Die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen

 

I. Einführung

 

II. Die Haftungsvoraussetzungen

 

1. Gerichtlicher Sachverständiger

 

2. Unrichtiges Gutachten

 

3. Gerichtliche Entscheidung

 

4. Verschulden

 

5. Ausschluss durch Rechtsmittelversäumnis

 

6. Kausalität

 

7. Schaden

 

III. Prozessuale Fragen

 

1. Sachliche Zuständigkeit

 

2. Beweislast

 

3. Streitverkündung  

I. Einführung

 

Im Zuge der Schadensrechtsänderung vom 01.08.2002 wurde mit § 839a BGB eine eigene Vorschrift zur Haftung des gerichtlichen Sachverständigen in das BGB eingefügt. Grund für die Neuaufnahme dieser Regelung war die nach bisherigem Recht bestehende Haftungsdivergenz, je nachdem, ob der Sachverständige vereidigt worden war oder nicht (Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 3; Wagner, NJW 2002, 2049, 2062; Jacobs, ZRP 2001, 489, 490f). Im ersten Fall haftete er gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 154, 155, 163 StGB auch bei bloßer Fahrlässigkeit für Vermögensschäden, im letzteren Fall für Vermögensschäden nur bei Vorsatz gemäß § 826 BGB und für sonstige Rechtsgutsverletzungen nur bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 823 Abs. 1 BGB (Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 4 f). Diese unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen sollten beseitigt werden, (Bamberger/Roth-Reinert, § 839a BGB, Rdn. 3) da die Vereidigung in Bezug auf die Haftung kein geeignetes Differenzierungskriterium ist (BT-Dr 14/7752, S.28, vgl. auch BVerfGE 49, 304). Nach § 839 BGB war und ist der Sachverständige ohnehin nicht haftbar, da er, auch wenn er vom Gericht bestellt ist, keine hoheitliche Tätigkeit ausübt; (BGH NJW 2003, 2825; OLG Düsseldorf NJW 1986, 2891; Palandt-Sprau, § 839a, Rdn. 2; Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 2; Bamberger/Roth-Reinert, § 839a BGB, Rdn. 2) insofern erweist sich die systematische Stellung des § 839a BGB direkt im Anschluss an § 839 BGB als problematisch, weil der Sachverständige eben keine spezielle hoheitliche Tätigkeit ausübt (Jacobs, ZRP 2001, 489, 492).

  

Aus Praxissicht hat sich mit § 839a BGB für den Geschädigten eine Verbesserung ergeben, da es keiner Vereidigung mehr bedarf, um die Haftung für Vermögensschäden zu begründen. Allerdings muss jetzt vor Abschluss eines Vergleichs sehr sorgfältig geprüft werden, ob das Sachverständigengutachten nicht grob fahrlässig falsch erstattet wurde, da mit Vergleichsabschluss der Anspruch gegen den Sachverständigen verloren geht.

  

Außerhalb eines Gerichtsverfahrens beurteilt sich die Sachverständigenhaftung allein nach § 839 BGB (OLG Hamm, Urteil vom 22. Mai 2015 – 11 U 101/14 –, juris). Im Übrigen ist § 839 BGB gegenüber § 839a BGB die vorrangige Regelung (BGH, Urteil vom 06. März 2014 – III ZR 320/12).

  

§ 839 BGB verdrängt als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB wie auch aus § 839a BGB (OLG Koblenz, Urteil vom 18.03.2016 - 1 U 832/15). Insofern ist bei Gutachterfehlern entscheidend, ob der Gutachter lediglich als Verwaltungshelfer anzusehen ist, sodass ausschließlich Amtshaftungsansprüche in Betracht kommen (OLG Hamm, Urteil vom 22.05.2015 - 11 U 101/14).

  

Ist der vom Kreisjugendamt beauftragte Gutachter infolge grober Fahrlässigkeit von einer Kindesmisshandlung ausgegangen und wird das Kind daraufhin in einer Bereitschaftspflege untergebracht, haftet der Gutachter nicht persönlich für Schadensersatz- oder für Schmerzensgeldansprüche. Denn der Gutachter ist hier in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes tätig geworden, so dass eine befreiende Haftungsübernahme durch den Landkreis eingetreten ist (OLG Koblenz, Urteil vom 18.03.2016 - 1 U 832/15). In Fällen, in denen eine Behörde oder ein Sozialleistungsträger einen ärztlichen Sachverständigen zur Vorbereitung des Erlasses eines Verwaltungsaktes mit der Untersuchung und Begutachtung einer Person beauftragt hat, nimmt der Sachverständige hoheitliche Aufgaben wahr (BGHZ 59, 310; OLG Köln, Beschluss vom 20.07.2018 - 5 U 200/17). Der Sachverständige kann deshalb nicht passivlegitimiert sein (OLG Köln, Beschluss vom 20.07.2018 - 5 U 200/17).

 

II. Die Haftungsvoraussetzungen

 

Nach § 839a BGB ist ein gerichtlicher Sachverständiger zum Ersatz verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet und eine darauf beruhende gerichtliche Entscheidung einem der Verfahrensbeteiligten Schaden zufügt, sofern es der Verfahrensbeteiligte nicht schuldhaft unterlassen hat, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen. Erforderlich ist also ein zweiaktiger Geschehensablauf, nämlich ein unrichtiges Gutachten, das zu einer entsprechend unrichtigen gerichtlichen Entscheidung geführt hat (BGH NJW 2006, 1733; Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 7).

 

1. Gerichtlicher Sachverständiger

 

Anspruchsverpflichtet ist allein der gerichtlich bestellte Sachverständige als natürliche Person, nicht aber der Arbeitgeber, eine juristische Person oder weitere Sachverständige in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2016 - 4 U 26/15; OLG Hamm BauR 2010, 1811). Auch der von einer Partei beauftragte Privatgutachter ist kein gerichtlicher Sachverständiger. Der von einem Schiedsgericht zugezogene Sachverständige wird kraft Ermächtigung (im Auftrag und in Vollmacht) der Parteien von den Schiedsrichtern mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt; er haftet deshalb nicht nach § 839a BGB, sondern nach allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen gegenüber beiden Parteien, mithin nicht nur bei grober Fahrlässigkeit (Wagner, NJW 2002, 2049, 2063; jetzt auch Staudinger-Wurm, § 839 a BGB, Rdn. 34; a.A. zur alten Rechtslage BGHZ 42, 313, 317). Ebenfalls ist § 839a BGB auf einen Sachverständigen, der im Verwaltungsverfahren für eine Berufsgenossenschaft tätig wird, weder direkt noch analog anwendbar (OLG Köln, Beschluss vom 20.07.2018 - 5 U 200/17).

 

2. Unrichtiges Gutachten

 

Die Pflichtverletzung des Sachverständigen liegt in der Erstattung eines unrichtigen Gutachtens.

Von einem gerichtlichen Sachverständigen anlässlich der Durchführung der Begutachtung verursachte Schäden sind hingegen weder von § 839a BGB erfasst noch stellen sie eine Amtspflichtverletzung in Ausübung eines dem Gutachter anvertrauten Amtes dar, weshalb auch eine Haftung aus Art. 34 GG nicht in Betracht kommt (OLG München, Endurteil vom 20.12.2017 - 20 U 1102/17; BGH, Urteil vom 5. Oktober 1972, III ZR 168/70).

 

Das Gutachten kann in jedwedem Verfahren mit unterschiedlichstem Inhalt erstattet worden sein. Das kann auch ein aussagepsychologisches Gutachten in einem Strafprozess (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2016 - 4 U 26/15) oder ein Verkehrswertgutachten nach § 74 a Abs. 5 Satz 1 ZVG (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - III ZR 345/12, OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 07.07.2015 - 4 U 71/15) sein.

 

Unrichtig ist das Gutachten insbesondere, wenn es von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht, etwa aufgrund einer fehlerhaften oder unvollständigen Befunderhebung, oder wenn es aus dem Sachverhalt die falschen Schlüsse zieht (Palandt-Sprau, § 839a BGB, Rdn. 3; Überblick bei Schöpflin, ZfS 2004, 241, 243).

 

Der Sachverständige muss allerdings gemäß § 404a ZPO die Vorgaben und Weisungen des Gerichts befolgen. Dabei geht es um die Anleitung seiner Tätigkeit durch das Gericht, als dessen sachkundiger Gehilfe er fungiert. Kommt der Sachverständige der Anleitung des Gerichts nach, so kann sich für ihn hieraus im Allgemeinen auch keine Haftung nach § 839a BGB ergeben (BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014 – III ZR 412/13 –, juris).

 

Ein Verkehrswertgutachten nach § 74 a Abs. 5 Satz 1 ZVG ist nur dann im Sinne von § 839 a BGB „unrichtig“, wenn der in ihm festgestellte Verkehrswert nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - III ZR 345/12, OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 07.07.2015 - 4 U 71/15).

 

Wenn ein Verkehrswertgutachter den Wert einer Eigentumswohnung fehlerhaft berechnet, liegt ein unrichtiges Gutachten i.S.d. § 839a BGB vor. Das Vertrauen des Bieters darauf, dass die der Ermittlung des Verkehrswerts zu Grunde gelegten Werte korrekt sind, ist allerdings nicht geschützt, denn der Sachverständige haftet nicht, wenn er zwar von unrichtigen Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist, der Verkehrswert aber im Ergebnis richtig ist (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2017 - 2 U 119/14).

 

Es besteht ein Unterschied zwischen dem Pflichtenkreis eines Wertgutachters und dem eines Gutachters für Gebäudeschäden; anders als der speziell mit der Feststellung von Baumängeln beauftragte Gutachter darf sich der zur Erstellung eines Verkehrswertgutachtens im Zwangsversteigerungsverfahren gerichtlich beauftragte Sachverständige im Allgemeinen mit der Inaugenscheinnahme des Versteigerungsobjekts begnügen (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.03.2017 –3 U 56/07).

  

Geschützte Dritte sind nur die am Verfahren Beteiligten. Maßgeblich ist insoweit aber nicht ein förmlicher, sondern ein materieller Beteiligtenbegriff, der zur Bestimmung des personalen Schutzbereichs auf die Grundsätze zur drittschützenden Wirkung von Amtspflichten im Sinne von § 839 BGB abstellt (BGH NJW 2006, 1733).

 

3. Gerichtliche Entscheidung

 

Weitere Anspruchsvoraussetzung ist, dass es zu einer gerichtlichen Entscheidung gekommen ist. Daran fehlt es, wenn die Parteien den Prozess übereinstimmend für erledigt erklärt (Palandt-Sprau, § 839a BGB, Rdn. 4; a.A. wohl Jauernig-Teichmann, §§ 839a BGB, Rdn. 1 („Endet ein Verfahren ohne gerichtliche Entscheidung, so bleibt es bei den bisherigen Anspruchsgrundlagen“)) oder durch einen Vergleich beendet haben (OLG Nürnberg NJW-RR 2011, 1216, 1217; BT-Dr 14/7752, S.28; Wagner, NJW 2002, 2049, 2063; Huber, NJW-Editorial, Heft 19/2003; Linz DS 2020, 271). Damit entsteht eine unerwartete Haftungsfalle für den Rechtsanwalt: (Huber, NJW-Editorial, Heft 19/2003) Bei einer Prozessbeendigung durch Vergleich ist, abgesehen von der Haftung nach § 826 BGB, jegliche Haftung des Sachverständigen ausgeschlossen, da § 839a BGB eine § 823 BGB verdrängende Spezialnorm ist (BT-Drs. 14/7752, S.28, Palandt-Sprau, § 839a BGB, Rdn.1; Huber, NJW-Editorial, Heft 19/2003). Sollte der Anwalt auch nur fahrlässig übersehen, dass das Gutachten des Sachverständigen grob fahrlässig falsch erstattet wurde, haftet er dem Mandanten für den dadurch entstandenen Schaden (Huber, NJW-Editorial, Heft 19/2003).

  

Im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren findet § 839a BGB analoge Anwendung (BGH (III. Zivilsenat), Urteil vom 24.10.2019 - III ZR 141/18; BGH, Urteil vom 06. März 2014 – III ZR 320/12 –, BGHZ 200, 253-263).

 

§ 839a BGB findet auf die vom Meistbietenden im Zwangsversteigerungsverfahren geltend gemachten Ansprüche gegen den Verkehrswertgutachter Anwendung (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2017 - 2 U 119/14).

 

Ein in einem selbständigen Beweisverfahren gerichtlich bestellter Sachverständiger haftet dann nicht nach § 839a BGB, wenn sich kein Streitverfahren anschließt, das durch eine gerichtliche Entscheidung abgeschlossen wird, und der Kläger im Beweisverfahren einen Antrag auf Einholung eines Ergänzungsgutachtens nicht weiterverfolgt (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.01.2017 –4 U 38/16).

 

4. Verschulden

 

Die Haftung bei einem falschen Gutachten tritt ferner nur dann ein, wenn der Sachverständige das Gutachten grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch erstattet hat. Das bringt gegenüber der bisherigen Rechtslage einerseits eine Haftungserweiterung, (Jacobs, ZRP 2001, 489, 491) andererseits aber auch eine Haftungseinschränkung. Blieb der Sachverständige nämlich unbeeidigt, haftete er für Vermögensschäden nur bei Vorsatz; wurde er dagegen vereidigt, haftete er auch bei leichter Fahrlässigkeit für Vermögensschäden. Der Sachverständige handelt grob fahrlässig, wenn er außer Acht gelassen hat, was jedem Sachverständigen hätte einleuchten müssen, und diese Pflichtverletzung schlechthin unentschuldbar ist (OLG Braunschweig, Urteil vom 19.01.2017 - 2 U 119/14).

 

Grobe Fahrlässigkeit aufgrund unzureichenden Aufwands bei der Begutachtung liegt aber nicht vor, wenn das Gericht die vom Sachverständigen offen gelegte Vorgehensweise als ausreichend erachtet und damit billigt (LG Ulm, Urt. v. 06.11.2009, Az. 3 O 261/09).

 

5. Ausschluss durch Rechtsmittelversäumnis

 

Ausgeschlossen ist die Haftung, wenn es der geschädigte Verfahrensbeteiligte schuldhaft unterlassen hat, die gerichtliche Entscheidung durch ein Rechtsmittel anzufechten, §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB. Damit wird der Geschädigte regelmäßig erst dann nach § 839a BGB gegen den Sachverständigen vorgehen können, wenn er zuvor eine letztinstanzliche Entscheidung herbeigeführt hat (Wagner, NJW 2002, 2049, 2061). Ferner ist auch ein Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, ein Rechtsmittel im Sinne des § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB; (BGHZ 173, 98; OLG Hamm. Beschl. v. 09.12.2010, Az. 6 U 131/10) für die Fälle des § 411a ZPO, mithin bei der Verwertung eines Gutachtens aus einem anderen gerichtlichen Verfahren, dürfte dies aber nicht gelten, da es hier an einer direkten Rechtsbeziehung zu dem Sachverständigen fehlt, aufgrund derer eine gerichtliche Ladung ergehen könnte. Auf die Ladung des Sachverständigen wie auch auf Gegenvorstellungen und formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens darf grundsätzlich keinesfalls verzichtet werden (BGHZ 173, 98, 100 f.; BGH NJW-RR 2006, 1454 f).

 

Als "Rechtsmittel" kommen nämlich auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte Instanz beendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Dabei ist etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, und an formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-) Gutachtens (§ 412 ZPO) zu denken (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - III ZR 240/06, juris; BGH, Beschluss vom 28. Juli 2006 - III ZB 14/06, juris). Es sind also sämtliche zur Korrektur des unrichtigen Sachverständigengutachtens zur Verfügung stehenden innerprozessualen Behelfe schon vor Abschluss der jeweiligen Instanz auszuschöpfen (BGH, Urteil vom 5. Juli 2007 - III ZR 240/06, juris; OLG Celle, Urteil vom 20. Juli 2016 – 4 U 102/13 –, juris). Der dahinterstehende Gedanke ist, dass die Gefahr gemildert werden soll, dass rechtskräftig abgeschlossene Prozesse im Gewande des Sachverständigenprozesses neu aufgerollt werden (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 28; OLG Celle, Urteil vom 20. Juli 2016 – 4 U 102/13 –, juris). Kein "Rechtsmittel" iSv § 839a Abs. 2 iVm § 839 Abs. 3 BGB ist dagegen die Einholung eines Privatgutachtens zur Widerlegung eines - für die betroffene Partei ungünstigen - gerichtlichen Gutachtens (BGH, Beschluss vom 27.07.2017 - III ZR 440/16 unter Aufhebung von OLG Celle, Urteil vom 20.07.2016 – Aktenzeichen 4 U 102/13; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2016 - 4 U 26/15). 

 

Ein Rechtsmittel muss möglich, zumutbar und erfolgversprechend sein, damit sein Nichtgebrauch zu einem Anspruchsverlust führt; liegen diese Voraussetzungen aus der begründeten Sicht des Geschädigten nicht vor, so stellt sich der Nichtgebrauch des Behelfs nicht als schuldhaft dar. Dement-sprechend fehlt es am Verschulden, wenn der Geschädigte davon ausgehen durfte, sämtliche konkret zumutbaren und erfolgversprechenden Behelfe gegen das einer Anklage zugrundeliegende Gutachten ergriffen zu haben (BGH, Urteil vom 24.10.2019 - III ZR 141/18).

6. Kausalität

 

Für den Anspruch nach § 839a BGB ist danach zu unterscheiden, ob das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-) ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität) und ob der geltend gemachte Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Bei der Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf die vom unrichtigen Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung zurückzuführen ist, ist maßgebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen (BGH, Beschluss vom 30.08.2018 - III ZR 363/17).

7. Schaden

 

Nicht ersatzfähig ist derjenige Schaden, der zwar auf der gerichtlichen Entscheidung, aber nicht auf deren Unrichtigkeit beruht. Erweist sich die gerichtliche Entscheidung als trotz der unrichtigen Begutachtung materiellrechtlich zutreffend, liegt der dadurch vermittelte Schaden nicht mehr im Schutzbereich der Norm. Daher steht dem Anspruchsteller kein Schadensersatz zu, wenn er ohne das unzutreffende Gutachten zwar obsiegt hätte – oder hier: nicht strafrechtlich verurteilt worden wäre –, die gerichtliche Entscheidung aber ihrerseits materiellrechtlich unzutreffend ausgefallen wäre

 

Bei der Haftung wegen falscher Verkehrswerteinschätzung ist bei der Schadensberechnung der Betrag anzusetzen, um den die geschädigte Partei den Grundstückskaufvertrag im Vertrauen auf die Richtigkeit der pflichtwidrigen Angaben zu teuer erworben oder zu billig abgegeben hat, ohne dass es auf eine bei Schätzungen hinzunehmende Toleranzschwelle ankäme (BGH, Beschluss vom 02.12.2015 - BGH Aktenzeichen I ZR 47/15).

 

III. Prozessuale Fragen

 

1. Sachliche Zuständigkeit

 

§ 71 Abs. 2 GVG findet für die Sachverständigenhaftung keine Anwendung. Beträgt der geltend gemachte Schadensersatzanspruch daher nicht mehr als 5.000 €, ist die Klage vor den Amtsgerichten zu erheben (Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 30).

 

2. Beweislast

 

Der Geschädigte hat nach allgemeinen Grundsätzen die objektiven und subjektiven Haftungsvoraussetzungen des § 839. a BGB darzulegen und zu beweisen; beim Verschulden kann aber von der Art des Fehlers auf den Verschuldensgrad rückgeschlossen werden (Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 28). Über den hypothetischen Ausgang des Vorprozesses ist nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu befinden (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2016 - 4 U 26/15). Lässt sich anhand späterer Gutachten nicht nachweisen, dass der Sachverständige bei seiner Begutachtung grob fahrlässig oder vorsätzlich ein unrichtiges Gutachten erstattet hat, gehen die verbleibenden Unklarheiten zu Lasten des für eine zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung darlegungs- und beweispflichtigen Erstehers (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.03.2017 –3 U 56/07).

 

Für die Schuldhaftigkeit des Nichtgebrauchs eines Rechtsmittels ist dagegen der Sachverständige darlegungs- und beweispflichtig (Staudinger-Wurm, § 839a BGB, Rdn. 28).

 

3. Streitverkündung

 

Nach § 72 Abs. 2 ZPO ist die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen in dem Prozess, in dem er das potentiell fehlerhafte Gutachten erbracht hat, unzulässig (§ 72 Abs. 2 ZPO idF des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vom 30.12.2006; s.a. BGH NJW 2006, 3214).