Als neueste Entwicklung im Staatshaftungsrecht zeichnet sich die Amtshaftung für gescheiterte zivilrechtliche Vertragsbeziehungen ab. Im Kern geht es darum, dass die öffentliche Hand dafür haften soll, dass bei einem Dritten ein Schaden aufgrund eines unterbliebenen oder eines nachteiligen Vertragsschlusses eingetreten ist. Hierbei lassen sich verschiedene Fallgruppen unterscheiden: Den stärksten Bezug zur hoheitlichen Betätigung haben die Fälle, in denen eine staatliche Genehmigung zu Unrecht versagt oder erteilt wurde. Ein daran anknüpfender Bereich betrifft die Fälle der mangelhaften staatlichen Beaufsichtigung des Vertragspartners, bei deren korrekter Wahrnehmung es gar nicht erst zu einem (in der Folge nachteiligen) Vertragsschluss gekommen wäre. Ferner kann auch der Staat selbst rechtswidrig, nämlich unter Verstoß gegen Vergaberecht, einen Vertragsschluss mit ihm verhindern. Und schließlich sind Fälle denkbar, in denen der Staat in ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Privaten eingreift und dadurch einen Vertragsschluss zugunsten einer Partei ermöglicht, zu Lasten einer anderen aber verhindert, oder selbst – im Rahmen der kommunalwirtschaftlichen Betätigung – einen privaten Mitwettbewerber durch eine eigene – erfolgreiche – Angebotsabgabe verdrängt.
Zum Scheitern einer angestrebten Vertragsbeziehung kann es in erster Linie kommen, wenn eine Zustimmung oder Genehmigung durch die öffentliche Hand nicht erteilt wird. In der Praxis handelt es sich dabei zum einen um Fälle der Kommunalaufsicht und zum anderen um verweigerte vormundschafts- bzw. familiengerichtliche Genehmigungen.
Der kommunalen Rechtsaufsichtsbehörde obliegen nach dem inzwischen gesicherten Stand der Rechtsprechung bei der kommunalrechtlichen Genehmigung von Verträgen der Gemeinde Amtspflichten zum Schutz der Gemeinde (BGH NJW 2003, 1318.). Der BGH hat dies zwar bislang nur für die positive Erteilung einer Genehmigung entschieden. Es kann aber nichts anderes für den Fall gelten, dass die Genehmigung (zunächst) zu Unrecht versagt wurde. Denn die rechtswidrige Versagung einer Genehmigung greift noch stärker in die gemeindliche Rechtssphäre ein als die rechtswidrige Erteilung einer Genehmigung. Verweigert also die Aufsichtsbehörde die Erteilung einer Genehmigung und kann deshalb der von der Gemeinde angestrebte Vertrag nicht wirksam abgeschlossen werden, handelt sie amtspflichtwidrig und muss deshalb den aufgrund des unterbliebenen Vertragsschlusses eingetretenen Schaden ersetzen.
Die Gemeinde muss in diesen Fällen aber zunächst gegen die Versagung der Genehmigung vor den Verwaltungsgerichten vorgehen, § 839 Abs. 3 BGB. Erstreitet sie dann erfolgreich die Genehmigung, liegt der ersatzfähige Schaden im sog. Verzögerungsschaden. Nur wenn zu diesem Zeitpunkt der Vertragsschluss nicht mehr möglich ist, kann etwa der entgangene Gewinn ersetzt verlangt werden. Ein ersatzfähiger Schaden könnte ebenso in den im Rahmen eines neuen Vertragsschlusses anfallenden höheren Kosten für den Bezug der Leistung liegen.
Dem Vormundschaftsgericht obliegt in verschiedenen Fällen die Genehmigung von Verträgen zum Schutz einer Vertragspartei. Verweigert das Gericht zu Unrecht die Genehmigung, handelt es amtspflichtwidrig (OLG München NJW-RR 1992, 672.). Das Land haftet in diesen Fällen für den durch den unterbliebenen Vertragsschluss eingetretenen Schaden.
Ansatzpunkt für die staatliche Haftung bei der rechtswidrigen Erteilung einer Genehmigung ist die positive behördliche Genehmigung eines Vertragsschlusses. Praxisrelevant ist insofern vor allem der Bereich der Kommunalaufsicht, etwa wenn die Kommunalaufsichtsbehörde ein riskantes Investitionsprojekt der Gemeinde genehmigt, das später aber scheitert, (Stein/Itzel/Schwall, Rdn. 732.) wie auch der Bereich der vormundschafts- bzw. familiengerichtlichen Genehmigung.
Der Kommunalaufsichtsbehörde obliegt die Amtspflicht, die Gemeinde vor möglichen Selbstschädigungen zu bewahren; sie darf also eine Genehmigung nicht erteilen, wenn der beabsichtigte Vertragsschluss gegen die Gemeindeordnung verstößt. Bei einer gleichwohl erteilten Genehmigung haftet der Träger der Kommunalaufsichtsbehörde für den der Gemeinde aus dem nachteiligen Vertragsschluss entstehenden Schaden (BGH NJW 2003, 1318; Thüringer OLG, Urt. v. 25.06.2008, Az. 4 U 939/06.).
Auch dem Vormundschaftsgericht obliegt eine drittschützende Amtspflicht zugunsten derjenigen Vertragspartei, für deren rechtsgeschäftliche Willenserklärung die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eingeholt wird, keine rechtswidrige Genehmigung zu erteilen. Insbesondere muss der Vormundschaftsrichter den Sachverhalt hinreichend aufklären (BGH NJW 1986, 2829; BGH VersR 1983, 1080.). Dazu gehört auch, die wirtschaftlichen Folgen des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts sowie die daraus etwa drohenden finanziellen Nachteile und Risiken zu ermitteln (BGH NJW 1986, 2829.).
Im Hinblick auf die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden muss der Geschädigte vortragen, dass die Genehmigung nicht hätte erteilt werden dürfen. Bleibt im Amtshaftungsprozess offen, ob die Genehmigung auch bei amtspflichtgemäßem Verhalten hätte erteilt werden können, geht dies zu Lasten des Geschädigten (BGH NJW 1986, 2829.).
Ausgangspunkt der Amtshaftung ist hier nicht mehr ein staatliches Verwaltungshandeln, das unmittelbar zu einem Schaden führt, sondern eine gescheiterte Vertragsbeziehung zu einem Dritten, insbesondere aufgrund eines betrügerischen Vorgehens oder einer Insolvenz des Dritten, für die der Staat (!) in Regress genommen werden soll. Zentraler Vorwurf ist dabei entweder ein gesetzgeberisches Unterlassen hinsichtlich notwendiger Regularien zur Überwachung der Geschäftstätigkeit des Vertragspartners oder eine mangelhafte Aufsichtstätigkeit der staatlichen Behörden über die Geschäftstätigkeit des Dritten. In der ersten Konstellation geht es nahezu ausschließlich um eine fehlerhafte Umsetzung von EU-Richtlinien, etwa im Fall der Phoenix-Insolvenz um eine Richtlinie über den Anlegerschutz, die den geschädigten Vertragspartner vor dem erlittenen Schaden bewahrt hätte. In der zweiten Konstellation gründet der Amtshaftungsanspruch auf eine mangelhafte Aufsicht, etwa die Bankenaufsicht oder die Kommunalaufsicht hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Betätigung der Gemeinde, oder auf eine mangelhafte Prüfung durch die steuerliche Betriebsprüfung oder die kommunalen Prüfungsverbände. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass nicht das staatliche Unterlassen unmittelbar zu einem Schaden geführt hat, sondern der Vertragsschluss mit einem Dritten, der sich im Nachhinein als ungünstig erweist – sei es aufgrund einer Insolvenz des Vertragspartners oder aufgrund (betrügerisch) überhöhter Entgelte, wie dies in den Schrottimmobilienfällen oder den Fällen der fehlerhaften Kommunalaufsicht der Fall ist.
Problematisch ist in diesen Fällen weniger die Amtspflichtverletzung als vielmehr die Frage des Drittschutzes. Entscheidend ist hier letztlich, ob der eigentliche Grund für die Überwachung der Geschäftstätigkeit zumindest auch dem Schutz potentieller Vertragspartner des zu Überwachenden dient oder ob er „lediglich“ in der Sicherung des öffentlichen Interesses an der Ordnungsmäßigkeit wirtschaftlicher Betätigung liegt. Dafür kommt es maßgeblich auf den Inhalt der Geschäftstätigkeit an: Je stärker dieser im Bereich der elementaren Daseinsvorsorge liegt und je mehr der Bürger auf die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen angewiesen ist, desto eher lässt sich auch eine drittschützende Wirkung bejahen, sofern die Überwachungstätigkeit überhaupt einen Bezug zum Inhalt der Betätigung hat und darin zumindest auch ihre Rechtfertigung findet. Das ist etwa bei der steuerlichen Betriebsprüfung klar zu verneinen.
Amtshaftungsansprüche wegen einer gescheiterten Vertragsbeziehung sind auch in der Konstellation denkbar, dass die öffentliche Hand den Vertragsschluss mit einem Bieter verweigert und zu Unrecht einen anderen Bieter vorzieht. Hier kommt allerdings vorrangig § 126 GWB zur Anwendung.
1. Verstoß gegen eine bieterschützende Vorschrift
6. Umfang des Schadensersatzes
Amtshaftungsansprüche wegen einer gescheiterten Vertragsbeziehung sind auch in der Konstellation denkbar, dass die öffentliche Hand den Vertragsschluss mit einem Bieter verweigert und zu Unrecht einen anderen Bieter vorzieht. Hier kommt allerdings vorrangig § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) zur Anwendung. Eine Amtshaftung kommt im Übrigen nur dann in Betracht, wenn der Vertragsschluss in den Bereich der hoheitlichen Betätigung fällt (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 37).
Nach § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) kann ein Unternehmen vom öffentlichen Auftraggeber Schadensersatz verlangen, wenn der Auftraggeber gegen eine den Schutz von Unternehmen bezweckende Vorschrift verstoßen hat und das Unternehmen ohne diesen Verstoß bei Wertung der Angebote eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten (S. zu einzelnen Schadenskonstellationen Willenbruch, VergabeR 2010, 859). § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) stellt eine eigenständige Schadensersatzregelung dar, die mit Wirkung vom 01.01.1999 in das GWB eingefügt wurde (OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2007, Az. 12 U 1016/05). Die Norm schafft durch den erweiterten Kreis der Anspruchsberechtigten (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 2) eine erhebliche Verbesserung für die Bieter, weil die allgemeinen Haftungsregeln des BGB regelmäßig nur dem erstrangigen Bieter Aussicht auf Erfolg bieten (Horn/Graef, NZBau 2005, 505, 506). Insofern liegt für den Auftraggeber in § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) GWB aber auch eine Art Sanktion, weil er gegenüber allen Bietern, die eine echte Chance gehabt hätten, zum Schadensersatz verpflichtet wird, er für den bei der Vergabe begangenen Rechtsfehler also „bestraft“ wird (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 2).
Zunächst muss ein Verstoß gegen eine bieterschützende Vorschrift vorliegen.
Bieterschützend sind diejenigen Vorschriften, die dem Gebot der Fairness, der Transparenz und der Gleichbehandlung dienen und Ausdruck der in § 97 Abs. 1 - 5 GWB angelegten Grundsätze sind (OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2007, Az. 12 U 1016/05). Maßgeblich ist insofern die Rechtsprechung zu § 97 Abs. 7 GWB und § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB (Pünder/Schellenberg, § 126 GWB, Rdn. 20). Mit Blick auf die Einleitung des Verfahrens sind bieterschützend die Vorschriften zur Art der Ausschreibung und zu den zu beteiligenden Unternehmen (OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2007, Az. 12 U 1016/05).
Ob ein Verstoß gegen diese Schutznormen gegeben ist, wird regelmäßig aufgrund der – gemäß § 124 Abs. 1 GWB bindenden (Pünder/Schellenberg, § 126 GWB, Rdn. 112) – Entscheidung der Vergabekammern feststehen. Die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens ist aber nicht Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 5).
Bei einem Verstoß gegen sonstige Vorschriften, kommt es darauf, ob es Schutzzweck dieser Vorschriften ist, den Bieter in einem Vergabeverfahren zu schützen (OLG Köln, Urteil vom 21.12.2016 - 17 U 42/15).
Erforderlich ist zweitens, dass der Bieter eine sog. echte Chance auf den Zuschlag hatte. Eine echte Chance besteht nur, wenn das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte; es genügt hingegen nicht, dass das Angebot in die engere Wahl gelangt wäre (OLG Koblenz, Beschl. v. 04.02.2009, Az. 1 Verg 4/08; kritisch zur Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH Prieß/Hölzl, NZBau 2011, 21). Entscheidend ist letztlich, ob das Angebot nach dem dem Auftraggeber zustehenden Wertungsspielraum den Zuschlag hätte erhalten können (BGH MDR 2008, 567). Das ist bei einem zweitplatzierten Angebot zu bejahen (OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2007, Az. 12 U 1016/05). An einer echten Chance fehlt es hingegen, wenn die Leistungsbeschreibung fehlerhaft war und deshalb mangels Vergleichbarkeit die abgegebenen Angebote von vornherein nicht gewertet werden können (BGH NZBau 2007, 58; KG Berlin NZBau 2004, 167, 168). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer echten Chance liegt beim Kläger (Pünder/Schellenberg, § 126 GWB, Rdn. 110).
Voraussetzung ist ferner, dass der Auftragswert oberhalb des gemäß § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 VgV liegenden Schwellenwerts liegt (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 25.09.2009, Az. 1 U 42/08; OLG Stuttgart BauR 2008, 567). Hingegen ist es nicht erforderlich, dass die Vergabestelle überhaupt das Verfahren nach §§ 97 ff. GWB eingeleitet hat; entscheidend ist allein, dass sie es gemäß § 100 Abs. 1 GWB hätte einleiten müssen (OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2007, Az. 12 U 1016/05).
Schließlich muss auch ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schutznormverstoß und dem Schaden bestehen (LG Leipzig VergabeR 2007, 417, 420. Nach Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 12, muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Normverstoß und der Beeinträchtigung der echten Chance bestehen). Daran fehlt es etwa, wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht auf die Abgabe des Angebots ausgewirkt haben kann.
Ein Verschulden ist ausweislich des Wortlauts nicht erforderlich (BGH MDR 2008, 567). Diese im Schrifttum umstrittene Frage (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 9 gehen davon aus, dass ein Verschulden erforderlich ist) ist nunmehr durch die Rechtsprechung des BGH geklärt.
Vom Umfang her ist der Schadensersatz begrenzt auf die Kosten der Vorbereitung des Angebots und (Eine Alternativität zwischen beiden Schadensposten besteht entgegen des Wortlauts nicht, Pünder/Schellenberg, § 126 GWB, Rdn. 47) der Teilnahme am Vergabeverfahren. Der entgangene Gewinn ist also nicht ersatzfähig (OLG Düsseldorf NZBau 2003, 459, 461; Pünder/Schellenberg, § 126 GWB, Rdn. 126). Ersatzfähig sind aber etwa die Kosten der Beschaffung der Verdingungsunterlagen, der Stellung eines Teilnahmeantrages, des Eignungsnachweises, der Angebotsbearbeitung, der Ausarbeitung von Unterlagen, von Ortbesichtigungen, der Sicherheitsbeschaffung und der Abgabe des Angebots sowie der Teilnahme am Eröffnungstermin (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 11). Kosten für die aufgewendete Arbeitszeit von Mitarbeitern sind nur dann ersatzfähig, wenn die Mitarbeiter ohne Teilnahme an der Ausschreibung nicht hätten bezahlt werden müssen oder wenn sie sonst anderweitig eingesetzt worden wären (KG Berlin NZBau 2004, 167, 169; Pünder/Schellenberg, § 126 GWB, Rdn. 48).
Hinsichtlich der Verjährung ist mangels spezieller Regelung im GWB § 195 BGB anwendbar, sodass für den Schadensersatzanspruch nach § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) die dreijährige Verjährungsfrist gilt (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 17).
Neben dem Anspruch aus § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) können Ansprüche nach §§ 280, 311 BGB (culpa in contrahendo) und nach §§ 823 ff. BGB, insbesondere § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Bestimmungen der VOB/A bzw. VOL/A oder § 826 BGB, (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 35 f) geltend gemacht werden; diese Anspruchsgrundlagen werden nicht durch § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) verdrängt (Immenga/Mestmäcker, § 126 GWB, Rdn. 17). Im Übrigen können sie auch dann herangezogen werden, wenn § 181 GWB (§ 126 GWB a.F) tatbestandlich nicht anwendbar ist, weil die maßgeblichen Schwellenwerte nicht überschritten werden.
Der Staat kann ferner in ein Wettbewerbsverhältnis zwischen Privaten eingreifen, indem er eine Partei, die sich um einen Vertragsschluss mit einem Dritten bemüht, unterstützt und ihr dadurch einen Vorteil gegenüber der anderen Partei ermöglicht. Der BGH hatte im Jahr 2000 eine Fall zu beurteilen, bei dem ein Ortsbürgermeister einen Bieter in einem Zwangsversteigerungsverfahren durch Stellung einer Bürgschaft unterstützte, sodass die andere Partei gezwungen war, ihr Angebot nochmals zu erhöhen; ohne die Unterstützung hätte sie den Zuschlag bereits zu dem niedrigeren Angebot bekommen (BGH NJW 2000, 2810.). Das OLG Zweibrücken ging hier von einer Amtspflichtverletzung des Bürgermeisters aus und verurteilte die Gemeinde zum Schadensersatz nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (OLG Zweibrücken, Urt. v. 20.05.1999, Az. 6 U 30/98.). Der BGH hat das Urteil zwar aufgehoben, weil er die Ausübung eines öffentlichen Amtes durch den Bürgermeister verneinte, hielt aber im Ansatz einen Amtshaftungsanspruch für möglich.
In dieser Konstellation liegt das haftungsbegründende Verhalten der öffentlichen Hand darin, dass sie einen Privaten von einem in Aussicht genommenen Vertragsschluss „verdrängt“, indem sie selbst den Vertrag mit dem Dritten schließt. Praxisrelevant sind hier zwei Fallgruppen, nämlich einerseits die rechtswidrige Ausübung eines Vorkaufsrechts und andererseits der unter Verstoß gegen Vorschriften des Gemeinderechts erfolgende Wettbewerb gemeindlicher Unternehmen mit Privatunternehmen.
Bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts zieht die öffentliche Hand einen bereits mit einem Dritten geschlossenen Vertrag „an sich“. Die rechtswidrige Ausübung des Vorkaufsrechts ist amtspflichtwidrig (Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 21.12.2006, Az.11 U 69/05; OLG Hamm NVwZ-RR 1998, 354; OLG München, Urt. v. 27.05.1993, Az. 1 U 5787/92.). Die Behörde hat die Amtspflicht, den Antrag auf Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung, mithin die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts, im Einklang mit dem geltenden Recht gewissenhaft, förderlich und sachdienlich zu behandeln, ihn ohne Verzögerung innerhalb angemessener Frist zu bescheiden und dabei jede vermeidbare Schädigung des Antragstellers zu unterlassen (OLG Hamm, Urt. v. 09.12.1998, Az. 11 U 42/98.). Die rechtswidrige Ausübung des Vorkaufsrechts verletzt jedenfalls gegenüber dem verdrängten Vertragspartner als auch gegenüber dem Veräußerer eine drittschützende Amtspflicht (OLG Hamburg, Urt. v. 30.04.1999, Az. 1 U 151/96; OLG Hamm NVwZ-RR 1998, 354.).
Im letzten Jahrzehnt haben die Kommunen ihre wirtschaftliche Betätigung zunehmend auch auf andere als die angestammten Tätigkeitsfelder ausgeweitet und treten privaten Unternehmern damit immer mehr als Konkurrenten gegenüber (Pitschas/Schoppa, DÖV 2009, 469 ff. ). Demzufolge haben auch die gerichtlichen Auseinandersetzungen zugenommen, in denen Private Rechtsschutz gegen die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen gesucht haben, wobei sowohl Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als auch vor den Zivilgerichten angestrengt wurden.
Darüber hinaus kommen Amtshaftungsansprüche in Betracht, wenn eine Kommune Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts verletzt und insofern eine Amtspflichtverletzung begeht. Ebenso sind Entschädigungsansprüche des privaten Konkurrenten gegen die Kommune aus enteignungsgleichem Eingriff denkbar. Diese zweite Ebene des Rechtsschutzes gegen eine rechtswidrige kommunalwirtschaftliche Betätigung ist bislang aber kaum beschritten worden.
Außerordentlich umstritten ist bereits im Ansatz, ob dem privaten Unternehmen überhaupt Unterlassungsansprüche gegen den kommunalen Wettbewerber zustehen, wenn dieser unter Verstoß gegen gemeindewirtschaftliche Normen, etwa Art. 87 GO, am Markt auftritt. Amtshaftungsrechtlich ist dies für die Frage, ob der private Unternehmener zunächst Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen muss, von entscheidender Bedeutung.
a) Entwicklung der Rechtsprechung bis 2002
Die Verwaltungsgerichte haben bis 2002 öffentlich-rechtliche Ansprüche bei einem Verstoß gegen kommunalrechtliche Vorschriften des Wirtschaftsverwaltungsrechts wie etwa Art. 87 BayGO mangels drittschützenden Charakters derartiger Normen regelmäßig verneint (Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 7 Rdn. 56 ff.). Die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts seien ausschließlich für den Schutz der Gemeinden vor sich selbst bestimmt, insbesondere vor den möglichen finanziellen Folgen von Verlustgeschäften (BVerwGE 39, 329. ). Es sollen damit allein die Kommunen vor einer wirtschaftlichen Betätigung bewahrt werden, die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt bzw. gefährdet und damit auch die Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben in Frage stellt.
Eine Klagebefugnis von Privaten konnte auch nicht mit einer Verletzung des Art. 12 GG begründet werden, da die Verwaltungsgerichte in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Nachweis verlangten, dass die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand die Wettbewerbsfreiheit in unerträglichem Maße einschränke, (BVerwGE 30, 191, 198.) eine Auszehrung der Konkurrenz vorliege, (OVG NRW, GewArch 1986, 157, 159. ) oder eine Monopolstellung der öffentlichen Hand bestehe (BVerwGE 17, 306, 314.).
Auf dem Verwaltungsrechtsweg konnten daher private Konkurrenten Unterlassungs- und Abwehransprüche gegen kommunale Unternehmen und/oder Gemeinden nicht durchsetzen.
Dagegen war der Zivilrechtsweg grundsätzlich eröffnet. Die Zivilgerichte hatten nämlich diese Lücke im Rechtsschutz dadurch geschlossen, dass es privaten Konkurrenten erfolgversprechend möglich war, sich mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen vor den Zivilgerichten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigungen zur Wehr zu setzen. Derartige Klagen wurden auf die Argumentation gestützt, dass die Gemeindeordnungen die kommunale wirtschaftliche Betätigung auch zum Schutz privater Mitbewerber eingegrenzt hätten und im Falle eines Verstoßes gegen diese gemeinderechtlichen Vorschriften zugleich eine Verletzung der guten Sitten im Wettbewerb i.S.d. § 3 UWG (§ 1 UWG a.F.) liege. Der BGH hatte diese Rechtsprechung zunächst auch bestätigt. Wenn eine öffentlich- rechtliche Vorschrift die Zulässigkeit und Grenzen einer wirtschaftlichen Betätigung der öffentliche Hand in einer Weise regele, dass es der öffentlichen Hand verwehrt sei, in den Wettbewerb im Markt einzugreifen, so sei ein Gesetzesverstoß regelmäßig auch als wettbewerbswidrig i.S.d.§ 3 UWG zu beurteilen (BGHZ 110, 278, 290 f.; BGH GRUR 1965, 373, 375; BGH GRUR 1974, 733, 734.).
b) Rechtsprechungsänderung des BGH
Mit seinem Grundsatzurteil vom 25. April 2002 (BGH NVwZ 2002, 1141 ff.) hat der BGH dieser Judikatur aber den Boden entzogen. Danach soll ein Verstoß gegen Art. 87 BayGO, der der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden Grenzen setzt, nicht zur Sittenwidrigkeit i.S.d. § 3 UWG führen. § 3 UWG dient nämlich nicht dazu, einen Wettbewerber unter Berufung auf ein den Marktzutritt verbietendes Gesetz vom Markt fernzuhalten, wenn das betreffende Gesetz den Markteintritt aus Gründen verhindern will, die den Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht berührten (BGH NVwZ 2002, 1141 ff.; vgl. hierzu Faßbender, DÖV 2005, 89 und Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Rdn. 13.56.). Dies wäre nur dann möglich, wenn die verletzte Norm eine zumindest sekundär wettbewerbsbezogene, d.h. eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat, (BGH NVwZ 2002, 1141, 1142.) um so im Falle eines Verstoßes zugleich den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit zu begründen. Art. 87 BayGO kommt aber nach Auffassung des BGH eine solche Schutzfunktion nicht zu.
Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung einer Konkurrenzsituation durch die Zivilgerichte könne sich lediglich auf die Art und Weise, mithin das „Wie“ der Beteiligung der öffentlichen Hand am Wettbewerb, beziehen, nicht jedoch darauf, „ob“ sich die öffentliche Hand überhaupt erwerbswirtschaftlich betätigen dürfe und welche Grenzen ihr insoweit gesetzt seien (BGH NVwZ 2002, 1141, 1143.). Die Beantwortung der Frage, ob eine wirtschaftliche Bestätigung einer Gemeinde rechtmäßig ist, sei Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung, der parlamentarischen Kontrolle und, für Gemeinden und Landkreise, der Kommunalaufsicht, nicht aber der ordentlichen Gerichte (BGH NVwZ 2002, 1141, 1143.).
c) Konsequenzen für die Frage des Primärrechtsschutzes
Nach der neueren BGH-Rechtsprechung können private Konkurrenten also auch auf dem Zivilrechtsweg nicht mehr erfolgreich gegen kommunale Wirtschaftsunternehmen vorgehen, wenn diese gegen kommunalrechtliche Betätigungsschranken, etwa Art. 87 BayGO, § 102 BWGO, § 107 NRWGO, § 71 ThürGO oder Art. 85 RhPfGO, verstoßen, da diese Rechtsverletzung nicht mehr zugleich auch sittenwidrig i.S.d. § 3 UWG ist (Hoppe-Uechtritz „Handbuch kommunale Unternehmen“, § 6 Rdn. 130 ff.; Köhler/Bornkamm, § 4 UWG, Rdn. 13.56.).
Andererseits garantiert das formelle Hauptgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG Bürgern und juristischen Personen des Privatrechts gegen Hoheitsträger und privatrechtlich organisierte Unternehmen der öffentlichen Hand bei Rechtsverletzungen lückenlosen und effektiven Rechtsschutz (Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 19 GG, Rdn. 58.). Eine generelle Verneinung der drittschützenden Wirkung von kommunalwirtschaftsrechtlichen Normen ist daher nicht zu halten (Brüning, NVwZ 2012, 671; Möstl, WiVerw 2011, 231.). In der Konsequenz liegt, dass die bei den Verwaltungsgerichten erhobenen Unterlassungsklagen privater Wettbewerber von Kommunalunternehmen bei deren rechtswidrigem Marktzutritt zulässig sind (so OVG NW, NVwZ 2008, 1031; VGH BW, NVwZ-RR 2006, 714; VerfGH RP, DVBl 2000, 992, 995.).
Amtshaftungsrechtlich folgt daraus, dass wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes nach § 839 Abs. 3 BGB zunächst eine Unterlassungsklage vor den Verwaltungsgerichten zu erheben ist.
Mit der Anerkennung der Zulässigkeit von Unterlassungsklagen vor den Verwaltungsgerichten ist auch die Frage des drittschützenden Charakters der verletzten Amtspflicht dem Grunde nach positiv entschieden.
Weitaus größere Schwierigkeiten bereitet dagegen die Begründung der haftungsausfüllenden Kausalität. Es muss vorgetragen werden können, dass etwaige Umsatzeinbußen gerade auf dem Marktzutritt des kommunalen Unternehmens beruhen.