstößt nach Ansicht der Rechtsprechung gegen das Gebot der menschenwürdigen Behandlung von Strafgefangenen gemäß Art. 1 und 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2015 – 1 BvR 1127/14 –, juris; BVerfG NJW-RR 2011, 1043 ff. m.w.N.; BGHZ 161, 33; OLG München, Beschl. v. 07.02.2012, Az. 1 W 102/12; OLG Hamm Urt. v. 08.04.2011, Az. 11 U 76/09; LG Berlin, Urt. v. 30.11.2011, Az. 86 O 360/10). Damit verletzt das jeweilige Land, zu dessen hoheitlichen Aufgaben der Strafvollzug gehört, eine dem Inhaftierten gegenüber bestehende Amtspflicht. Das Verschulden lässt sich allein aus der Tatsache der menschenunwürdigen Unterbringung im Sinne eines Organisationsverschuldens ableiten (Eichinger, JR 2012, 57 ff.; Lindemann, JR 2010, 469). Die Rechtsprechung erkennt dann eine Entschädigung – in Anlehnung an die Regelung des § 7 Abs. 3 StrEG – zwischen 10 € und 30 € pro Hafttag zu. Eine Geldentschädigung kommt allerdings nicht in Betracht, wenn es der Strafgefangene versäumt hat, ein Verfahren nach §§ 109, 114 StVollzG einzuleiten und er allenfalls für die Dauer des Verfahrens weiterhin menschenunwürdig untergebracht geblieben wäre (BGH NJW-RR 2010, 1465; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.08.2010, Az. I-18 U 21/10; OLG Köln, Urt. v. 08.10.2009, Az. 7 U 48/09). Wurde die Antragstellung dagegen unverschuldet unterlassen, ist der Entschädigungsanspruch gegeben (OLG Hamm, Beschl. v. 13.08.2010, Az. 11 U 190/10).
Auch ein Hafteinschluss von 23 Stunden täglich ohne Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten, ohne Gruppenangebote im weiteren Sinne und ohne jeden sozialen Austausch verletzt den Strafgefangenen in seiner Menschenwürde (KG Berlin, Urteil vom 17. Februar 2015 – 9 U 129/13).
Der Justizverwaltung ist es im Übrigen unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verwehrt, gegenüber dem Anspruch eines Strafgefangenen auf Geldentschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen mit einer Gegenforderung auf Erstattung offener Kosten des Strafverfahrens aufzurechnen (BGH NJW-RR 2010, 167; Abgrenzung Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 19. November 2015 – 4 U 124/14; OLG Hamm, Urteil vom 06. März 2015 – I-11 U 95/14, 11 U 95/14).
Beim Vollzug der Untersuchungshaft bestehen Amtspflichten zugunsten des Untersuchungshäftlings zum Schutz vor potentiell gewalttätigen Mithäftlingen (BVerfG, Beschluss vom 05. Oktober 2015 – 2 BvR 2503/14 –, juris).
Eine Amtspflichtverletzung ist auch gegeben, wenn resozialisierende Behandlungs- und Erprobungsmaßnahmen zur zeitgerechten Wiedererlangung der Freiheit eines in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten erst verspätet eingeleitet werden (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 16.11.2018 - 15 U 89/17).